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"Südkurier" vor dem VerkaufDie neue "taz" vom Bodensee

Weil die Mitarbeiter des "Südkuriers" eine Übernahme fürchten, wollen sie ihr Blatt selber kaufen. Wie soll das finanziert werden? Auch andere sind interessiert.

Bald in eigener Hand? Newsroom des Südkurier. Bild: dpa

Die Stadt Konstanz liegt wunderschön am Bodensee, hat knapp 80.000 EinwohnerInnen, einen grünen Oberbürgermeister und, wie sich das gehört, eine traditionsreiche Regionalzeitung. Doch der Südkurier steht zum Verkauf, der Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern hat schon länger angekündigt, sich seiner Regionalzeitungen entledigen zu wollen. Verleger Stefan von Holtzbrinck will lieber ganz auf die neuen digitalen Welten setzen, die Mainpost (Würzburg) ist schon an die Ausgburger Allgemeine verkauft.

Der Südkurier will sich aber das Schicksal ersparen, schnöde von der Konkurrenz geschluckt zu werden: Die MitarbeiterInnen des vom Bodensee bis in den Schwarzwald verbreiteten Blatts wollen ihre Zeitung (Auflage: 130.000 Exemplare täglich) jetzt selbst kaufen. Am Donnerstag begannen erste Gespräche mit Beratungsgesellschaften, die den Prozess begleiten könnten.

"Die Idee war ganz einfach: Kaufen wir den Südkurier selber, bevor es jemand anders macht", sagt Wirtschaftsressortleiter Peter Ludäscher, der im Auftrag der Belegschaft auch bereits erste Sondierungsgespräche mit Banken geführt hat. Deren ermutigende Antwort: Grundsätzlich sei das, was als vermeintlich utopische Idee in Betriebsratskreisen entstand, durchaus möglich.

Rückendeckung im Haus hat das Projekt sowieso: Bei einer Betriebsversammlung vor zwei Wochen hat nicht nur die Belegschaft der aus dem Verlag ausgegliederten Druckerei, sondern sogar Südkurier-Geschäftsführer Rainer Wiesner Sympathie für das Projekt bekundet. "Wiesner hat sogar erklärt, er wolle sich persönlich engagieren", sagt Ludäscher. Auch LeserInnen hätten Interesse geäußert, sich etwa wie bei der taz über ein Genossenschaftsmodell einzubringen.

Und so könnte der Südkurier Zeitungsgeschichte schreiben - auch weil andere mögliche Inteteressenten wie die Nachbarverlage bei einem Verkauf kaum zum Zuge kämen. Denn das Pressekartellrecht setzt für derartige Zukäufe, die regionale Vormachtstellungen verstärken würden, hohe Hürden. "Das ist für Verlage wie den der Schwäbischen Zeitung kaum möglich", sagt Ludäscher - und für den Südkurier gut so: "Wenn solche Nachbarn uns kaufen, müssten wir damit rechnen, dass die Mantelredaktion für die überregionalen Seiten und die Lokalredaktionen in angrenzenden Gebieten unter Beschuss kommen."

Gerüchte kursieren

Die großen offenen Fragen haben natürlich mit dem lieben Geld zu tun: Rund 80 Millionen Euro, vielleicht auch etwas mehr, könnte der Kauf kosten. "Wenn es um Kürzungen in der Redaktion geht, sieht die Bilanz immer ganz anders aus", sagt Ludäscher. Holtzbrinck hatte bei der Südkurier-Belegschaft zuletzt eher auf arm gespielt: Die Rendite sei gesunken, man müsste bestimmte Leistungen für die Beschäftigten kürzen. Zum 1. Januar 2011 kündigte auch der Südkurier die Tarifbindung auf - weil er sparen muss. Doch allen Beteiligten ist klar, dass das Blatt deswegen nicht günstig zu haben sein wird.

Denn im Südwesten der Republik ist offenbar noch mehr in Bewegung: Am Donnerstag gab es auch in Stuttgart wieder eine Betriebsversammlung - bei der zur Südwestdeutschen Medienholding (SWMH), einem der größten und undurchsichtigsten Pressehäuser der Republik (Stuttgarter Nachrichten, Schwarzwälder Bote) gehörenden Stuttgarter Zeitung. Dort sollte auch ein kursierendes Gerücht zur Sprache kommen, nachdem die SWMH Vorgespräche über eine mögliche Südkurier-Übernahme geführt hat. Den Streit mit dem Kartellamt, heißt es, nehme man in Kauf.

