Neue Palästinensische Regierung: Ministersuche via Facebook
Der designierte palästinensische Ministerpräsident Salam Fayyad bittet seine Landsleute auf Facebook und Twitter um Vorschläge für die Besetzung von Ministerämtern.
BERLIN taz | Bislang gelten Facebook und Twitter als die idealen elektronischen Hilfsmittel der arabischen Revolte. An ihrer Effektivität und ihrem Nutzen gibt es bei Freund und Feind nicht den geringsten Zweifel. Den arabischen Diktatoren und ihrer Lakaien waren sie ein Dorn im Auge. Und deshalb, wenn möglich, abgeschaltet und stillgelegt.
Einen ganz anderen Weg schlägt da der palästinensische Ministerpräsident Salam Fayyad ein. Er steht vor der schwierigen Aufgabe, in diesen unruhigen arabischen Zeiten in Ramallah im Westjordanland eine neue Regierung zu bilden. Um breitmöglichsten Sachverstand einzuholen, hat er sich dazu jetzt erstmals Facebook und Twitter bedient.
Auf beiden sozialen Medien bittet er seine Landsleute darum, ihm Vorschläge zu unterbreiten, wen er für welches Ministeramt in sein neues Kabinett berufen soll. Das berichtete das palästinensische Nachrichtenportal maan am Mittwoch. Wörtlich fragt Fayyad laut maan: "Welche Personen halten Sie angesichts der gegenwärtigen Beratungen mit dem Ziel, eine Kabinettsliste zu bilden, für glaubwürdig, welche haben ausgezeichnete Führungsfähigkeiten und wissenschaftliche Kenntnisse und welche sind verlässlich genug, um ein Ministeramt zu bekleiden?" Die Seite fordert alle Mitbürger auf, Namen zu unterbreiten und Vorschläge zu machen.
Die Antworten ließen nicht lange auf sich warten. Laut maan wurden vor allem junge Führungskräfte benannt, die ein Ministeramt übernehmen sollten. Eine Antwort ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. "Ich bin Student der Bir Zeit-Universität, lebe in Ramallah und bin uneingeschränkt bereit, jede denkbare Position zu übernehmen," so die positive Selbsteinschätzung dieses jungen Palästinensers. Doch gab es auch sehr präzise Namensnennungen von Personen, die bereits Minister waren, darunter die im Westen bekannte Politikerin Hanan Al-Aschrawi.
Ohne Mäkelei ging diese revolutionäre Neuerung in der arabischen Regierungsbildung natürlich nicht ab. Laut maan fanden sich genügend Leute, die an dieser Art der politischen Willensbildung etwas auszusetzen hatten. So schrieben einige, das sei ja blanker Populismus und habe mit seriöser Politik aber gar nichts mehr zu tun. Andere dagegen lobten Salam Fayyad uneingeschränkt: "Unglaublich, der Premierminister fragt seine Bürger," war eine der eher erstaunten Reaktionen.
Welche Vorschläge Salam Fayyad tatsächlich in Betracht gezogen hat oder noch ziehen will, ist bislang nicht bekannt. Eine Ministerliste hat er dem palästinensischen Präsidenten noch nicht unterbreitet. Einen Achtungserfolg konnte Fayyad aber schon verbuchen. Die Zahl seiner arabischsprachigen FreundInnen auf der Facebook-Seite ist von 17.500 von über 21.000 in nur zwei Tagen angewachsen. Auf der englischsprachigen Seite verzeichente sie aber nur eine kleinen Anstieg von 11 auf 15. Dort tauchte die Frage nach Vorschlägen der Kabinettsbildung auch leider gar nicht auf.
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