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Krieg in LibyenSchützt die Belagerten!

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Misurata, die drittgrößte Stadt Libyens, wird von Gaddafis Truppen belagert. Um den Menschen zu helfen, reicht eine Unterstützung aus der Luft nicht mehr aus.

B ERLIN taz Der Krieg in Libyen ist nur scheinbar zum Stillstand gekommen. Im Osten des Landes hat sich zwar ein militärisches Patt entwickelt, die Aufständischen kommen ebenso wenig dauerhaft voran wie die Gaddafi-Truppen. Allmählich merken das beide Lager.

Doch in Libyens drittgrößter Stadt Misurata unweit der Hauptstadt Tripolis spitzt sich der Krieg und die Notlage der Menschen zu: Hier befindet sich die letzte Bastion der Aufständischen im Westen des Landes, und hier zieht Gaddafi den Belagerungsring um die "befreite Zone" immer enger.

Hunderte von Menschen sind bereits gestorben, Opfer von Scharfschützen, Artillerieangriffen und dem Mangel an medizinischer Versorgung. Tausende suchen einen Fluchtweg. Hunderttausende leben in ständiger Angst vor dem finalen Großangriff der Regierungsarmee.

taz

DOMINIC JOHNSON ist ist Leiter des Auslandsressorts der taz und zuständig für die Afrika-Berichterstattung.

Misurata ist eine Ermahnung an die Ursprünge des libyschen Krieges. Er begann nicht als bewaffneter Konflikt, bei dem ostlibysche Rebellen gegen die Regierung im Westen kämpfen, wie es international die Relativierer darstellen, die die Konfliktparteien politisch gleichsetzen wollen und damit ihre Neutralität begründen.

Er begann als landesweiter Volksaufstand gegen Unterdrückung, nach dem Vorbild Tunesiens und Ägyptens. Erst als dieser Aufstand blutig niedergeschlagen wurde, griffen die Aufständischen ihrerseits zu den Waffen. Sie hielten anfangs zahlreiche Städte in allen Teilen des Landes. Misurata ist der einzige größere Ort im Westen, wo ihr Widerstand bis heute nicht gebrochen ist.

Dies zeigt die Grenzen der bisherigen internationalen Interventionsstrategie in Libyen auf. Mit Luftschlägen kann man in der Wüste Panzerkolonnen und Raketenstellungen ausschalten, nicht aber in einer Großstadt einen Häuserkampf entscheiden und Scharfschützen eliminieren. Wer den Menschen in Misurata Sicherheit geben will, muss sie gegen die Belagerer schützen.

Selbst wer ihnen einfach das Überleben erträglicher machen will, muss den Hafen offenhalten, humanitäre Korridore zur Versorgung der Bevölkerung und zur Evakuierung von Flüchtlingen schaffen. All dies erfordert den Einsatz militärischer Mittel.

Die UN-Resolution 1973, die der internationalen Militärintervention in Libyen zugrundeliegt, erlaubt nicht nur Luftangriffe. Sie erlaubt "alle notwendigen Maßnahmen, um von Angriffen bedrohte Zivilisten und von Zivilisten bewohnte Gebiete zu schützen". Einzig ausgeschlossen ist "eine ausländische Besatzungstruppe". Das ist in den endlosen Debatten über die Kommandostruktur der Luftangriffe untergegangen. Viele Menschen in Misurata haben derweil mit dem Leben bezahlt. Sie müssen jetzt gehört werden. Misurata darf nicht erst zum Srebrenica Libyens werden.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.

15 Kommentare

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  • F
    Findus

    UNO / OCHA hat keinen Bedarf für deutsche Kampftruppen in Libyen

    http://northafrica.humanitarianresponse.info/LinkClick.aspx?fileticket=47ownobHI48%3D&tabid=65&mid=436

    III. Humanitarian Needs and Response ... Needs:

    Libya: Nothing Significant To Report (NSTR)(Seite 2, mitte)

    Im Klartext: Auch im Westteil von Libyen benötigen die humanitären Hilfsorganisationen keine Bodentruppen.

    Wer also "humanitäre" Nato-Bodentruppen in Libyen will meint Bodentruppen wie im IRAK.

    Das ist Kriegspropaganda wie die Propaganda für "No-Fly-Zone" die sich als Nato-Invervention entpuppt hat (es geht nicht um den Schutz der Zivilisten, sondern um die Verlängerung des Bürgerkriegs, mit dem Ziel des Siegs der Rebellen).

