Kommentar Wahl in Baden-Württemberg: Die Richtungswahl

Wie auch immer das Wahlergebnis lauten wird: Mappus wird geschwächt werden und Merkel wird danach nicht mehr zur alten Pro-Atom-Politik der CDU zurückkehren können.

Es ist eine Richtungswahl, die am Sonntag in Baden-Württemberg stattfindet. Nicht nur, weil sie für die CDU mit einer historischen Niederlage enden könnte. Sondern auch, weil die BürgerInnen in Stuttgart, Tübingen und Biberach über mehr entscheiden als über die Geschicke eines Landes oder die Zukunft des Nochministerpräsidenten Mappus. Zur Wahl steht, wie stark sich die Union modernisiert - und also auch, wie Deutschland regiert wird.

Eines lässt sich jetzt schon sagen: Wer auf das Thema Atom setzt, verliert. Mappus ist ein Kernkraft-Hardliner, er hat unermüdlich die lebensgefährliche Technologie gepriesen, das Land an den Atomkonzern EnBW gekettet und diesen Deal als zukunftsträchtig und wirtschaftsfreundlich verkauft. Sein überstürzter Schwenk nach dem GAU in Japan ist so unglaubwürdig, dass er schon fast peinlich berührt - und kaum verfängt: weder bei Kernkraftfans in der CDU, die solches Herumeiern übel nehmen, noch bei aufgeklärten Konservativen, die die Energiewende wollen.

Mappus steht in jeder Hinsicht für eine CDU von gestern, nicht zuletzt deshalb, weil er mit seinem eisenharten Beharren auf Stuttgart 21 selbst das Fundament für den Aufschwung der Grünen legte. Mit aller Macht wollte er den Bau durchsetzen, er unterschätzte die Bürgerproteste und die Tatsache, dass vielen Wählern im schwarz-grünen Milieu das milliardenschwere, logisch kaum begründbare Projekt nicht einleuchtet.

Wie auch immer das Wahlergebnis lauten wird, dass Mappus verliert, ist sehr wahrscheinlich. Entweder rettet er sich an die Macht, als geschwächter Ministerpräsident, der seine Partei beinahe in den Abgrund geführt hätte. Oder er geht als der CDU-Regierungschef in die Geschichte ein, der das Bundesland nach fast 60 Jahren Herrschaft an einen Grünen oder Sozen verliert.

Eine Rückkehr zu ihrer alten Pro-Atom-Politik ist der CDU danach im Bund nicht mehr möglich, zu groß ist die Macht des Faktischen der Katastrophe in Japan, zu irrational wirkte ein weiterer Kurswechsel. Doch wie radikal Bundeskanzlerin Merkel die energiepolitische Wende betreibt, ist offen. Sie wird sich nach dem Ergebnis in Baden-Württemberg entscheiden.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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