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Der pädosexuelle KollegeDie hässliche Seite des netten Didi

Bevor Dietrich W. die taz mitbegründete, hat er in der Odenwaldschule über Jahre mit Kindern masturbiert. Pädosexuelle, die Missbrauch propagierten, verlachte er als "Irre".

Ober-Hambach bei Heppenheim im Odenwald. Von hier aus fuhr Dietrich W. mit seinen Schülern ins Umland, nach Frankreich oder nach Griechenland. Bild: dpa

BERLIN taz | Erst necken sich die Schüler und der junge Mann nur. Dann beginnen sie zu raufen. Am liebsten balgt sich Dietrich W. mit Jörg*. Der gespielte Kampf geht in Umarmungen und Berührungen über, die an die eines Liebespaars erinnern. W. fährt dem Jungen immer wieder zwischen die Beine, sie umschlingen sich. Irgendwann liegen sich die beiden erschöpft in den Armen.

Die Frau, die heute von dieser Szene erzählt, war vor vierzig Jahren selbst Schülerin der Odenwaldschule Ober-Hambach, jenes hessischen Landerziehungsheims, das lange als Modellschule für alternatives Lernen galt. Dietrich W. war auch ihr Lehrer.

Didi, wie ihn seine Schüler nannten, mochte die Jungen. Und die Jungen ihn. "Didi war immer von Knaben umgeben", sagt die ehemalige Schülerin. Damals habe sie sich nichts dabei gedacht, wenn sie den Lehrer so mit den Schülern sah. Das änderte sich, als sie den Kunstlehrer Ende 2010 im Abschlussbericht zum sexuellen Missbrauch an der Odenwaldschule wiederfand - als mutmaßlichen Täter. Sie fragt sich heute: Was hat sie alles nicht gesehen?

Wie ihr geht es vielen, die Dietrich W. gekannt und geschätzt hatten, bevor er 2009 an Lungenkrebs starb: Schülern und Freunden, Angehörigen und Kollegen - auch in der Redaktion der taz, zu deren Gründern W. gehörte, und für die er jahrelang als Stuttgart-Korrespondent arbeitete.

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Der Fall

Im Abschlussbericht: 132 Fälle sexuellen Missbrauchs listet der Abschlussbericht der Odenwaldschule vom Dezember 2010 auf. Der Opferverein "Glasbrechen" rechnet sogar mit 300 bis 400 Betroffenen. Der Bericht teilt die Fälle in fünf Kategorien ein: Stufe 1 erfasst Übergriffe, die Schüler bei anderen beobachtet haben, Stufe 2 erfolgreich abgewehrte Übergriffe, Stufe 3 häufige Berührungen in sexueller Absicht und Masturbieren, Stufe 4 Geschlechts-, Anal- und Oralverkehr, Stufe 5 steht für Vergewaltigungen. Dietrich W. taucht als "Kunstlehrer" auf und wird in Stufe 3 erfasst.

In der Odenwaldschule: Dietrich W. kam ohne Abitur oder Studium im August 1969 an die Odenwaldschule und blieb bis Juli 1972. Ihm werden neun sexuelle Übergriffe vorgeworfen.

In der taz: Als Journalist gehörte W. Ende der Siebzigerjahre zu den taz-Redakteuren der ersten Stunde. Er schrieb bis 1989 regelmäßig als Stuttgart-Korrespondent für die taz. Später arbeitete er für den Stern und die Zeit sowie für die SWR-Kindersendung "Tigerenten Club". Als die Vorwürfe bekannt wurden, begann ein Rechercheteam der taz, W.s Verbindung zur taz und zu deren pädosexuellen Veröffentlichungen in den Achtzigerjahren zu prüfen. Diese Ganze Geschichte ist ein erstes Ergebnis.

Der 35-seitige Abschlussbericht zum sexuellen Missbrauch an der Odenwaldschule widmet seinem Fall sechs Zeilen. Dietrich W., der von 1969 bis 1972 an der Odenwaldschule unterrichtete, werden neun der bislang 132 dokumentierten sexuellen Übergriffe vorgeworfen.

Insgesamt drei Männer, zur Tatzeit zwölf bis vierzehn Jahre alt, haben ihn beschuldigt und zudem sechs weitere Betroffene genannt. So zählen es die beiden unabhängigen Aufklärerinnen Brigitte Tilmann und Claudia Burgsmüller, die die Schule bestellt hat.

Im Gegensatz zu vier Haupttätern wird Dietrich W. im Abschlussbericht nicht mit Namen genannt, sondern nur als "Kunstlehrer" bezeichnet. Aus Rücksicht auf seine Familie heißt er auch in diesem Text nur W.

Die Taten an der Odenwaldschule werden von den Aufklärerinnen nach ihrer Schwere kategorisiert. Von der mildesten Stufe 1 bis zu Stufe 4 für Penetration und Stufe 5 für Vergewaltigung.

Die Übergriffe von Dietrich W. waren demnach Stufe 3: "häufige Berührungen in sexueller Absicht" sowie gegenseitiges Masturbieren. Die Vorwürfe gegen ihn sind laut Tillmann und Burgsmüller weder in Zahl noch in Intensität mit denen gegen die vier Haupttäter vergleichbar. Dennoch wiegen sie schwer.

