Porträt Ina Weisse: Die kluge Menschenleserin
Von wegen blondes Mysterium: Ina Weisse führt selbst Regie und ist eine reflektierte Schauspielerin - zu sehen am Montagabend im ZDF-Thriller "Tod in Istanbul".
Sie trägt diesen Trenchcoat wie eine Rüstung. Auch in geschlossenen Räumen hat Susanne Wahlberg ihn in der Taille so fest gegürtet, als hätte sie Angst, sonst in sich zusammenzufallen. Eine Art Behelfsrückgrat ist der Mantel also - und ein Schmutzfänger: Auf seinem erdigen Grünton sieht man Flecken nicht so leicht. Sehr nützlich in Wahlbergs Job, muss sie doch beim BKA die Drecksarbeit für ihren Chef Kurt Herder (Peter Simonischek) erledigen.
In Matti Geschonnecks Krimithriller "Tod in Istanbul" (Buch: Hannah Hollinger) gibt Weisse an der Seite von "drei tollen Männern" - sie meint Simonischek, Jürgen Vogel und Heino Ferch - mal wieder die kühle Blonde, die so undurchsichtig wie unbeirrbar ihre Mission verfolgt. Selbst der Gutenachtkuss für ihren Gegenspieler Kriminalkommissar Mark Kleinert (Ferch) ist ein Puzzlestück in ihrem Masterplan.
Dabei legt die 42-Jährige Wert darauf, auch ganz andere Rollen zu spielen - so war sie etwa im Kinderfilm "Sams in Gefahr" zu sehen und in der ZDF-Serie "Doktor Martin" -, verhehlt aber auch nicht, dass ihr "in letzter Zeit meistens ambivalente, in ihrem Verhalten rätselhafte Frauenfiguren angeboten" werden.
Wie stark die Behauptungskraft des Mediums Fernsehen ist (und wie überzeugend Ina Weisses Spiel), merkt man, als man sich kurz darüber wundert, dass sie in der persönlichen Begegnung ganz anders ist: Weisse will kein Mysterium sein, sondern ist auf reizende Weise um Fassbarkeit bemüht. "Können Sie das verstehen?", fragt sie immer wieder - wohl nicht weil sie ihr Gegenüber für beschränkt hält, eher weil sie einen wirklichen Dialog anstrebt. Am Tag nach dem Interview ruft sie noch mal an und will geraderücken, was nie schief war. Einfach aus dem Gefühl heraus, dass sie im Gespräch nicht präzise genug war.
Aber die Schauspielerin, die auch selbst Regie führt, ist etwa mit ihrer Antwort auf die Frage, warum sie als Regisseurin ausschließlich fürs Kino arbeitet, noch nicht zufrieden. Weisses Langfilmdebüt "Der Architekt" lief 2009 auf der Berlinale und wurde mit dem Max-Ophüls-Preis fürs beste Drehbuch ausgezeichnet, derzeit bereitet sie ihren zweiten Film vor. Als Hauptgrund für die Kinoarbeit hatte sie "die größere Freiheit bei der Erzählstruktur der Geschichten, allein zeitlich" genannt, "wobei, ich muss mal überlegen. Das ist natürlich noch nicht alles."
Die Frage sei ihr nachgegangen, eigentlich das ganze Gespräch, sagt sie tags darauf am Telefon. Und dass sie befürchte, das taz-Interview könnte ihr erster richtiger Verriss werden. So sehr man sich bemüht, so wenig hat man nach dem Auflegen das Gefühl, dass man sie beruhigen konnte.
Ina Weisse ist keiner dieser Promis, die auf jede Frage sofort eine druckreife, aber belanglose Antwort parat haben. Sie denkt, bevor sie spricht, auch währenddessen und sogar danach noch. Ina Weisse riskiert so, mitunter auch unsouverän zu wirken. Das ist mutig - aber wohl nur solange durchzuhalten, wie das Interesse an ihrer Person nicht weiter zunimmt.
Auch bei der Arbeit vor der Kamera hat Weisses Kopf keine Pause: "Bis in den kleinsten Seelenwinkel" denke sich die "Menschenleserin" in ihre Figuren hinein, sagt Hans W. Geißendörfer über Ina Weisse, der sie 2003 für sein Kinodrama "Schneeland" besetzte. "Ich trenne nicht zwischen Kopf und Bauch", sagt sie selbst. Aber auch: "Ich muss mir beim Spielen alles glauben. Sobald ich nicht mehr ganz in der Szene aufgehe, anfange, mich selbst zu beobachten und nicht mehr die Szene spiele, sondern die Bewertung, nimmt mir das niemand mehr ab."
Weisse mag das Wort "Bildungsbürgertum" zwar nicht, weiß aber auch, dass niemand seinen Wurzeln entkommt: Mit dreizehn hat sie ihr Lieblingsonkel zum ersten Mal in eine Peter-Stein-Inszenierung an der Berliner Schaubühne mitgenommen. Zur gleichen Zeit schenkte ihre Mutter ihr Kleists "Penthesilea" - das Amazonendrama verfolgte sie bis an die Schauspielschule nach München, wo sie nach ihrem Abitur an der damals einzigen Berliner Waldorfschule die Titelrolle vorsprach und angenommen wurde.
Fernsehen spielte lange keine Rolle in Weisses Leben - auch wenn sie sich nicht mehr ganz sicher ist, ob sie tatsächlich erst mit zwölf zum ersten Mal bei Freunden geguckt hat. "Es war auf jeden Fall unglaublich spät, weil wir zu Hause ewig keinen Fernseher hatten", sagt Weisse. Auch wenn sie ihren Film "Der Architekt" bewusst fürs Kino gedreht hat, freut sie sich doch darüber, dass er im Sommer dank der Reihe "Debüt im Ersten" endlich auch im Fernsehen zu sehen sein wird und sich so ein breites Publikum davon überzeugen kann, dass Ina Weisse mehr zu bieten hat als die kühle Blonde.
"Tod in Istanbul", ZDF, Montag, 20.15 Uhr
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