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Workshop mit Sexualtherapeuten"Ich habe dieses Schnarch-Gefühl..."

Wenn Dr. David Schnarch, Koryphäe der Sexual- und Paarberatung, eigens aus den USA anreist, um einen Workshop abzuhalten, dann schnarcht keiner.

Probleme des Alltags: Der Partner mit dem geringen sexuellen Verlangen kontrolliert immer den Sex. Bild: ~mya~ / photocase.com

Ein älterer Herr setzt sich mit an den Tisch. Von einer Frisur kann man nicht sprechen, denn nebst Glatze gibt es nur einen schmalen weiß-schwarzen Haarschweif unterhalb des Hinterkopfes. Er trägt schwarz, semi-elegant, das weiße Brusthaar ist im Ausschnitt des Hemdes deutlich zu erkennen; an seinen Fingern sitzen Ringe, die mittels Ketten miteinander verbunden sind. Der Mann ist Sozialwissenschaftler an der Uni Mannheim und befindet sich gerade in der Fortbildung zum Paartherapeut. Themenschwerpunkte: Polyamouröse Beziehungen, Fetische, Sadomasochismus. Aha.

Braucht man Paartherapie überhaupt? Wann ist sie notwendig? "Ich finde das Wort 'Paartherapie' problematisch", antwortet er stattdessen, "wir sprechen hier ja nicht von einer Krankheit." Plötzlich kippt die Stimmung und es wird unheimlich: Der Sozialwissenschaftler reagiert nicht mehr, wenn er angesprochen wird, zuckt stattdessen ein wenig - seine Mimik ist unruhig. Er beginnt, in seinem Mund zu fingern und fragt plötzlich mit eindringlicher Stimme: "Was wird das hier mit uns beiden?"

Liebe dich selbst

Es gibt ja diesen Spruch: Wer Therapeut oder Psychologe wird, hat selbst einen Knacks. So weit, so ungut. Heute befindet sich gleich eine Vielzahl dieser fragwürdigen, weil ganz in ihrer eigenen Welt gefangenen Zeitgenossen – die sich optisch in Schickimicki-Problemermittlern einerseits und Hippie-Seelenklempnern andererseits teilen – in einem der geschmackvollen Hörsäle des Kaiserin-Friedrich-Haus, direkt neben der Berliner Charité.

Dr. David Schnarch hat sie zum viertägigen Workshop gerufen, in dem er ihnen sein neues Buch "Intimität und Verlangen" sowie den darin enthaltenden Ansatz vorstellt: Die vier Aspekte der Balance, oder auch Schmelztiegelansatz, die für jedwede alltägliche Krisen benötigt werden. Zum Beispiel das "stabile, bewegliche Selbst": Es wird durch die eigenen Werte, Prinzipien und Ziele gelenkt, die einem selbst wichtig sind.

Insbesondere, wenn die Menschen um einen herum und Situationen, eine emotionale Ausgeglichenheit einbüßen. Kurzum: Das Gegenteil vom gespiegelten Selbstbild, das sich aus Anerkennung und Bestätigung anderer Menschen speist. Frei nach dem Motto: Wenn du geliebt werden willst, dann liebe dich zu allererst selbst. Insgesamt tragen diese Punkte zum Wachstum des Selbst bei und führen schlussendlich dazu, dass man mit sich selbst in Einklang ist.

Nur dann, so Schnarch, könne man eine erfüllende Beziehung führen. David Schnarch gilt als einer der führenden Sexualtherapeuten in den USA. Er ist unter anderem klinischer Psychologe, war Professor für Urologie an der Louisiana State University und ist Direktor des Marriage and Family Health Centre in Colorado. Vor allem wurde er als Autor zahlreicher Fachpublikationen, insbesondere durch seine richtungweisenden Bücher, wie etwa "Passionate Marriage", weithin bekannt. Mit seinen öffentlichen Auftritten und Beiträgen in den Medien hat er auch über die Fachwelt hinaus große Popularität erlangt.

Vibration zwischen den Beinen

Auf den ersten Blick erinnert er tatsächlich ein wenig an den lieben Opa von nebenan: etwas Fülliger um die Mitte, Brille, freundliches Lächeln. Seine lockere Körperhaltung und lässigen Gesten sprechen für seine Selbstsicherheit. Bei ihm stimmen auch die Quoten. Als Beispiel: In seinem Programm zu häuslicher Gewalt brachen lediglich 12 Prozent ab und nur in drei Prozent der Fälle wurde der gewalttätige Lebenspartner rückfällig.

Ähnlich sehen auch seine anderen Ergebnisse aus. Beim Vortragen sucht er ständig die Balance zwischen Ernsthaftigkeit und angebrachtem Witzeln. Ein Handy klingelt. Tarzans Lianenschrei hallt von den Wänden wieder. "Für alle unter uns, die ein Handy dabei haben", setzt Schnarch ernst ein, "bitte schalten sie es nicht aus! Stellen Sie es stattdessen auf Vibrationsalarm, schieben Sie es sich zwischen die Beine und genießen Sie es", scherzt er weiter.

Am Anfang mögen die Analysen und Thesen auch noch für fachfremdes Publikum spannend sein, zuweilen hat man als Zuhörer auch einen erhellenden Moment. Zum Beispiel, wenn er von Differentzierungsprozessen in der Beziehung spricht und verdeutlicht, dass sich durch die natürliche Weiterentwicklung der Partner der Eine auf den Anderen immer neu einstellen muss; man wächst gewissermaßen mit und aneinander. Bindung und Autonomie spielen dabei ebenfalls eine wichtige Rolle.