Einige seiner Übergriffe ereigneten sich auf einer gemeinsamen Griechenlandreise mit Schülern. Details zu den Vorwürfen wollen die Juristinnen nicht öffentlich machen. Es ist eine schwierige Gratwanderung zwischen dem Wunsch nach Aufklärung und dem Schutz der Intimsphäre der Opfer. Man habe den "Wunsch der Betroffenen respektiert, selbst die Grenze für das für sie Mitteilbare zu ziehen", erläutern sie in ihrem Bericht.

Andere ehemalige Schüler, die nicht zu den Betroffenen zählen, sprechen über ihre Erinnerungen. "Der Didi hatte die Jungs immer mit, da schliefen alle durcheinander", berichtet einer, der in Griechenland dabei war. Dietrich W. unternahm gern solche Reisen. Die Fahrten gingen mit dem VW-Bulli auch spontan in die nähere Umgebung der Odenwaldschule oder nach Frankreich auf einen Bauernhof in der Provence.

"Ich habe gesehen, wie Didi an Jörg rumgefummelt hat, sie waren im Bett, und er hat sich an dem Jungen zu schaffen gemacht", berichtet ein Schüler, der in Frankreich dabei war. Mehrere Zeugen bestätigen zudem eine pädophile Beziehung W.s vor seiner Zeit an der Odenwaldschule.

Als Dietrich W. von 1969 bis 1972 in Oberhambach arbeitet, missbrauchen pädosexuelle Männer immer wieder Jungen. Sie drängen sie in der Dusche, ihnen und sich gegenseitig einen runterzuholen, betatschten sie zum Aufwachen am Penis. Dem Schulleiter legte man einen kranken Jungen auch mal aufs Zimmer statt in die Krankenstation.

Dietrich W. scheint eher spontihafte Beziehungen zu Jungen gepflegt zu haben. Von ehemaligen Schülern wird er als ein weicher Pädosexueller beschrieben, einer, der sich über Flirts an Jungen ranmachte, nicht mit Gewalt wie andere Pädagogen.

Auch frühere Odenwaldschüler diskutieren deshalb: Wo genau beginnt sexueller Missbrauch? Was erschien damals und was erscheint heute als unverklemmter, akzeptabler Umgang mit der Sexualität von Kindern? Und was ist schon eine Grenzverletzung mit schweren Folgen?

Für die Juristinnen, und nicht nur für sie, besteht kein Zweifel: Masturbieren mit Jungen ist sexueller Missbrauch. Immerhin waren manche erst zwölf Jahre alt und wussten nicht, was Sex ist, ehe sie von einem Pädosexuellen initiiert wurden. Nicht wenige verstehen erst als Erwachsene, was ihnen angetan wurde.

Susan Clancy ist Psychologin an der renommierten Harvard-Universität. Sie hat in einer Studie Missbrauchsopfer befragt. "Der schlimmste Teil des Missbrauchs war, wie andere Menschen darauf reagierten", geben die Opfer zu Protokoll. Sie werden doppelt traumatisiert: durch die Tat - und durch die Reaktion der Umwelt, wenn sie sich offenbaren. Weil man ihnen nicht glaubt, sie zu Mitschuldigen erklärt oder die Tat bagatellisiert. "Da wurde ja nur gewichst!" - die gängige Verhöhnung männlicher Missbrauchsopfer.

Als Dietrich W. 1969 an die Odenwaldschule kommt, ist er kein Lehrer. Er hat eine Tuchmacherlehre absolviert. Befreundete Pädagogen, die er wohl auf Burg Waldeck kennengelernt hatte, vermitteln ihn an die Schule.

Die Burg Waldeck ist ein jugendbewegtes Zentrum, dessen Chansonfestival, das "deutsche Woodstock", politisierte Achtundsechziger anzieht.

Dietrich W. leitet zunächst eine Internatsfamilie mit vier Kindern. Dass ihr Lehrer nicht einmal Abitur hat, ist den Schülern egal. Sie mögen den Mittzwanziger. In W.s "Familie" steht stets eine geöffnete Rotweinflasche auf dem Tisch. "Mit Didi konnte man gut einen Joint rauchen", erinnert sich ein Schüler. "Oder ein paar Flaschen Wein trinken."

Dietrich W.s "Familie" wächst schnell, bald hat er eine Kommune mit sieben Jungen und einem Mädchen. Als W. einmal nicht zum Unterricht erscheint, wird eine Abordnung entsandt. Die Jungen klopfen an seine Tür, er liegt noch im Bett. "Wollt ihr nicht lieber frei haben?", fragt W. "Komm, wir machen dir auch einen Kaffee!", schlägt Philipp stattdessen vor. Die Schüler zerren W. aus dem Bett.

Aus Philipp ist längst Dr. Dr. Sturz geworden. Ein Zahnarzt, der geschockt war, als er erfuhr, was W. vorgeworfen wird. "Didi war unser absoluter Lieblingslehrer", sagt Philipp Sturz, "bei ihm hat der Unterricht unendlich Spaß gemacht."

Ende der Siebziger wurde der beliebte Lehrer Dietrich W. ein überaus beliebter Kollege in der taz-Redaktion. Und er war nicht irgendein Mitarbeiter.