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9 Kommentare

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  • N
    Namaste

    @ollo: Wie ich ja auch schon gesagt habe: Schade ist es nicht um den Südkurier. Allerdings das ganze unter den von Ihnen genannten Zeitungen aufteilen bedeutet ungefähr soviel wie den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Denn Schwarzwälder Bote und Schwäbische Zeitung sind auf keinen Fall besser, höchstens die BZ wäre ein Fortschritt.

    Außerdem überschneiden sich die Verbreitungsgebiete eh schon, da müsste man nichtsmehr neu aufteilen oder so...

  • O
    ollo

    Also ich fände es nicht weiter schlimm, wenn der SÜDKURIER vom Markt verschwinden würde. Ein tolles Layout taugt halt wenig, wenn der Inhalt nicht stimmt.

     

    Badische Zeitung, Schwarzwälder Bote und Schwäbische Zeitung könnten doch jeweils ein Drittel des SÜDKURIER-Verbreitungsgebietes übernehmen.

  • N
    Namaste

    Daß es im Medienbereich immer weniger Vielfalt gibt und sich alles auf immer Größere Konzerne konzentriert ist sehr bedenklich! Aber andererseits muss ich auch sagen: Um den Südkurier ist es ungefähr so schade wie wenn ab morgen die Bildzeitung nichtmehr existieren würde! "Käsblättle" sagt man hier im Südwesten zu sowas...

  • K
    krisone

    Huch? Südkurier die neue Taz vom Bodensee? Was für ein schmeichelhafter Vergleich. Klar, sehen wir mal davon ab das der Südkurier qualitativ und journalistisch immer wieder haarsträubende Mängel aufweist (ich verweise nur gerne mal auf die Artikel auf Südkurier.de), die politische Färbung auch ohne böse Absicht als sehr schwarz zu erkennen ist, das Blatt sich nicht scheut aktiv Stimmung für lokale (schlussendlich in Bürgerentscheid dann doch abgelehnte) Großprojekte zu schüren (spielen da womöglich persönliche Freundschaften in Chefredaktion und Stadtverwaltung eine Rolle?), es eine Monopolstellung vor Ort innehat etc., ja doch ich sehe die Ähnlichkeiten. Wenn man ein gelungenes Lokalblatt sehen möchte, sollte man sich z.Bsp. die Badische Zeitung sehen, die nicht nur journalistisch ansprechender ist, sondern auch politisch unverdächtig. Leider gibt es hier in Konstanz diese nicht. Übrigens hat der Oberbürgermeister hier ein grünes Parteibuch, was ihn aber nicht daran hindert das städtische Klinikum loswerden zu wollen, ein 20-Millionen Kultur-Kongress Zentrum durchpeitschen zu wollen gegen den Widerstand der Einwohner (die es trotz der Schützenhilfe der Bodensee-Taz bzw. Südkuriers dann per Volksentscheid doch verhindern konnten), und kurz nachdem die Stadt daran gehindert wurde zweistellige Millionenbeträge für eine kleine Klientel zu verpulvern eine Haushaltssperre wegen zu geringer Steuereinnahmen zu erklären (mit katastrophalen Folgen für Schulen, Kitas etc.). Ich bleib bei der Taz 1.0, würde es aber begrüßen wenn das nächste Mal kritischer recherchiert wird.

  • P
    Pyro

    Hat die taz sich überlegt, ob sie mit Rat zur Seite stehen kann?

  • R
    reblek

    "... der Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern hat schon länger angekündigt, sich seiner Regionalzeitungen entledigen zu wollen." Etwas, das "angekündigt" wird, passiert (vielleicht) in der Zukunft. Aber niemand weiß, ob er künftig noch wollen wird, was er (vielleicht) heute will. Entweder kündigt jemand an, etwas zu tun, oder er erklärt, etwas zu wollen.

  • S
    sert

    Cool. Vielleicht wird die zweite taz noch besser als die erste.

  • WS
    Würdegern Supportersein

    Super!

     

    Wenn ich mehr Geld hätte, würde ich sofort mit einer größeren Summe beim "Südkurier" einsteigen! Nicht, weil ich die Zeitung so toll finde, sondern weil ich das Modell fantastisch finde.

    Bei einer Zeitung, die sich sozusagen selbst gehört, dürfte am ehesten seriöser, unabhängiger Journalismus zu erwarten sein.

     

    Herr, schmeiß Geld vom Himmel! Und zwar direkt in die Redaktion des Südkuriers.

  • RR
    Rudolf Rambichler

    Interessant erscheint, dass die benachbarte Schwäbische Zeitung ihr Layout kürzlich änderte und es nun unübersehbare grafische Ähnlichkeiten zum Südkurier gibt. Allerdings: Beide hätte auch unabhängig voneinander eine Qualitätsoffensive nötig.