  • DP
    Daniel Preissler

    @Stefan

    einerseits richtig!

    andererseits falsch:

    Die West-Alliierten GB und F haben D den Krieg erklärt bevor die Wehrmacht die SU angegriffen hat (wie du weißt). Grund war der Überfall auf Polen. Daher hätten sie streng genommen auch 2 Wochen später der SU den Krieg erklären müssen (was allerdings militärisch aussichtslos gewesen wäre, das GB und F schon gegen das DR alleine schlechte Karten hatten). Die USA sind anders als im 1.WK nicht wegen politischer Präferenzen und Angst vor großen finanziellen Einbußen )falls GB unterliegen sollte) in den Krieg eingetreten. Auch nicht um Europa oder gar die Juden zu retten. Sondern schlicht, weil sie von Japan angegriffen wurden und das DR ihnen den Krieg erklärte.

    Eine klare Trennung "Achsenmächte"/Alliierte" gab es im 2. WK nicht, bzw. sie ist eine vereinfachende Konstruktion für Schüler der 9. Klasse (vielleicht jetzt der 8. mit G8), da Frankreich (mit Vichy und dem "Freien F") und die SU jeweils Sonderstellungen inne hatten.

    Grüße, D

  • V
    verlierus

    Hm, Findus, hier steht aber etwas anderes:

     

    "The myth of tribal Libya"

     

    Ist wohl eher Gaddafi-Propaganda, das mit dem Stämmen.

     

    http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2011/mar/30/libya-tribal-myth-national-dignity

  • F
    Findus

    Sollen die Zivilisten in Tripolis und Sirte am Ende auch durch deutsche Bodentruppen "geschützt" werden?

    Man sollte auch mal deren Meinung hören:

    http://www.npr.org/2011/04/03/135087156/a-view-of-gadhafi-from-one-of-his-human-shields

    A View Of Gadhafi From One Of His Human Shields.

     

    Ich bin gespannt, ob Sie das Interveiw zur "Regierungspropaganda" erklären werden.

  • F
    Findus

    Die Loyalität der Stämme Libyens spielt die entscheidende Rolle im Bürgerkrieg, erklärt warum die Rebellen auch mit NATO-Luftangriffen Tripolitanien nicht Fuss fassen können.

    Stammes-Loyalität erklärt auch, warum Städte wie Misurata (nach dem Stamm Misurata) oder Al Zintan (nach dem Stamm Al Zintan) sich als nicht einnehmbare West-libysche Enklaven der Ost-libyschen Rebellen ergeben.

    Hier ist ein informativer Artikel über die Stämme Libyens, u.a. der Misurata Stamm (nach dem die Stadt Misurata ihren Namen hat) siedelt hauptsächlich in Benghazi (!) - na sieh mal an. http://www.asharq-e.com/news.asp?section=3&id=24257..

  • 6
    66888

    Bernd Goldammer, nun jammern sie hier schon seit Wochen nahezu täglich in den Kommentaren, niemand wisse, "wer die Rebellen sind", bzw. lügen einfach mal frech, diese seien doch "eingesickert" und würden "bezahlt". Ich schlage vor, Sie gehen jetzt mal zu Google News oder Al Jazeera oder libyafeb17.com, und informieren sich dort, denn Ihr Informationsbedürfnis scheint da recht hoch zu sein. Oder geht es Ihnen nur darum, hier Stimmung gegen die Rebellen zu machen? Man hat fast den Eindruck. Fühlt sich Ihr Pazifismus vielleicht gerade etwas verlogen an, dass Sie zu Lügen greifen müssen, um Ihre Hände in Unschuld waschen zu können? Schließlich sind Sie gegen den Einsatz - ginge es also nach Ihnen, wären viele der Aufständischen nun tot, und es herrschte Gaddafis "Frieden".

     

    Woher sind eigentlich die Rebellen anno 1989 in die DDR eingesickert, und wer hat sie bezahlt?

  • TB
    Tina Braunstein

    Man könnte natürlich Misrata (so hieß die Stadt bis gestern in allen Zeitungen) dadurch vor Zerstörung retten, dass man den sinnlosen Kampf aufgibt.

     

    In Misrata wird doch nicht gestorben für einen militärischen Fortschritt gegen die Regierungstruppen sondern allein als Schaufenster, um für Waffenlieferungen und Bodentruppen zu werben. Dass die Front zügig an die Stadt heranrückt und so die Belagerung beendet, glaubt doch kein Mensch.