1979, das Gründungsjahr der taz. In Stuttgart steht Dietrich W. für die Berichterstattung aus dem Südwesten bereit. Gerüchten zufolge investiert er sogar 20.000 Mark Startkapital in das linke Zeitungsprojekt.

Bis 1989 schreibt er als taz-Korrespondent über Hausbesetzerszene, Friedensdemos, Landespolitik - und die Stammheim-Prozesse. W. gilt als Womanizer. "Didi pflegte immer Beziehungen zu selbstbewussten und gut aussehenden Frauen, viele von ihnen Feministinnen", sagt sein damaliger taz-Kollege Kuno Kruse, der mit W. in einer Stuttgarter WG wohnte und heute Stern-Reporter ist.

Die Kollegen finden W. charmant, nett und kultiviert. "Es gibt in der taz-Geschichte wenige Personen, die über alle Fraktionen hinweg so beliebt und geschätzt waren wie Didi", sagt taz-Geschäftsführer Kalle Ruch.

Auf den ersten Blick erscheint es als logischer Weg: Der pädosexuelle Lehrer wird Redakteur einer Zeitung, die auch jenen ein Forum bietet, die Straffreiheit für Erwachsene fordern, wenn sie Sex mit Kindern haben. Doch der Fall ist komplizierter.

In der Anfangsphase der taz kämpften einige für eine regelmäßige Schwulen- und Lesbenseite - damit alle "Gruppen und Menschen" ein Forum bekommen, "die aufgrund ihrer Art zu LIEBEN diskriminiert werden", wie es in einem Editorial von 1979 heißt.

Ein Trio namens Ulli Denise, Hans und Annette trat nicht nur für die Rechte von Homosexuellen ein, sondern auch für die von Pädophilen. So verlangte es "die Möglichkeit für Schwule, Lesben, Pädophile, Transsexuelle etc. sich autonom organisieren zu können auch in der taz-Redaktion und über ihre Belange zu berichten!!" Pädophilie als gleichberechtigte sexuelle Neigung neben anderen - dieser Forderung verschafften die drei regelmäßig Platz im Blatt.

Für die Pädophilen gab es ideologische Sympathien

Dass das gelang, erklärt sich auch aus der Struktur der taz. Seit ihrer Gründung verstand sie sich als Sprachrohr alternativer Aktivisten - von der Anti-Psychiatrie-Bewegung bis zu den RAF-Unterstützern. Mittwochs tagte in Berlin das Plenum.

Am Holztisch saßen nicht nur feste Redakteure und die "Säzzer", die mit Papier und Schere die Zeitung bastelten. Auch freie Autoren und Gäste debattierten mit. "Oft ging das stundenlang, obwohl der Redaktionsschluss nahte", erinnert sich der damalige Kulturredakteur Mathias Bröckers. Da Chefs und Machtworte verpönt waren, kamen häufig die ins Blatt, die am lautesten schrien. Auch Pressure Groups, die ihre Anliegen in die Zeitung bringen wollten.

Für die Pädophilen gab es außerdem ideologische Sympathien. Die Linken wollten sexuelle Befreiung. Pädophile durften als von staatlichen "Repressionsorganen" Verfolgte auf Solidarität hoffen.

"Es war die zweite Welle der sexuellen Revolution", erinnert sich die damalige "Säzzerin" Doris Benjack: "Alle wollten sich von allem befreien." Niemand wollte prüde sein wie die Spießer. Kinder, die ihren Eltern beim Sex zusehen - kein Problem. Kinderläden, in denen ErzieherInnen und Kinder gegenseitig ihre Sexualorgane erkundeten - warum nicht?

In den Anfangsjahren besetzte die Nürnberger Indianerkommune, in der Erwachsene mit Kindern zusammenlebten, mehrmals die taz-Redaktion. Ein gängiges Mittel extremistischer Grüppchen im Kampf um Öffentlichkeit. Entnervt druckte die taz daraufhin auch Texte der Indianer, zuletzt 1986.

Von der Päderastengruppe der "Homosexuellen Aktion Hamburg" kam der offen praktizierende Pädosexuelle Olaf Stüben zur taz. Kollegen erinnern sich, dass er zuweilen sogar einen jungen Gefährten in die Redaktion mitbrachte. Anfang der Achtziger rechtfertigt Stüben auf einer Seite zum Thema Pädophilie "freiwillig eingegangene" sexuelle Beziehungen von Erwachsenen mit Kindern.

W. bezog nie Stellung zur Pädophiliedebatte

Laut Kollegen waren Stüben und seine ein, zwei Pädofreunde Außenseiter, "Nervbacken", denen man ab und zu Platz einräumte, damit sie Ruhe gaben. Ansonsten hielt man Abstand zu den Pädos. Das tat wohl auch W. Er zählte nicht zur Clique um Stüben. "Didi gehörte nicht zu diesen Kreisen", sagt Vera Gaserow, die für die taz und später für die Frankfurter Rundschau arbeitete. "Das wäre auch unter seinem Niveau gewesen." In der Erinnerung seines Kollegen Kuno Kruse regte Dietrich W. sich sogar über "diese Irren" auf.

In seinen Artikeln hat W. nicht Stellung zur Pädophiliedebatte bezogen. Im taz-Archiv findet sich ein einziger Text, in dem er sich zu dem Thema äußerte. Anfang 1983 berichtete er über einen Parteitag der Grünen in Sindelfingen.

