Kolumne Männer: True Lies

Erstaunlich, wie Biologismen beruhigen: Viele Menschen wollen keine Gemeinsamkeiten mit ihren eigenen Eltern erkennen, aber sehr wohl mit Höhlenmenschen.

Trauen Sie keinem, der die Formulierung "Ich sag ja immer" im Munde führt. Solche Menschen versuchen, ihrer Umwelt ein bestimmtes Bild von sich aufzunötigen. Dieses fällt meist recht schmeichelhaft aus. Es enthält dann Wendungen wie "Ich sag ja immer, ich brauche nicht viel Geld, um glücklich zu sein." Das ist nie schön und selten wahr, aber zumindest nachvollziehbar.

Weniger nachvollziehbar finde ich es, wenn Menschen Dinge äußern wie: "Ich sag ja immer, ich als Frau/Mann kann sehr/nicht gut kochen/Stadtpläne lesen/Menschen erschießen." Bitte rücken Sie für die folgende schockierende Offenbarung näher heran. Aber bitte nicht zu nah, wir kennen uns schließlich kaum. Also: Sätze wie der oben beschriebene sind ziemlicher Unfug. Ich erkläre Ihnen, was ich meine.

Allan und Barbara Pease veröffentlichen Bücher mit sprechenden Titeln wie "Warum Männer immer Sex wollen und Frauen von der Liebe träumen". Diese verschaffen ihnen gewaltigen Erfolg: nach eigenen Angaben mehr als 25 Millionen verkaufte Exemplare in 51 Sprachen sowie eine Ehrendoktorwürde der Universität von Moldawien.

Darin vermengen sie Studienergebnisse, Halbwissen und Boulevardschreibe so lange, bis herauskommt, was ihre Leser schon vor Öffnen des Buchs zu wissen glaubten: Männer sind so, Frauen sind so. Und da Menschen sich nichts sehnlicher wünschen als die Bestätigung ihrer Haltung, glauben sie das Gelesene gern. Ich bin da anders. Die Audio-CD "Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken" habe ich gar nicht erst zu Ende angehört.

In einer Welt, der die Maßstäbe abhandengekommen sind, wirkt der Rückgriff auf Biologismen für viele Gemüter beruhigend. Sie müssen sich Mario-Barth-Fans als glückliche Menschen vorstellen. Schon erstaunlich: Viele Menschen wollen keine Gemeinsamkeiten mit ihren eigenen Eltern erkennen, aber sehr wohl mit Höhlenmenschen.

Ich bin der Beweis, dass es auch anders geht: Entgegen landläufigen Klischees über Männer bin ich - erstens - ein geduldiger Beifahrer. Dieser Umstand nutzt dem jeweiligen Fahrer aber wenig, denn ich bin - zweitens - ein miserabler Kartenleser. Als Fahrer wiederum werde ich aufgrund fehlenden eigenen Autos selten eingesetzt. Deshalb - drittens - parke ich schlecht ein. Das macht mir - viertens - wenig aus, denn gegenüber Autos bin ich leidenschaftslos. Keine Abneigung, eher eine matte Gleichgültigkeit. Wie der resoluten Verkäuferin vom "Happy Back Shop" bei mir ums Eck das Wort "Happy" im Firmennamen egal ist.

Bin ich deshalb weniger männlich? Ich sage: nein. Mein Nein müssen Sie sich sehr sonor ausgesprochen vorstellen, und mein Gesichtsausdruck ist dabei sehr bestimmt und strahlt zugleich Gelassenheit aus. Stellen Sie sich am besten Vito Corleone vor, nur jünger, mit blonden Haaren, einem gewinnenden Lächeln und ohne nachweisbare Mafiavergangenheit. Warum ich das erwähne? Natürlich kann auch ich mich von Geschlechtsstereotypen nicht ganz freisprechen. Ich sag ja immer: Ich bin schließlich auch nur ein Mann.

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Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

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