     

    Es glaubt auch keiner, dass die Regierung per se ein Interesse an der Zerstörung der Stadt hat. Die wollen sie einfach wieder im Griff haben.

     

    Für die politische Soße im Osten sterben als neutrale, unbeteiligte Bürger in Misrata.

    Und den Mist soll ich mit meinen Steuergeldern finanzieren.

    Klasse.

  • BW
    B. Wagner

    Trotz der Scheinheiligkeit so mancher Regierungen etc., die jetzt offiziell Gaddafi-Gegner sind, und obwohl die Opposition in Libyen sicher nicht einfach u 100% aus perfekten Demokrat_innen besteht (wo gibt es schon solche?), ist bei Abwägung verschiedener Alternativen den Gaddafitruppen Einhalt zu gebieten immer noch und bis auf Weiteres das kleinere Übel.

     

    Dominic Johnson hat (wie so oft) sehr recht mit seiner Einschätzung einer Lage und korrigiert ganz zurecht ein paar falsche Annahmen, die derzeit kursieren.

  • S
    Stefan

    Mutige Töne in der TAZ.

    Das ewige Gespuller von humanitärer Hilfe bringt die Menschen nicht weiter. Man schaut gelassen zu, wie die Menschen massakriert werden und hilft dann den am Leben gelassenen.

    Gut, dass die West-Alliierten im 2. Weltkrieg aktiv eingegriffen haben und nich abgewartet haben, was Hitler und Stalin unter sich ausgefechten um hinterher Care-Pakete für die Überlebenden anzubieten.

  • B
    Bernd

    @ Joachim Duden

    Schwer nicht. Aber falsch.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Nimm Dir eine Knarre und geh nach Lybien.Dann kannst Du uns später vielleicht mal sagen wer diese Rebellen sind? Wo kommen die her, wer bezahlt sie und aus welchem Land sind sie eingesickert? Dann kannst Du in einer Gefechtspause die Einwohner fragen, ob die Einnahme der Stadt durch die Rebellen überhaupt politischer Wille der Stadtbewohner ist.Misurata ist libysches Staatsgebiet. Was würde die Bundeswehr tun, wenn sich Hamburg plötzlich wie Misurata gebärden würde und dort zufällig auch noch Ölquellen wären, aus denen sich die Bundesrepublik finanzieren würde. Euch TAZlern kann man einfach nichts glauben! Ihr schreibt seit vielen Wochen wie Kriegstreiber. Trotz täglicher TAZ Lektüre können wir Kriegsursache und Kriegswirkung immer noch nicht auseinanderhalten. Denn Ihr bringt nur rüber was dem Töten und Verderben dient. Grün steht inzwischen als Farbe für millitärische Dummheit! Leider werden Kriegs-Strolche nicht zur Verantwortung gezogen. Wir stehen seit vielen Jahren in Afghanistan. Das hat weder den Afganis etwas gebracht noch uns BRD-Bürgern. Auch aus dem Kosovo können wir nicht raus, weil sonst die Nacht der langen Messer käme. Krieg ist das dümmste Mittel, denn es würde ganz anders gehen.Grün lockt uns ins Verderben und die Sozen sowieso.

  • AS
    Andreas Suttor

    Auch diesen Ausführungen liegt der gleiche Fehler zugrunde wie auch der angesprochenen UN-Resolution: in modernen Kriegen - und dabei vor allem in Bürgerkriegen - gibt es keine Unterscheidung zwischen Konfliktbeteiligten und Zivilbevölkerung. Diese Zeiten sind seit 1863 vorbei - Grant und Sherman als Strategen des amerikanischen Bürgerkriegs haben diese Tatsache damals erstmals erkannt. Insofern macht sowohl die UN-Resolution als auch dieser Kommentar wenig Sinn. Die Alternativen sind also sehr einfach: entweder man hält sich heraus - oder ergreift Partei.

  • JD
    Joachim Duden

    Lybien. Lybien. Lybien. Ist das echt so schwer?

  • N
    Nachdenker

    War der Kommentator einst Spanienkämpfer? Unterstützt er heute die Initiative von Westerwelle, deutsche Soldaten nach Libyen zu schicken?

  • M
    Mirko

    Dann nimm dir doch eine Waffe und geh hin.

     

    Falls du dabei umkommst haben wir auch mal wieder was zu lesen. Nur diesmal über einen aufrechten Freiheitskämpfer, und keinen Mudschahedin der bei einer Rebellion draufgegangen ist, und nicht nur über Krieg gesülzt hat.