Dort trat die Indianerkommune auf und forderte von der Partei, ein "Kinderprogramm" zu verabschieden. W. mokiert sich über die "nicht mehr ganz jungen Kinder der Indianerkommune" und zitiert deren krude Prosa: "Um die katastrophalen Auswirkungen der heutigen Wirtschaftsformen zu stoppen, gehört besonders auch das Glück der sexuellen Selbstbestimmung auf den Tisch der ökonomisch-ökologischen Auseinandersetzung."

Eine Woche später erscheint in der taz ein Leserbrief. Die Indianer beschweren sich über den "diffamierfeldzug der taz-chauvis": "alles irgendwie negative auslegbare von sindelfingen" packe W. in seinen Text.

Gitti Hentschel, bis 1985 taz-Redakteurin, erlebte Dietrich W. auch im Vorstand der "Freunde der alternativen Tageszeitung" - als angenehmen und zurückhaltenden Kollegen. "Ganz kalt", sagt sie, hätten sie die Enthüllungen über W. dennoch nicht erwischt. "In der taz wurde Pädophilie stark bagatellisiert", sagt die Frauenrechtlerin, die heute bei der Böll-Stiftung arbeitet.

"Ein Teil der Männer, aber auch Frauen in der Redaktion gaben sich libertär", erinnert sie sich. Manche hätten wohl mit dieser Verharmlosung auch die "vermeintlich prüden Feministinnen provozieren oder bloßstellen wollen".

Viele andere ehemalige Kolleginnen und Kollegen hätten Didi niemals sexuelle Übergriffe auf Schülern zugetraut. Stand er nicht auf gut aussehende Feministinnen?

Für den Regensburger Medizinprofessor Michael Osterheider, ein Fachmann für Pädokriminalität, ist das kein Widerspruch. Männer seien häufig nicht nur pädosexuell veranlagt, sondern hätten auch Beziehungen zu Frauen. Man spreche dann von einer "pädophilen Nebenströmung". Pädosexuelle Männer wählten zudem auffällig oft Berufe, in denen sie direkt mit Kindern zu tun hätten.

Osterheider leitet in Bayern das Projekt "Kein Täter werden", in dem Pädosexuelle sich behandeln lassen können. Er sagt: "Einmal pädophil, immer pädophil." Die sexuelle Präferenzstörung entwickle sich in der Pubertät und gehe nie mehr weg. Was aber nicht heiße, dass ein Mensch diese Neigung ständig praktiziere.

Freunde, Verwandte und Weggefährten fragen sich nun: Hat sich Dietrich W. nach seiner Zeit an der Odenwaldschule weiteren Jungen sexuell genähert?

Ein älterer Bruder W.s sagt, dass er nun sogar die alten Freunde aus der Zeit beim Stuttgarter Jungwandervogel befragt habe, ohne einen Hinweis "auf irgendeine Wahrnehmung von sexueller Gewaltanwendung" zu bekommen. Der Jungwandervogel-Bund sah sich in der Tradition des Wandervogels, einer Jugendbewegung vom Beginn des 20. Jahrhunderts, die stark homoerotische Strömungen entwickelte.

Der Jungwandervogel habe die sexuelle Befreiung begrüßt, stellt W.s Bruder fest. "Aber es hat für uns eine klare Wasserscheide gegeben: Es galt als inakzeptabel, dass jemand seine Macht ausnutzt, um gegenüber Kindern sexuell aktiv zu werden." Auch Verwandte und Nachbarn von Dietrich W. haben ihre Kinder befragt, ob der ihnen zu nahe gekommen sei. Es heißt, es gebe keinerlei Beschwerden. Trotzdem, sagt der ältere Bruder, seien sie seit der Nachricht wie gelähmt. "Wir möchten es gerne verstehen."

Dietrich W. hat nach seinem Abschied aus dem Odenwald immer wieder mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet. Er zog nach Stuttgart, lebte in Wohngemeinschaften. In dieser Zeit radikalisiert sich "der Künstler", wie ihn die Jungwandervogel-Freunde nannten.

In seiner WG will er zusammen mit zwei Frauen eine Wohngruppe für abgestürzte Jugendliche aufbauen, erinnern sich Mitbewohner von damals. Dietrich W. ist rastlos von Jugendprojekt zu Jugendprojekt unterwegs. Und er beginnt zu gründen. Erst einen Verein, der ein besetztes Haus für Kinder und Jugendliche sichern will. Später die taz.

Eine Freundin von Dietrich W. träumte lange davon, autoritäre Heime durch offenen Gruppen in Wohngemeinschaften zu ersetzen, "wo sich die Jugendlichen dann selbst eine Bezugsperson suchen". Heute, sagt sie, "frage ich mich schon, ob er uns damals für andere Ziele benutzt hat".

Warum verließ W. die Odenwaldschule?

Zuletzt arbeitete Dietrich W. für die Kindersendung "Tigerenten Club" des Südwestrundfunks. Er betreute das "Tigerenten Club"-Magazin - und hatte bei Vorort-Aktionen auch Kontakt zu Kindern. Zudem entwickelte er das Konzept der "Kinderuni" mit und konzipierte für den Sommer 2003 ein Treffen von Kindern und Nobelpreisträgern auf der Insel Mainau.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe habe man sofort alle früheren Vorgesetzten und Kollegen Dietrich W.s um Stellungnahmen gebeten, versichert der SWR. Ergebnis: "Es haben sich keinerlei Verdachtsmomente ergeben."

