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WahlkampfWohltaten trotz leerer Kassen

Der Bund der Steuerzahler kritisiert üppige Wahlversprechen ohne ausreichende Gegenfinanzierung. Keine der Parteien habe ein Konzept fürs 21. Jahrhundert.

Sparvorschlag: Die SPD will auf den Umzug der Stadtentwicklungsbehörde verzichten. Bild: IBA

HAMBURG taz | Der Bund der Steuerzahler (BDST) hat den fünf größten Parteien vorgeworfen, sich in ihren Wahlprogrammen nicht den finanzpolitischen Realitäten zu stellen. "Die Haushaltslage der Stadt ist ein Desaster", sagte der Vorsitzende des BDST Hamburg, Frank Neubauer.

"Die Politiker wissen das genauso gut wie die Steuerzahler." Trotzdem versprächen SPD, CDU, GAL, Linke und FDP, ein Füllhorn an Wahlgeschenken über den Bürgern auszuschütten. Dabei sei die Finanzkrise noch keineswegs überwunden.

677 Wahlversprechen zählte der BDST in den Programmen der fünf Parteien, die realistische Chancen haben, in die Bürgerschaft einzuziehen. Dem stünden lediglich 71 Vorschläge zur Gegenfinanzierung gegenüber, davon 61 Sparideen und zehn Ideen, wo im Wege von Steuern und Abgaben zusätzliches Geld zu holen wäre. Bloß drei Vorschläge seien geeignet, die Ausgaben dauerhaft zu begrenzen.

Düstere Lage

Der Bund der Steuerzahler gibt eine Besorgnis erregende Übersicht über die finanzielle Lage der Stadt. So hoch sind die Schuldenberge:

Allgemeiner Haushalt: 24,9 Milliarden Euro.

Konzerne in städtischem Besitz: 16,3 Milliarden.

Sondervermögen: rund 1,5 Milliarden.

Finanzierungshilfen etwa für die HSH Nordbank: 5,2 Milliarden.

Risiken: 32,9 Milliarden, davon alleine aus der Gewährträgerhaftung für die Nordbank und die Wohnungsbaukreditanstalt 6,6 bis 10 Milliarden, für nicht getätigte Pensionsrückstellungen 16,4 Milliarden.

Das Lob hierfür spendete die Steuerzahler-Lobby der SPD und der CDU: Die Sozialdemokraten lägen richtig mit ihrer Ansage, die Ausgaben pro Jahr nie um mehr als ein Prozent zu erhöhen. Zudem wollen sie jeden Cent, der irgendwo ausgegeben wird, anderswo kürzen.

Lobenswert bei der CDU sei, dass sie an der von ihr 2007 eingeführten Schuldenbremse festhalten wolle - ein Ziel, das die SPD auf 2020 verschoben hat, obwohl es in Hamburg geltendes Recht ist. 2013 hält aber auch der BDST für unrealistisch.

Der BDST beziffert die Schulden der Stadt auf 47,9 Milliarden Euro. Dazu kämen Verschuldungsrisiken von 32,9 Milliarden und weitere strukturelle Risiken: rund 550 Millionen Euro, die der Senat jährlich mehr ausgebe als er einnehme; unabsehbare Risiken durch die Konjunktur und Zinsveränderungen; eine Grundsanierung des Straßennetzes, die der BDST unter Berufung auf den ADAC auf einmalig 300 Millionen Euro veranschlagt.

Neubauer warf den Parteien mangelnden Mut vor. "Sie schauen verängstigt auf den Bürger", kritisierte er. Mit Blick auf die anstehende Bürgerschaftswahl züchteten sie eine "beängstigende Anspruchsmentalität" statt den HamburgerInnen reinen Wein einzuschenken und auf ihre Urteilsfähigkeit zu vertrauen.

Der BDST-Vorsitzende räumte ein, dass das riskant sei. Allerdings seien auch die Aussichten düster: Angesichts der ständig weiter steigenden Schulden gebe es drei Auswege. Einen Staatsbankrott würde die Wirtschaft nicht verkraften, prophezeite Neubauer.

Die Ausgaben drastisch zu kürzen und zugleich die Steuern zu erhöhen, würde die Gesellschaft vor eine Zerreißprobe stellen. Eine Inflation würde zwar die Schulden, aber auch das private Ersparte entwerten. Zu rechnen sei mit einer Kombination der beiden letzten Wege, prognostizierte Neubauer.

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5 Kommentare

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  • S
    Steuerzahler

    "Drecksverein"? - "neoliberaler think-tank"?

     

    Ihr habt ganz offensichtlich keine Ahnung, wie der BdSt IN HAMBURG arbeitet. Vielleicht mal n bisschen kürzer treten mit Klischees, Vorurteilen und ideologisch verbohrten Parolen. Stattdessen mal die Positionen durchlesen, z.B. zur Rekommunalisierung der Netze. Was ist z.B. daran neoliberal?

     

    Mehr Meinung in der taz - gut so! Und nicht nur linkes Eiapopeia.

  • W
    WhiskeyBernd

    Böse Taz, das geht besser!

  • H
    Hans

    Was beim Bund der Steuerzahler nie erwähnt wird, ist, dass es auch die Möglichkeit gibt, Steuern und Abgaben zu erhöhen. Und es geht auch nie um die sozialen Folgen von Sparen oder Geldausgeben. Für mich hat dieser Bund ein wenig den Charakter eines Gauklers - für ein wenig Belsutigung ist er gut, für die Realität der Politik wohl weniger. Außerdem ist er ein zahnloser Tiger - es gibt ein Umverteilungsproblem, kein Mangelphänomen, so wie der Bund immer wieder behauptet. Beim Steuerzahlerbund ist immer alles knapp, nicht da und muss gepart, entlassen, etc. werden.

  • EB
    el braun

    knödler und redaktion-hamburg.

     

    Was ist das für ne themenwahl??? ein artikel, in dem ihr den bdst die ideen der parteien dissen lasst, ohne zu sagen, dass diese organisation eine lobbyvereinigung für den schlanken staat und gutverdiener ist. kommt euch das lob des bdst für schuldenbremse einhalten (cdu) und politische selbstkasteiung (nie mehr als 1%, SPD) nicht komisch vor?

     

    jede_r, der nur einmal einen annährend kritischen bericht über die schuldenbremse gelesen hat oder jemand, der eine halbe stunde sich mit keynesiansicher wirtschaftspolitk auseinander gesetzt hat, merkt doch woher hier der wind bläst. aber ihr macht freudig aus dieser meldung einen braven artikel.

     

    sorry, aber das ist echt arm.

  • H
    Hann0s

    Das die Taz diesem Neoliberalen Think-Tank überhaupt eine Plattform bietet finde ich schon komisch, das diesem wirtschaftspolitischen Dummfug, den die da verbreiten, aber nix entgegensetzt wird, finde ich noch schlimmer. Da wird doch der gleiche Müll gefordert von Einsparungen und verzicht, doch woher soll den das Geld kommen, mit dem wir uns Entschulden, wenn nicht von höheren Steuern? All diese Einsparungen sollen einen ausgeglichnen Haushalt hervorbringen, das zahlt aber keine Schulden ab. Auch wenn ich keiner dieser "liebe taz" plärrer sein will, "liebe Taz, da hätte ich mehr erwartet"

     

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=8073 sehr guter Beitrag über den Drecksverein mit sozialem Anstrich