piwik no script img

Hannover 96 klagt gegen 50+1 RegelungKein Scheich, kein Gasmillionär

Martin Kind, Präsident von Hannover 96, findet auch eine Komplettübernahme von Vereinen durch Investoren gut. Er will die 50+1-Regelung zu Fall bringen.

Martin Kind geht es um lokale Firmen, sagt er. Bild: reuters

HANNOVER taz | In den letzten Jahren hat Martin Kind Hannover 96 Stück für Stück in eine moderne Fußballfirma umgewandelt. Mittwochabend ist Mitgliederversammlung. Und da wird Kind, Präsident, Macher und Geldgeber, von einer finanziellen Gesundung sprechen können: Nach dem Verlust in Höhe von rund sechs Millionen Euro aus dem vergangenen Geschäftsjahr folgt in der aktuellen 96-Buchführung ein Gewinn im sechsstelligen Bereich.

Zudem kündigte Kind an, seine Klage gegen die so genannte 50+1-Regelung mit aller Konsequenz zu verfolgen. "Wir ziehen das durch", sagt der 66-Jährige, der fest entschlossen ist, sein Recht auch vor einem ordentlichen Gericht zu erstreiten. Nach der 50+1-Regel ist es Kapitalanlegern bislang nicht möglich, die Stimmenmehrheit in von Fußballvereinen gegründeten Kapitalgesellschaften zu übernehmen.

Auch der jüngste Höhenflug, der Träumereien von einem Start in der Champions League möglich macht, bestärkt Kind in seiner Auffassung. Mit einem Etat von gerade einmal 50 Millionen Euro würde der niedersächsische Klub auf der ganz großen Bühne des bezahlten Fußballs wenig bis gar nichts zu melden haben. Und eben dieses Ungleichgewicht der finanziellen Kräfte bestärkt Kind darin, dass Investoren die Geschäfte der deutschen Profiklubs nicht nur mit bezahlen, sondern auch mitbestimmen dürfen sollten.

Ausnahmen VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen?

Die Tücke der 50+1-Regelung, zum Schutz der in Kapitalgesellschaften umgewandelten Vereine eingeführt, sind die von Konzernen dominierten Klubs VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen. Kind bemängelt, dass im deutschen Fußball zwei solch augenfällige Ausnahmen genehmigt worden sind, und will gleiches Recht für alle. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sträuben sich, die anderen Vereine zeigen Kind die kalte Schulter. Doch alle ahnen, dass dieser zähe Mann mit logischen Argumenten sein Ziel erreichen könnte. Bis zum Sommer bleibt allen Beteiligten noch Zeit, ein gemeinsames Konsensmodell zu entwickeln.

Kind hat ein Schiedsgerichtsverfahren angestrebt, das die Statuen der DFL sowie des DFB vorschreiben, und hofft im Juli auf eine für ihn positive Entscheidung. Gibt es kein Einlenken, wird Kind vor ordentlichen Gerichten um seinen Sieg streiten. Dass in seinem Büro in Großburgwedel bei Hannover immer häufiger das Telefon klingelt, weil sich Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und andere Vereine nach dem Stand der Dinge in einem äußerst komplizierten Verfahren erkundigen, wertet Kind als ein Aufwachen bei der Konkurrenz.

Hannover 96 will regionale Unternehmen beteiligen

Was Kind für Hannover 96 möchte, ist gar kein Scheich oder russischer Gas-Milliardär, sondern die Chance, regionale Unternehmen am Aufrüsten seiner Fußballfirma zu beteiligen. Einem zahlungswilligen Investor ein Entscheidungsrecht vorzuenthalten, hält Kind für nicht zeitgemäß und illusorisch.

Dass der Vorreiter für das Kippen der 50+1-Regelung keine Verbündeten sucht, dürfte an seiner zuweilen eigenwilligen Art, aber auch an seiner Rechtsposition liegen. Experten räumen Kind, reich geworden als Chef einer weltweit erfolgreichen Hörgerätehersteller-Kette, nach einem Scheitern auf verbandsrechtlicher Ebene beste Chancen auf einen Sieg vor dem Europäischen Gerichtshof ein.

Kein Erstligist, kein Zweitligist wollte Kind unterstützen

Ende 2009 hatte sich auf einer Mitgliederversammlung der DFL kein einziger Erst- oder Zweitligist gefunden, der Kind bei seinem Ansinnen unterstützen wollte. Trotzdem sieht sich der fußballbegeisterte Unternehmer auf dem richtigen Weg. Schließlich streite er nicht nur für seinen eigenen Klub, sondern für alle Bundesligisten.

Die Unterkapitalisierung eines Vereins wie Hannover 96 und von so manchem Mitbewerber in der Tabelle hält Kind für einen gefährlichen Tatbestand und legt deshalb allen Beteiligten nahe, sich zumindest mit einem Kompromiss anzufreunden. "Es gibt unzählige Optionen. Und kein Verein muss diesen Weg gehen. Aber ich kämpfe darum, dass er geebnet wird", sagt Kind. Zwei Rechtsanwaltskanzleien sind in seinem Auftrag damit beschäftigt, den großen Wurf vor Gericht vorzubereiten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • G
    geise

    Wenn er das zum Wohle seines Vereins tun würde, würde er einfach nur Geld spenden.

  • P
    Panskihb

    Gleiches Recht für alle!!!

    Normal bräuchte Kind für Hanover nicht vor einen Ordentlichen Gericht klagen, man muss sich nur Hopps Hoffenheim anschauen, da bestimmt auch allein der Geldgeber, alle anderen in der "Führung" diese Retortenklubs sind nur die Stromänner!!!

    Der DFB und die DFL lassen es zu, weil Hopp einige Freunde und Verwante von DFB versorgt , ausserdem spielt er mit Beckenbauer öfters Golf.

    Gruß

    Panskihb

  • P
    Pälzer

    Sobald dieser Weg "nur geebnet" ist, wird genau die selbe Dynamik wie in England eintreten - teure Stadionbesuche, miese Stimmung, Vereine als Spielball der Geldgeber. Dass man sich in der Bundesliga dieser weiteren Geldquelle dann nur schwerlich entziehen kann, zeigt der vielerorts schon vollzogene Verkauf des Stadionnamens.

  • T
    tango66

    Ist klar warum bisher kein anderer Verein das mitzieht; es will ja auch keiner den "Schwarzen Peter" mit haben. Die wissen genau, dass Hr.Kind das durchziehen wird, und wenn es dann ein entsprechendes Urteil gibt - na dann machen wir es halt auch. Die größte Heuchelei ist ja von Leverkusen und Wolfsburg, die mit für 50+1 gestimmt hatten.