Ein sehr früher Verdacht dagegen könnte dazu geführt haben, dass W. im Juli 1972 nach nur drei Jahren überstürzt die Odenwaldschule verließ. "Eines Morgens war er nicht mehr da", erinnert sich Philipp Sturz. Der Schüler war damals elf, der plötzliche Abschied W.s für ihn ein Schock.

Die Arbeit als Lehrer sei für Dietrich W. nicht leicht gewesen, erzählen Bekannte. W. habe 24 Stunden als Familienoberhaupt ansprechbar sein müssen. "Didi putschte sich abwechselnd auf - und nahm dann wieder Beruhigungsmittel. So was hält man nur ein paar Jahre durch", berichtet der Pädagogikprofessor Günter Behrmann, der W. schon vor seiner Odenwald-Zeit kennen lernte.

Es kursieren auch Gerüchte, dass Dietrich W. die Schule verlassen musste, weil er Jungs angefasst habe. Von einem Exkollegen heißt es: W. habe die falschen Jungs angefasst, darunter auch den Favoriten Gerold Beckers, des Schulleiters und Haupttäters aus dem Odenwald.

Dass Dietrich W. immer engere Kontakte zu Beckers Liebling Jörg knüpfte, habe Unruhe in die aristokratische Männerherrschaft gebracht, die Becker ausgerufen hatte. In diesem System regiert der Mann mit der größten Ausstrahlung. W. machte Becker diesen Rang offenbar streitig.

Becker wird am 1. April 1972 Schulleiter. Kurze Zeit später ist Dietrich W. kein Lehrer der Odenwaldschule mehr.

* Name geändert

Nina Apin, 36, ist Kulturredakteurin der taz.

Astrid Geisler, 36, ist Reporterin der taz.

Christian Füller, 47, ist taz-Redakteur. Im März erscheint sein Buch "Sündenfall: Wie die Reformschule ihre Ideale missbrauchte".

Brigitte Marquardt, 52, hat für diesen Text etliche Archive und alte Zeitungen durchforstet.

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16 Kommentare

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  • O
    Osoaner

    Ich kannte D.W. ca 10 Jahre. In dieser Zeit hatte er keine Beziehungen zu Frauen. Im Gegenteil er mochte sie nicht! Seine Präferenzen zu "jungen Menschen" und Jungen waren unübersehbar. Das er sich später derart verändert habe soll, ist für mich nicht nachvollziehbar. D.W. als "Womanizer" ist geradezu lächerlich wenn man ihn besser kannte. Frauen wurden seine Tarnung, sein Alibi. So gesehen sind sie auch Opfer von ihm!

  • CG
    C. Gropper

    Man braucht also gleich vier Autoren um einen Artikel zu verfassen, der das Ansehen eines verstorbenen Mannes so offensichtlich in den Dreck zieht, dass dies selbst nicht-pädophilen Menschen auffällt, die die pauschal diffamierende Mehrheitsmeinung gegen die bösen Pädos eigentlich verinnerlicht haben.

     

    Es muss wohl befürchtet werden, dass die Autoren dieses Artikels vor 30 Jahren auch weiche (Ausnahme-)Schwule von harten Schwulen unterschieden hätten und ihre Abscheu vor beiden Gruppen geäußert hätten. Man muss schließlich beweisen, dass man in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist... Mal schauen, ob es auf die berechtigten Anfragen an diesen Artikel (z.B. hier: http://ganymed.blogsport.de/2011/02/19/dietrich-w-und-die-haessliche-taz/ ) eine Stellungnahme gibt oder ob man erst in ein paar Jahren dann wieder eine Entschuldigung der taz lesen kann, wenn die gesellschaftliche Entwicklung dies nötig und gefällig machen sollte.

     

    @Christian Füller: Wenn der Artikel hier ein Vorgeschmack auf das Buch von Ihnen sein sollte, dann ersparen Sie uns doch bitte die Veröffentlichung. Lieben Dank im Voraus.

  • CG
    C. Gropper

    Man braucht also gleich vier Autoren um einen Artikel zu verfassen, der das Ansehen eines verstorbenen Mannes so offensichtlich in den Dreck zieht, dass dies selbst nicht-pädophilen Menschen auffällt, die die pauschal diffamierende Mehrheitsmeinung gegen die bösen Pädos eigentlich verinnerlicht haben.

     

    Es muss wohl befürchtet werden, dass die Autoren dieses Artikels vor 30 Jahren auch weiche (Ausnahme-)Schwule von harten Schwulen unterschieden hätten und ihre Abscheu vor beiden Gruppen geäußert hätten. Man muss schließlich beweisen, dass man in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist... Mal schauen, ob es auf die berechtigten Anfragen an diesen Artikel (z.B. hier: http://ganymed.blogsport.de/2011/02/19/dietrich-w-und-die-haessliche-taz/ ) eine Stellungnahme gibt oder ob man erst in ein paar Jahren dann wieder eine Entschuldigung der taz lesen kann, wenn die gesellschaftliche Entwicklung dies nötig und gefällig machen sollte.

