Lachen schürt den Zweifel

Die Kunststation St.Peter ist längst im Kölner Ausstellungsbetrieb etabliert. Pater Mennekes hat jetzt erneut eine Arbeit des englischen Künstler Martin Creed in der Kirche installieren lassen

VON KÄTHE BRANDT

Nachts, wenn die meisten Kirchen Kölns verschlossen sind, spendet der hohe Südturm von St. Peter dennoch Trost. In großen leuchtenden Lettern ist hier zu lesen, was die Bergpredigt den Gläubigen zuruft: NOLI SOLICITUS ESSE, SORGE DICH NICHT, DONT‘ WORRY, MH MEPIMNA. Seit fünf Jahren prangen dort die Worte, installiert von Martin Creed. Jetzt lacht der englische Künstler in der Kirche. Verhaltenes, leise-vergnügtes Lachen, albernes Kichern, Grunzen und fröhliches Seufzen tönt aus allen Lautsprechern. Der leere Raum vibriert von den wohlbekannten und dennoch fremd erscheinenden Geräuschen.

Gerade hier erwartet niemand solche frohe Erlebnisvertonung, wie sie allenfalls zum orthodoxen Osterfest oder im Nonnenkloster noch einen Platz hat. Creed (geb. 1968), Turnerpreis-Träger des Jahres 2001, provoziert mit seiner akustischen Installation „Lachen“ ein neues Raumerleben, eine seltsam-befremdliche Körperlichkeit, auch eine neue Sicht auf die Institution Kirche. Es scheint den Künstler nicht zu bekümmern, dass er damit die Erwartungen erfüllt, die gemeinhin an Avantgarde-Kunst gestellt werden. Die Botschaft lautet: Kunst kann und soll irritieren, sie soll Unvorhergesehenes tun, soll Zweifel schüren. In dem Fall sind es Zweifel am Erhabenheitspathos der Religion, an den Posen spiritueller Ergriffenheit und an einem geläufigen Verhaltenskodex. Dass sich die künstlerische Subversion im katholischen Rheinland, wo das „kommerzialisierte Lachen zu Hause ist“, so Initiator Pater Mennekes, auch möglichen Vorwürfen aussetzt, auch das scheint ein kalkuliertes Risiko zu sein. Zumal die Institution der kunstfrohen Kirche St. Peter ja nicht nur Spielraum bietet, sondern Widerspruch in ihrer Hinwendung zur zeitgenössischen Kunst geradezu fordert.

Die Suche nach der angemessenen, nicht-mimetischen Repräsentation religiösen Erlebens, führt den Pater häufig an die Ränder des für viele Gläubige Zumutbaren. Eines der zentralen Themen der Arbeiten Creeds ist das Wesen der Kunst selbst, das Verhältnis von Kunst und Realität, von Kunst und Leben – eine Beschäftigung, die er mit vielen zeitgenössischen Künstlern teilt. Was aber zeichnet seine Arbeit aus, was macht sie so besonders und plausibel? Ist es die uneitle und ironische Kritik an der visuell und materiell überladenen Welt in der wir leben? Die Arbeiten, und besonders wohl ein immaterielles Werk wie „Lachen“, können neue Möglichkeiten der Selbstwahrnehmung und der Verortung des eigenen Selbst im Kontext sozialer Beziehungen eröffnen. Gleichzeitig aber bestätigen sie das stereotype Bild des modernen Künstlers als eines Beschwörers von Konflikten.

Das Lachen ist also ein bewegendes Thema. Eine seiner wesentlichen Funktionen ist, so diagnostizierten Philosophie und Psychologie, die Abwehr der Todesfurcht: Lachen gegen die Gewissheit der eigenen Sterblichkeit. In seinem Buch „Der Name der Rose“ hat Umberto Eco dem Lachen ein wunderbares Denkmal gesetzt. Der blinde Jorge von Burgos, Kontrahent des Franziskanermönchs William von Baskerville, vergiftet in einem Buch die Stelle aus Aristoteles 2. Buch der Poetik, in der es um das Lachen geht: es sei zu gefährlich, da es zu einer neuen Kunst würde, „zur Kunst der Vernichtung von Angst: Das Lachen schürt nur den Zweifel, und über die Wahrheit und Schönheit lacht man nicht!“. In Köln aber erfahren die Kirchenbesucher anno 2005, dass ironische Distanz zur eigenen Bedeutsamkeit und Tradition nicht nur möglich, sondern auch sehr belebend sein kann.

bis 15. Januar 2006