piwik no script img

TV-Doku über ArbeitnehmerfreisetzungDie Polen kommen - nicht

Ab 1. Mai dürfen Bürger aus östlichen EU-Staaten unbeschränkt in Deutschland arbeiten. Das wird kaum etwas ändern, so der ZDF-Film "Arbeit ohne Grenzen" (0.35 Uhr).

Bald auch in Deutschland: Polen auf Jobsuche im Arbeitsamt Warschau. Aber wo ist das Problem? Bild: reuters

Ab dem Maifeiertag geht es los. Denn dann dräut die sogenannte volle Arbeitnehmerfreizügigkeit, der gemeinsame europäische Arbeitsmarkt. Seit der EU-Osterweiterung 2004 wurden gerade in Deutschland Horrorszenarien für diesen Tag entworfen, vor dem Ansturm der Scharen von Arbeitnehmern aus den unermesslichen Weiten des Ostens.

Nun, wo es tatsächlich fast so weit ist, ist vom Arbeitsmarkt so wenig die Rede wie selten. Wohl, weil die Themen Guttenberg, Fukushima, Baden-Württemberg und Libyen in den vergangenen Wochen die Nachrichten beherrschten. Nur die Ruhe vor dem Sturm? Oder liegt es am politischen Personal, dem Fehlen von Politikern wie Jürgen Rüttgers und Roland Koch?

Die gerade für solche Politiker mit extra viel Liebe zum Vaterland nur schwer verdauliche Lehre aus Greencard-Zeiten war, dass ausgerechnet gut qualifizierte ausländische Fachkräfte kein besonderes Interesse an einem Arbeitsplatz in Deutschland zeigten. Und daran wird sich auch mit dem 1. Mai 2011 nicht viel ändern - das zumindest vermittelt die Dokumentation "Arbeit ohne Grenzen", die das ZDF heute sendet.

Darin wird unter anderem der ärztliche Direktor des Uni-Klinikums Greifswald begleitet. Der Chef von 4.000 Mitarbeitern stammt selbst aus Polen und fährt frohen Mutes in die Uni-Stadt Krakau, um dort neues Personal für seine Klinik anzuwerben. Leider erweist sich für die angehenden polnischen Mediziner Vorpommern ebenso wenig als Sehnsuchtsort wie für ihre deutschen Kollegen, sodass der Direktor nur eine einzige Interessentin findet.

"Sie spricht polnisch, er pfälzisch - dabei wird's wohl bleiben"

Ein Experte vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sieht einen spezifisch deutschen Standortnachteil in der hier rückständigen Unternehmenskultur, der zufolge Englisch immer noch nicht gängige Arbeitssprache sei. Diese Einschätzung amüsiert vor dem Hintergrund der Erfahrungen dreier junger Tschechen aus der Dokumentation, die von der Handwerkskammer Chemnitz intensiv umworben werden, Lehrstellen in der grenznahen sächsischen Stadt anzutreten. Den Lehrlingen in spe wäre nämlich schon geholfen, würden sich die Chemnitzer Handwerker sprachlich nur etwas mehr am in Tschechien gelehrten Hochdeutsch orientieren.

Die Kommunikation zwischen einem 87 Jahre alten Mann aus der Pfalz und seiner 64 Jahre alten polnischen Pflegerin kommentiert der Off-Kommentar mit: "Sie spricht polnisch, er pfälzisch - dabei wird's wohl bleiben." Dabei wird's wohl bleiben - diese Formulierung fasst den Tenor des gesamten Films zusammen.

Um die Situation ausländischer Arbeitnehmer ab dem 1. Mai zu verdeutlichen, will die Doku mit diesem Beispiel verdeutlichen: Die Tochter des Pflegebedürftigen zahlt für seine Pflege 2.000 Euro im Monat - wovon der polnischen Pflegerin am Ende nur 900 Euro netto bleiben. Weil eine polnische Arbeitsagentur und eine deutsche Vermittlungsagentur mitverdienen. Sie wären ab dem 1. Mai verzichtbar. Theoretisch. Die Tochter aber will auf deren Dienste nicht verzichten, weil sie selbst partout nicht Arbeitgeberin werden will. Fraglich bleibt da, ob dieser Fall repräsentativ ist. Oder ob sich nicht auch ein Gegenbeispiel hätte finden lassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • M
    Mac-Lennox

    Die traurige Wirklichkeit für viele Pflegekräfte im Osten Deutschlands ist, dass 900 Euro Netto üblich sind - ohne Einschaltung einer polnischen Arbeitsagentur und einem deutschen Verleihunternehmen.

  • M
    Manuel

    Die Sprachhürde ist wirklich ein Problem für Deutschland. In Indien haben mir viele Ärzte gesagt, sie würden gerne in Deutschland arbeiten aber wegen der Sprache werden sie nach Amerika oder England gehen.

     

    Die Frage ist, ob sich das ändert, wenn die Mitarbeiter englisch sprechen aber die Patienten einen nicht verstehen (die meisten Ärzte können ja schon englisch)?