     

    @Christian Füller: Wenn der Artikel hier ein Vorgeschmack auf das Buch von Ihnen sein sollte, dann ersparen Sie uns doch bitte die Veröffentlichung. Lieben Dank im Voraus.

  • AO
    Angelika Oetken

    Sehr aufschlußreicher Artikel.

     

    Nun kann ich besser nachvollziehen, wie es zu dem despektierlichen Ausdruck "Ökospießer" kam. Im Falle der damals und heute an der Verharmlosung der Vorfälle beteiligten Leute könnte man auch "Ideospießer" sagen.

     

    "Niemand wollte prüde sein wie die Spießer". Auch wenn es hart klingt: Diese Einstellung - es ist wichtiger, was die "anderen" von mir denken, als dass ich ihre Erwartungshaltung in Frage stelle - kommt mir aus meiner Jugend sehr bekannt vor. Kleinbürgerliches, bildungsfernes Milieu. Sexualisierte Übergriffe und Misshandlung waren an der Tagesordnung. Darüber wurde nicht geredet und das wurde nicht in Frage gestellt.

     

    Ich frage mich, ob sich daram eigentlich grundsätzlich was geändert hat und wieviel die "Linksbefreiten" wirklich dazu beigetragen haben.

     

    Waren sie vielleicht einfach nur ein Haufen impulsgesteurter Leute, denen es in der BRD der Vorwendezeit zu gut ging?

  • J
    JaneO.

    Dietrich W.

    Zitat Artikel >>“Pädosexuelle, die Missbrauch propagierten, verlachte er als "Irre“.

    Didi, wie ihn seine Schüler nannten, mochte die Jungen. Und die Jungen ihn. "Didi war immer von Knaben umgeben"

    Dietrich W., der von 1969 bis 1972 an der Odenwaldschule unterrichtete, werden neun der bislang 132 dokumentierten sexuellen Übergriffe vorgeworfen.

    Für die Juristinnen, und nicht nur für sie, besteht kein Zweifel: Masturbieren mit Jungen ist sexueller Missbrauch. Immerhin waren manche erst zwölf Jahre alt und wussten nicht, was Sex ist, ehe sie von einem Pädosexuellen initiiert wurden. Nicht wenige verstehen erst als Erwachsene, was ihnen angetan wurde.

    Susan Clancy ist Psychologin an der renommierten Harvard-Universität. Sie hat in einer Studie Missbrauchsopfer befragt. "Der schlimmste Teil des Missbrauchs war, wie andere Menschen darauf reagierten", geben die Opfer zu Protokoll. Sie werden doppelt traumatisiert: durch die Tat - und durch die Reaktion der Umwelt, wenn sie sich offenbaren. Weil man ihnen nicht glaubt, sie zu Mitschuldigen erklärt oder die Tat bagatellisiert. "Da wurde ja nur gewichst!" - die gängige Verhöhnung männlicher Missbrauchsopfer.

    >>Zitat Ende

     

    Bis hier habe ich einfach die Sätze aus dem Artikel genommen. Auf das Wesentliche reduziert.

    Mit Dietrich W. hatte ich nichts zu tun. Ich bin eine Betroffene von sexualisierter Gewalt über Jahre in meiner Kindheit und Jugend. Den ursprünglichen Artikel empfinde ich als zweideutig, emotionslos und aus Tätersicht. Und dieser verkörpert das wogegen wir Betroffene kämpfen. Das kollektive Wegschauen und verharmlosen von sexueller Gewalt in der/unserer Gesellschaft. Es geht hierbei um:

    Demolierung des Lebensweges!

    Zerstörtes Urvertrauen, zerstörte Gesundheit, mitunter zerstörte Fähigkeit, eine Partnerschaft einzugehen!

    Verletze Menschenwürde, verletztes Recht auf den eigenen Körper!

  • D
    @deviant

    Ich verstehe nicht genau, warum im Artikel der Nachname nicht ausgeschrieben wurde. "dietrich tigerentclub" kann jeder googlen.

     

    Eine kurze Suche ergibt aber, wie Du sicher auch merktest, dass W.s Persönlichkeitsrechte nicht mehr wirklich verletzt werden können. Dazu ist sein Nachruf in der TAZ schon zu lange her. ;-)

  • A
    Axel

    Bei der TAZ war der ehedem pädophile Didi nur noch der nette Kollege, der sich von seinen Ex-Gleichgesinnten distanzierte und sich stattdessen zu selbstbewussten Kolleginnen orientierte. Für dieses Gründungsmitglied muss sich die TAZ nicht schämen, ganz im Gegenteil: Durch die von allesn Herrschaftsstrukturen befreite Atmosphäre bei der TAZ wurde die durch das repressive System fehlgeleitete Sexualität des Herrn W. zu einer gesunden.