Oder auch, dass der Partner mit dem geringen sexuellen Verlangen immer den Sex kontrolliert und wie dies zu Spannungen in der Beziehung führen kann. Allerdings kann man dann doch irgendwann nicht mehr folgen: es geht nämlich in rasantem Tempo auf die Metaebene zu – da ist dann von dem Gedankenlesen des Partners die Rede. Meine Sitznachbarin mit dem feschen Grinsen stimmt mir zu: "Ich kann mir denken, dass das auf Nicht-Therapeuten befremdlich wirkt. Ist halt ein ganz eigener Kosmos."

Geisterhaftes Umarmen

Die Veranstaltung neigt sich langsam dem Ende zu. Nach acht Stunden leichter Gehirnwäsche sieht dieser Schnarch doch nicht mehr so lieb aus. Was auffällt sind die starren, weit aufgerissenen Augen, der Ritus des lang gezogenen Nickens. Konterkarikiert durch die dunklen, buschigen Augenbrauen und Teile des Barts, die ebenso dunkelgrau, ja fast schwarz hervorstechen. Etwas erinnert an die Begegnung vom Mittagstisch.

Apropos sektenhaft und esoterisch: Letzter Akt des Seminars ist die "Umarmung bis zur Entspannung" – noch einmal so richtig fallen lassen. Fünf Minuten herrscht geisterhafte Stille im Saal: die wenigen Partner umarmen sich, der Rest begnügt sich mit der Vorstellung eines Partners und hält seine Arme in die Luft. "Ich fühlte eine Veränderung, erst in meinem Kiefer und dann in meinem Penis", resümiert ein Mann in der fünften Reihe. Marc Rackelmann, Organisator und selbst Therapeut, fasst zusammen: "Ich habe dieses Schnarch-Gefühl. It hurts so good."

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7 Kommentare

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  • E
    Elisa

    Tatsächlich, ich hätte wirklich gerne mehr über die Inhalte dieses Seminars erfahren. Hat Dr. Schnarch sich bisher mit klaren und pragmatischen Analysen doch eher wohltuend abgehoben von der Esoteriknähe einiger seiner Kollegen und Koleginnen.

    Kritisches Hinterfragen ist im Journalismus sicher nicht falsch - schlichtes Produzieren von Meinung (ohne inhaltliche Begründung und informative Unterfütterung) allerdings schon. Nennt man auch - Ressentiment.

  • Q
    Quantenphysiker

    Ach wissense, liebe tazler, ich glaub, ich geh mal demnächst zu einem Workshop über Quantenphysik.

     

    Davon habe ich nämlich überhaupt keine Ahnung.

     

    Dann schreibe ich meine Erlebnisse auf ("...also der Herr in der dritten Reihe mit dem karierten Hemd und den graumelierten lockigen Haaren - die wohl auch mal einen Haarschnitt vertragen könnten - meldet sich zu Wort und ich kann ihm überhaupt nicht folgen... in der Mittagspause wird Gulaschsuppe und belegte Brötchen mit Thunfischpaste angeboten. Das mit der Thunfischpaste ist mit so noch nie untergekommen, aber vermutlich ein Charakteristikum von naturwissenschaftlichen Veranstaltungen...")

    und natürlich erwarte ich, dass ihr das Resultat veröffentlicht.

     

    Die Vorgehensweise scheint ja gang und gäbe bei der taz zu sein.

    Verständlich. Meist ist der Unterhaltungswert ja viel höher, wenn über etwas geschrieben wird, von dem der Autor absolut keinen Plan hat.

     

    taz-Qualitätsjournalismus, wir lieben dich.

  • A
    Apfelsaft

    Und wieder 3 Minuten meiner Lebenszeit verschwendet.

     

    Ich schließe mich meinen Vorrednern an: Der Artikel hat keinen Inhalt.

  • L
    Lotte

    "Was wird das hier mit uns beiden?"

    (Zitat Ende)

    Nichts, Frau Timm. Gar nichts.

     

    Denn während der Lektüre des Artikels ist in mir auch dieses latent agressive Unverständis aufgestiegen, das sich in der o. von der Autorin geschilderten Situation bei dem Mannheimer Therapeut Bahn brach. Immerhin bin ich damit nicht allein.

     

    Kennen Sie diesen Spot mit dem Pinguin? "Wenn man keine Ahnung hat- einfach mal die Klappe halten."

  • K
    Käthe

    Hm, ja, ach so. Thank you for sharing. Das war ja höchst informativ. Vielleicht nächstes Mal mit etwas Inhalt oder jemanden hinschicken, der in der Lage ist dem Thema zu folgen?

  • K
    Katharina

    Da hätten mich statt die Frisuren der Teilnehmer doch die Inhalte ein bisschen mehr interessiert, wenn es schon einen Artikel drüber gibt...

  • A
    Alte_Schedin

    beim lesen des artikels überfiel mich leider auch ein "schnarch-gefühl", denn ich über den inhalt des workshops so gut wie nix erfahren (dabei klangen die gesetzten themen doch ganz viel versprechend ...). dafür weiß ich jetzt wie dr. schnarch am anfang und am ende seines workshops aussah und wirkte (aus sicht der autorin), und was sabrina im allgemeinen timm von psychologen hält:

     

    "Heute befindet sich gleich eine Vielzahl dieser fragwürdigen, weil ganz in ihrer eigenen Welt gefangenen Zeitgenossen – die sich optisch in Schickimicki-Problemermittlern einerseits und Hippie-Seelenklempnern andererseits teilen – in einem der geschmackvollen Hörsäle des Kaiserin-Friedrich-Haus, direkt neben der Berliner Charité"

     

    informationsgehalt? gleich null. einblick ins autorenfeeling? volle kanne.

     

    fazit: voll daneben ist auch vorbei.