Wenn Mama mit zur Schule kommt

Seit fünf Jahren heißt es in Bremen und Bremerhaven: „Mama lernt Deutsch“. Migrantinnen lernen direkt neben ihren Kindern, sollen dadurch Selbstbewusstsein tanken und ihre Kinder unterstützen. Pisa gab dem Projekt Rückenwind

bremen taz ■ Taswinder spricht drei Sprachen fließend: Hindi, Punjabi und Englisch. Das Problem der jungen Inderin jedoch ist, dass Deutsch bislang noch nicht dazugehört. Das soll sich nun ändern. Seit diesem Sommer besucht die zweifache Mutter zwei Mal in der Woche den Kurs „Mama lernt Deutsch“, ein durch den Europäischen Sozialfonds gefördertes Projekt. Nun weiß sie immerhin schon, dass „die Sprache hier sehr schwer ist“. Sie sagt das auf Deutsch – und lächelt. Bald will sie aber noch viel mehr sagen können.

Wie der Inderin geht es vielen anderen Migrantinnen in Bremen und Bremerhaven. Und genau deshalb wurde aus einem Pilotprojekt einer aufgeschlossenen Grundschule im Bremer Osten eine wahre Erfolgsgeschichte: Mütter aus aller Welt lernen in den Schulen ihrer Kinder Deutsch, für die Kleinsten gibt es eine Betreuung vor Ort. Fast 1.000 Frauen wurden damit bislang erreicht, der Andrang ist immer noch groß.

Für die Verantwortlichen war nun der fünfte Geburtstag des Projektes ein „wirklicher Grund zu feiern“, wie Ulrike Brunken, Geschäftsführerin beim Paritätischen Bildungswerks, meint. Und das tat man dann auch, am Mittwoch in der Schule an der Nordstraße in Walle, einem von zwölf Kursstandorten in Bremen und sieben in Bremerhaven.

Dass Mütter für ihre Kinder immer das Beste wollten, das sei das Erfolgsgeheimnis, sagte Brunken bei der kleinen Feierstunde. Nutznießer der Kurse seien nämlich beide, die Mütter und die Kinder, um deren Schulerfolg es ebenso gehe. „In diesem Sinne hat, und leider muss man das sagen, die Pisa-Studie dem Projekt Rückenwind gegeben“, so die Geschäftsführerin. „Mama lernt Deutsch“ sei aber in jedem Fall eine Hinführung zum Integrationskurs-Programm, ein erster Einstieg.

Diesen hat Agnieszka Schallert bereits hinter sich gebracht. Seit drei Jahren lebt die 32-Jährige Polin in Bremen, und obwohl ihr Mann Deutscher ist, hatte sie Verständigungsschwierigkeiten. „Mein Mann hat mich nie verbessert“, sagt sie. Erst in den Kursen habe sie dann richtig zu lernen begonnen. Seit einem halben Jahr ist sie dabei und fühlt sich nun schon sicherer. „Es ist sehr wichtig, dass ich die Leute verstehe und sie mich“, sagt sie.

Das kann Margrit Kaufmann bestätigen. Die promovierte Ethnologin ist Kursleiterin in der Schule an der Nordstraße und hält außer der Sprache auch die Kulturvermittlung für extrem wichtig. „Für viele, gerade muslimische Mütter, ist unser Angebot die einzige Möglichkeit, überhaupt rauszukommen“, sagt sie. Ein wichtiger Teil des Angebotes sei daher die parallele Kinderbetreuung. Nermin Sögüt, die den Kurs ebenfalls durchlaufen hat, betreut inzwischen sogar selber Kinder, wie sie vor der völlig überfüllten Schulaula am Mittwoch nicht ohne Stolz berichtete.

Für Sozialsenatorin Karin Röpke ist „Mama lernt Deutsch“ ein wichtiger Baustein zur Verständigung. Das Projekt sei das Resultat guter Zusammenarbeit der Bremer Ressorts Soziales und Wissenschaft sowie dem Magistrat Bremerhaven, aber vor allem eine Hilfe für die Migranten-Mütter zu mehr Selbstvertrauen und Selbstständigkeit. Für deren Kinder ist mangelndes Selbstvertrauen dagegen kein Thema: Sie tanzten und sangen zwischen den anstrengenden Reden vor großem Publikum – und hatten sichtlich Spaß dabei. Achim Graf