  • JA
    Johann Armand

    "habe ich in meiner Schulzeit in BW auch in den 70ern niemals eine sexuelle Annährung von Lehrpersonal an die Schüler/innen erlebt oder auch nur gerüchteweise etwas in der Richtung gehört." Sollte B-W Baden-Württemberg heißen, so muss ich meinen Vorredner OLDIE enttäuschen: Der smarte, gelockte Physiklehrer, der sich mit Wissen, ohne Widerstand der Schulleitung eine Minderjährige mit Mickymaus T-Shirt angelte und dafür Frau und Kinder sitzen ließ; der liebe, an sich leidende Schrankschwule, der ganze Klassen zu sich nach Hause zum Übernachten einlud und dabei im Badezimmer Übergriffe auf Jungs startete: das waren nur einige der verwunderliche Erfahrungen mitten im reichen Baden-Württemberg, welche uns in den 70er Jahren zu allerhand Balanceübungen zwangen. Zwischen Abscheu und Bedauern musste man sich im biederen Umfeld, das insgeheim tolerierte, was in der Provinz undenkbar war, aus eigener Kraft, gegen die Autorität der Lehrer, neu und anders definieren.

  • JO
    Jürgen Orlok

    Ich kenne D.W. nicht!

    Ich schließe nicht aus, daß es einen Täter D.W. gab!

    Ich wundere mich nur ,wie wenig nötig ist, um als Täter abgestempelt zu werden.

    Es soll Behauptungen einiger Personen geben ...

    gibt es zusätzliche FAKTEN ?

    Wahrscheinlich, das Thema nur nebenläufig verfolgt, nein.

    Wer, wie ich schon etwas älter ist und so einiges erlebt hat, wundert sich !

    Wir sind schon fast bei der "BILD" gelandet, die die taz-Leser schon immer gelesen haben, natürlich nur wegen des Sports oder um den "Feind" zu kennen.

    Ein natürlicher Reflex, den vermeintlichen "Opfern" zu glauben ?

    Vielleicht ...

    ich denke hier eher, es sind Reflexe der Generation "Abschaum", auch 68er ff genannt, ihre nichtbürgerliche Vergangenheit reinzuwaschen !

  • AT
    andreas tietz

    PS. "dumme" habe ich gestrichen!

    Osterheider (..) sagt: (...)Die sexuelle Präferenzstörung entwickle sich in der Pubertät(...). Das ist eine den tatsächlichen Vorgang verklärende, nicht halt- und belegbare, in der Umkehrung aber sehr wohl überprüfbare Falschbehauptung, die die ursprünglichen Täter schützt und deren Opfer zu den eigentlichen Tätern macht. Konkret und in der Übertragung, wenn die Frage nach der Ursache gestellt wird. Wer als erwachsener pädophil wird, wurde als Kind, nicht erst als Jugendlicher im Sinne einer pubertierenden Irrung, wie hier lapidar mal eben von einer Fachperson behauptet, mit erwachsener Sexualität konfrontiert. Und zwar in etwa dem Grad, der sich nun in seinen Un-Taten zeigt. Von der jugendlichen Irrung zu sprechen ist fatal; das zu behaupten schützt wieder und wieder und wieder jene, die sich derart an ihren klein(st)en Kindern vergangen haben und dies auch heute noch tun. Neben Amnesie, Verdrängung und Schuld-und Schamangst fügt die öffentliche Stimme nun auch noch die jugendliche Verirrung mit an. Deine Schuld, selber schuld, Pech gehabt - und das im viererpack. Das ist bei allem Bemühen, die Dinge um den, ein Leben lang wirksamen, Missbrauch an Kindern (nicht nur Jugendlichen!) zu bannen, ein echter Bärendienst!

     

    Die einstigen Opfer agieren es, nun erwachsen und zum Wiederholungszwang in umgekehrten Rollen fähig, entsprechend aus. Die Gesellschaft schützt sie auch weiterhin, weil implizit auch weiterhin, nun versachlicht, die Ursache bei den Tätern selbst einer aber mehrfach fortgeschrittenen Täter-Generation gesucht wird. Sie sind Täter und sie sind voll dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Aber angefangen hat es nicht in ihrer Pubertät, wie durch einen Irrtum der Natur, sondern sie waren selbst Opfer gewesen. Auch wenn nicht jeder Kindesmissbrauch den später erwachsen gewordenen zur Pädophilie führt. Störungen im sozialen, im Selbstwert, hat er allemal.

     

    Starten sie doch mal eine Umfrage, anonym zu diesem Thema. Es wird längst Zeit zu belegen, wie tief und wie sehr unseren Gesellschaft vom sexuellen Kindesmissbrauch seit Generationen durchdrungen ist. Odenwald und kirchliche Einrichtungen sind doch nur die aller oberste Spitze dieses Eisberges.

    Grüße

    a.tietz

  • AT
    andreas tietz

    Osterheider (..) sagt: (...)Die sexuelle Präferenzstörung entwickle sich in der Pubertät(...). Das ist eine dumme, weil nicht halt- und belegbare, in der Umkehrung aber sehr wohl überprüfbare Falschbehauptung, die die ursprünglichen Täter schützt und deren Opfer zu den eigentlichen Tätern macht. Konkret und in der Übertragung, wenn die Frage nach der Ursache gestellt wird. Wer als erwachsener pädophil wird, wurde als Kind, nicht erst als Jugendlicher im Sinne einer pubertierenden Irrung, wie hier lapidar mal eben von einer Fachperson behauptet, mit erwachsener Sexualität konfrontiert. Und zwar in etwa dem Grad, der sich nun in seinen Un-Taten zeigt. Von der jugendlichen Irrung zu sprechen ist fatal; das zu behaupten schützt wieder und wieder und wieder jene, die sich derart an ihren klein(st)en Kindern vergangen haben und dies auch heute noch tun. Neben Amnesie, Verdrängung und Schuld-und Schamangst fügt die öffentliche Stimme nun auch noch die jugendliche Verirrung mit an. Deine Schuld, selber schuld, Pech gehabt - und das im viererpack. Das ist bei allem Bemühen, die Dinge um den, ein Leben lang wirksamen, Missbrauch an Kindern (nicht nur Jugendlichen!) zu bannen, ein echter Bärendienst!

