Länder verhandeln über Glücksspiel: Marktöffnung gegen illegale Wetten
Der Sportwettenbereich soll für private Anbieter geöffnet werden, um ihn besser kontrollieren zu können. Doch strengere Regeln für das Zocken an Automaten gibt es noch nicht.
BERLIN taz | Die Länder wollen den Sportwettenmarkt für private Anbieter öffnen, bei den Lotterien das staatliche Monopol aber beibehalten. Darauf einigte sich die Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag in Grundzügen. Die genaue Ausgestaltung der Liberalisierung soll bis zu einer Sonderkonferenz am 6. April geklärt werden. Dann soll der neue Glücksspielstaatsvertrag, der ab 2012 gilt, stehen.
Als Modell für die Öffnung des Wettmarktes werden unter den Ländern noch unterschiedliche Konzessionsoptionen diskutiert: eine einzige oder mehrere bundesweite Lizenzen, mehrere regionale Monopole oder die Vergabe von mehr als einer Lizenz in regional getrennten Bereichen.
Mit der Marktöffnung wollen die Ministerpräsidenten vor allem dem illegalen Spielbetrieb Einhalt gebieten. Rund 90 Prozent der Wetten fänden heute im illegalen Bereich statt, sagte der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck (SPD). Damit entgingen dem Staat Einnahmen "von erheblichen Milliardengrößenordnungen", sagte Beck. Er schätze das Ausmaß auf "eher 5 Milliarden plus x denn 5 Milliarden minus x".
Auf konkrete Beschlüsse für die Eindämmung des Glücksspiels an Automaten konnten sich die Länderchefs nicht einigen. Für die bundesweit rund 8.000 Spielhallen und 60.000 Gaststätten, in denen an Automaten gezockt werden kann, sind verschiedene Regelverschärfungen im Gespräch: etwa die Reduzierung des maximalen Gewinns pro Stunde auf 300 statt wie bisher 500 Euro und des maximalen Verlusts auf höchstens 48 statt derzeit 80 Euro. Erhöht werden soll auch die Mindestspieldauer von bislang 5 auf 15 oder 20 Sekunden.
Für neue Regeln benötigen die Länder allerdings den Bund, denn das Spiel in Spielhallen und Gaststätten fällt unter die Gewerbeordnung, die der Bund regelt.
In Deutschland sind etwa eine halbe Million Menschen spielsüchtig, drei Millionen weisen ein problematisches Spielverhalten auf. Kritiker fordern deshalb mehr Einsatz von staatlicher Seite.
In Nordrhein-Westfalen greift nun zumindest ein Gericht in den Glücksspielmarkt ein - wenn auch auf reichlich skurrile Weise. So soll Hartz-IV-Empfängern nach einem Urteil des Landgerichts Köln das Wetten auf Sportereignisse untersagt werden. Wie die Westdeutsche Zeitung berichtete, wurde der staatlichen NRW-Lottogesellschaft untersagt, Wettscheine an Personen zu verkaufen, die "Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen stehen, insbesondere Hartz-IV-Empfänger".
Das Gericht äußerte sich nicht dazu, wie diese Vorgabe in der Praxis umgesetzt werden soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen