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Theaterperformance in der U-Bahn-StationFerkels große Show

Nachts wird in Berlin-Neukölln der Bahnsteig zur Bühne, die U-Bahn zum Countdown, die Passanten werden zu Darstellern. Drei Minuten Schönleinstraße.

Hereinspaziert, hereinspaziert: der U-Bahnhof Schönleinstraße. Bild: dpa

BERLIN taz | Die U-Bahn-Linien durchziehen Berlin wie Adern unseren Körper. Im schnellen Takt fahren Menschenmassen durch den Untergrund, steigen ein und steigen aus, beleben die Stadt. Doch in den Tiefen der Hauptstadt existiert auch eine Underground-Szene, die sich nicht dem schnellen Puls der Großstadt anpasst. Stille Bahnhöfe und leere Gleise locken Jugendliche, Touristen und Künstler.

Durch die kahle U-Bahn-Station an der Schönleinstraße schallt in der Nacht lautes Gelächter. Im Hintergrund ertönt Gesang, Menschen applaudieren und jubeln. Doch die Geräusche verstummen, sobald die U-Bahn einfährt. Diese Szene wiederholt sich alle paar Minuten.

"So ist das Spiel hier im Untergrund, kurzlebig, aber gut", erklärt der Gastgeber, der eine kleine Bühne mit roten Vorhängen zwischen den Gleisen aufgestellt hat. Seinen Namen möchte der Initiator mit bunter Mütze und Krawatte nicht verraten. In der Underground-Szene ist er jedoch als Ferkel Johnson bekannt.

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taz akademie – vom 10. bis 13. März haben sich 20 NachwuchsjournalistInnen im Rahmen der "taz akademie" der taz-Panter-Stiftung auf der Suche nach dem Underground gemacht. Ergebnis des viertägigen Workshops war eine Sonder-Beilage in der taz vom Montag, dem 14. März, aus der wir ausgesuchte Stücke online veröffentlichen und in dem das vorliegende Interview in gekürzter Fassung erschienen ist.

Sein Spiel ist leicht zu erklären: Jeder Besucher darf ein Kunststück vorführen, ob Theater, Musik oder Gymnastik. Einzige Regel, sobald die U-Bahn einfährt, ist die Showeinlage vorbei. Maximal drei Minuten Zeit hat jeder Teilnehmer für seinen spontanen Auftritt. "Berlin ist ein Spielplan, und der Untergrund ist die Bühne", erklärt Johnson die Idee. Eine Genehmigung hat der junge Mann nicht, aber darin bestehe ja der Reiz.

Die Passanten tummeln sich zwischen den Gleisen, der Bahnsteig wird immer schmaler. Die vorbeifahrenden U-Bahnen müssen mittlerweile abbremsen, um niemanden zu gefährden. Die aussteigenden Gäste kämpfen sich durch die Masse zum Ausgang. Mit so vielen Zuschauern hat Ferkel Johnson nicht gerechnet. Zwischenzeitlich schaut er zu den Ausgängen. "Es kann jederzeit jemand kommen, der den Spaß beendet", erzählt er.

Kurz vor Mitternacht ist die Stimmung in den Tiefen der Schönleinstraße auf dem Höhepunkt. Johnson ist mit seiner Show zufrieden und heitert seine Gäste auf. "Wer ist der Nächste?", fragt er ins Mikrofon. Eine halbe Stunde später lösen Mitarbeiter der BVG die Attraktion auf, die Gefahr, auf die Gleise zu fallen, ist zu groß. Das Publikum verlässt den Untergrund, die Show ist beendet. Ferkel Johnson räumt schnell seine Sachen zusammen – in ein paar Wochen kommt er wieder.

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1 Kommentar

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  • AZ
    & zu

    Nächstes Mal besser Hermannplatz, da ist mehr Platz.