     

    Die einstigen Opfer agieren es, nun erwachsen und zum Wiederholungszwang in umgekehrten Rollen fähig, entsprechend aus. Die Gesellschaft schützt sie auch weiterhin, weil implizit auch weiterhin, nun versachlicht, die Ursache bei den Tätern selbst einer aber mehrfach fortgeschrittenen Täter-Generation gesucht wird. Sie sind Täter und sie sind voll dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Aber angefangen hat es nicht in ihrer Pubertät, wie durch einen Irrtum der Natur, sondern sie waren selbst Opfer gewesen. Auch wenn nicht jeder Kindesmissbrauch den später erwachsen gewordenen zur Pädophilie führt. Störungen im sozialen, im Selbstwert, hat er allemal.

     

    Starten sie doch mal eine Umfrage, anonym zu diesem Thema. Es wird längst Zeit zu belegen, wie tief und wie sehr unseren Gesellschaft vom sexuellen Kindesmissbrauch seit Generationen durchdrungen ist. Odenwald und kirchliche Einrichtungen sind doch nur die aller oberste Spitze dieses Eisberges.

    Grüße

    a.tietz

  • O
    Oldie

    Zu den Vorfällen gehört das orts -und zeittypische Umfeld. Einmal war es kein Einzelfall an der Odenwaldschule, dadurch geht auch eine Rückmeldung verloren. Das zweite, die FR weisst darauf hin, dass sie die Missstände schon früh anprangerte und dennoch keine Strafverfolgung einsetzte, hier gab es also nicht nur eine Atmosphäre des Vertuschens, die hessischen Seilschaften waren so stark, dass die Strafverfolgung verhindert wurde. Noch heute spielen hessische Seilschaften eine grosse Rolle, ich erinnere an den FR Bericht als Nazis unter Polizeiaufsicht prügeln durften. Das ist ein entscheidender Punkt, wir hatten an der Odenwaldschule einen Verlust an Unrechtsbewusstsein und wir haben -bis heute- in Hessen diese stark verwurzlten Seilschaften, die in der Lage sind eine parallele Gesellschaftsordnung zu bilden, die unter Umständen -auch bis heute- die Rechtsstaatlichkeit ausser Kraft setzen. Dieses kulturelle und wirklich in Hessen einzigartige Umfeld ermöglichte solche Taten.Trotz der 60er Ideen von freier Liebe die manches vielleicht locker erschienen liesen, habe ich in meiner Schulzeit in BW auch in den 70ern niemals eine sexuelle Annährung von Lehrpersonal an die Schüler/innen erlebt oder auch nur gerüchteweise etwas in der Richtung gehört.

  • S
    stimmviech

    Ein weiteres 68er-Tabu wartet auf seine Enttarnung: der sexuelle Mißbrauch von Strafgefangenen und forensischen Psychiatriepatienten durch die dort tätigen weiblichen Psychologen. Die Zeit scheint mir aber noch nicht reif für entsprechende Enthüllungen, denn die Täterinnen haben heute Machtpositionen im psychologischen und psychiatrischen Bereich. Ein Beispiel: Eine Ausbilderin für Verhaltenstherapie in Berlin ließ sich in ihrer Zeit als Psychologin in der forensischen Psychiatrie Eickelborn gern von Patienten den Busen streicheln.

  • MF
    Matthias Frisch

    Eine dringende Bitte: der Begriff "Paedophilie" sollte endgueltig in das "Woerterbuch des Unmenschen" einfliessen und nicht mehr verwendet werden. Ich plaediere fuer den Begriff paedokriminell.

  • R
    reblek

    "... die Möglichkeit für Schwule, Lesben, Pädophile, Transsexuelle etc. sich autonom organisieren zu können..." Die Möglichkeit zu können - ein besonders schönes Deutsch.

    "Für den Regensburger Medizinprofessor Michael Osterheider, ein Fachmann für Pädokriminalität..." Sicher "einen Fachmann", nicht wahr?

    "Pädosexuelle Männer wählten zudem auffällig oft Berufe, in denen sie direkt mit Kindern zu tun hätten." Nein, sie wählten keine Berufe, sondern einen Beruf.

  • D
    deviant

    Ist der Sinn einer Anonymisierung nicht, dass man eben nicht so einfach herausfindet, wer der Anonymisierte ist?

    Mit all den Details kann man kaum noch von einer wirkungsvollen Anonymisierung sprechen, es ist wohl ein Leichtes, den tatsächlichen Namen W.'s herauszufinden, selbst wenn man ignoriert, dass die rechtsextreme Hetzpresse der (P)rovinz(I)idioten diesen natürlich nicht anonymisiert...

     

    Gleichwohl ist es interessant, einen Einblick in die frühe taz zu bekommen, auch wenn ich persönlich das Gefühl habe, dass vieles mehr rechtfertigend als aufklärerisch zusammengetragen wurde.