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Krise in der Elfenbeinküste"Überall liegen Leichen"

Tausende Menschen bringen sich vor den schweren Kämpfen in Abidjan in Sicherheit. Der Waffenstillstand zwischen der Regierung und den Rebellen hält nicht.

Wollen nur noch weg: Flüchtlinge in Abidjan. Bild: reuters

Zu Tausenden haben am Freitag Bewohner von Abobo, ein seit Tagen von Kämpfen erschüttertes Stadtviertel der ivorischen Metropole Abidjan, die Flucht ergriffen. Mit Koffern auf den Köpfen und Kindern im Schlepptau machten sich am frühen Morgen Familien auf den Weg entlang der Schnellstraßen aus Abobo hinaus. "Die Leute schießen mit schweren Waffen aufeinander und Zivilisten sitzen mittendrin", berichtete gegenüber Journalisten ein Fliehender; "wir können nicht mehr, es liegen überall Leichen", ein anderer.

Die Kämpfe zwischen Einheiten der Regierungsarmee des abgewählten, aber an der Macht klebenden ivorischen Präsidenten Laurent Gbagbo und unidentifizierten Bewaffneten haben seit Dienstag in Abobo dutzende Tote gefordert. Abobo mit rund 250.000 Einwohnern ist eine Hochburg von Gbagbos Widersacher Alassane Ouattara, der die Präsidentschaftswahl 2010 gewann, aber von Gbagbo nicht an die Macht gelassen wird. Die Sicherheitskräfte seien "entschlossen, die in Abobo eingenisteten Rebellen fertigzumachen", erklärte Gbagbos Gendarmeriechef Edouard Kassaraté am späten Donnerstag.

Die UN-Mission in der Elfenbeinküste (Unoci) warnte am Donnerstagabend vor einem kompletten Zusammenbruch des Friedensprozesses im Land. Die Spannungen drohten, "den Großteil des Landes zu entflammen", warnte Onuci-Sprecher Hamadoun Touré. Am Donnerstag waren erstmals seit sechs Jahren schwere Kämpfe an der Waffenstillstandslinie zwischen Gbagbos Regierungsarmee und den Rebellen der FN (Forces Nouvelles), die seit 2002 den Norden der Elfenbeinküste kontrollieren, ausgebrochen. Die FN unterstützen Ouattara, halten sich aber bislang militärisch aus dem Machtkampf in Abidjan heraus.

Die Gefechte zwischen den Orten Zouan-Hounien und Danané im Westen des Landes forderten nach Rebellenangaben 80 Tote. Lokale Medien berichteten, die Angreifer von Gbagbos Seite seien liberianische Milizionäre gewesen. Die Gbagbo-Armee machte die FN-Rebellen verantwortlich. Diese riefen Gbagbos Armee auf, sich ihnen anzuschließen und gemeinsam "die Befreiung der Elfenbeinküste ohne Blutvergießen" zu ermöglichen.

Am Freitag brachen auch erstmals Kämpfe in Yamoussoukro aus, die offizielle Hauptstadt der Elfenbeinküste im Zentrum des Landes, knapp südlich der Waffenstillstandslinie im Gbagbo-Gebiet gelegen. Armeepatrouillen seien nachts unter Beschuss gekommen, es folgten mehrstündige Schießereien, meldeten Nachrichtenagenturen. Kirchenkreise berichteten, FN-Rebellen seien in der Region auf dem Vormarsch. In der nordivorischen Stadt Korhogo hatten die FN zuvor zu einem "Marsch auf Yamoussoukro" aufgerufen.

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5 Kommentare

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  • AA
    Andreas Ackermann

    Ralph,

     

    ein Link hilft grundsaetzlich, ist besser als "jeune afrique 23.2".

     

    Wie ich auf anderer Seite schon einmal schrieb, sind die Transportunternehmen ueberwiegend in der Hand von Ouattara-Unterstuetzern. Somit erscheint mir die Darstellung, die ich gehoert habe, naemlich, dass es Gbagbos "Jeune Patriot" sind und nicht Ouattaras Demonstranten, die diese verfeuern, wahrscheinlicher.

     

    Ich schliesse mich Deinem Wunsch an, dass die Untaten, die dort - egal von welcher Seite - vollbracht werden, Bestrafung finden. Bin diesbzgl. aber nur moderat hoffnungsvoll.

  • RP
    ralph podzwadowski

    Alle schauen den Toetungen gelassen zu!!!

    Hier gibt es nun(seit ca.1 Woche)eine sog."unsichtbare" Armee, die guirillia-artig in Staedten(Abidjan,Yamoussoukro)und Doerfern(vorwiegend an den Laendergrenzen), Regierungsgebaeude,( u.a. Buergeraemter, Poststellen, Fernsehstation)und div.Fahrzeuge(oeffentl. Nahverkehr,wie Busse,Taxen),sowie auch privat Bueros und Ladengeschaefte angreift und zerstoert. Einhergehend mit Opfern die am lebendigem Leibe verbrannt wurden!!und anderen Toetungen durch Machete und Gewehr.(mind. 30 Polizisten!! getoetet worden-KEINE SOLDATEN). Frage: Getoetet von friedliebenden Demonstranten? mit leeren Haenden? von der orangen Revolution?

    Einige koennten glauben, das die sog. internationale GEMEINSCHAFT und die UN nun endlich Ihr "Szenario" bekommt, was sie sich muehevoll zusammengebastelt haben.

    In dieser !!Woche werden viele Menschen(dank internationaler Einmischung) sterben, da sie nun aufbegehren werden; und es werden Tatsachen geschaffen werden. Es wird gegen das GOLF Hotel(Sitz ADO)mit endlich einmal wirklich leeren Haenden marschiert und auch gegen die UN CI(cote d'ivoire)bzw. deren Fahrzeuge blockiert.

    Man kann nur hoffen,das die sog. neutralen Beobachter und Beschuetzer der Zivilbevoelkerung, diese dabei nicht erschiessen(wie die Franzosen 2004 am Hotel Ivoire;uebrigens auch juristisch ungesuehnt und kein Internationaler Gerichtshof verhandelte)

    Das Volk hat entschieden,trotz mannigfaltigen Ebargos,illegalen Bankenschliesungen usw. und ich hoffe es wird JEDER zur juristischen Rechenschaft gezogen werden. Beweise gibt es genuegend(schriftlich,audio/video)und die sind nicht vernichtet worden, wie die STIMMZETTEL des Wahlganges von Herrn CHOI(SG UNCI).Wahldokumente vernichtet sofort nach der Wahl vom neutralen Zertifizierer der Wahl?. Glaubt man nicht, bitte dazu Artikel in Jeune Afrique vom 23.02

    Ich wuerde gerne noch weitere Details verbreiten,hoffe zumindest aber das das auch gelesen wird.

  • AA
    Andreas Ackermann

    Die Rebellen sind haben sich zweifelsohne viel zuschulden kommen lassen über die Jahre. Aber was zuletzt, insbesondere seit der Wahl, an Verbrechen passiert ist, ist weit überwiegend Gbagbos Jungs zuzuschreiben. Zu dem Schluss kommt übrigens auch der vor wenigen Tagen veröffentlichte Bericht der Human Rights Watch:

     

    http://www.hrw.org/en/news/2011/02/23/c-te-d-ivoire-au-should-press-gbagbo-halt-abuses

  • DJ
    Dominic Johnson

    Gunnar Sturm gibt erwartungsgemäß einen Link, der nur zu einem parteiischen Ausschnitt aus dem amnesty-Bericht führt.

     

    Der tatsächliche amnesty-Bericht im Original ist hier aufzufinden:

     

    http://amnesty.org/en/region/cote-divoire

  • GS
    Gunnar Sturm

    Anbei ein Bericht von Amnesti:

     

    http://www.lvdpg.org/Massacre-et-tuerie-en-Cote-d-Ivoire-Le-rapport-d-Amnesty-qui-fait-trembler-Choi-et-Ouattara_a8531.html

    Massacre et tuerie en Côte d’Ivoire : Le rapport d’Amnesty qui fait trembler Choï et Ouattara