Jede sechste Frau ist Opfer von Gewalt

Weltgesundheitsorganisation befragte 24.000 Frauen in zehn Ländern. Frauenrechtsprotokoll tritt in Kraft

Mangelnde Gleichberechtigung ist zugleich Ursache und Folge von Gewalt gegen Frauen

BERLIN taz ■ Weltweit ist fast jede sechste Frau von häuslicher Gewalt bedroht. Das ist das Ergebnis der gestern in Genf vorgestellten Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Das Ergebnis der Befragung von 24.000 Frauen in zehn Ländern offenbart, dass besonders häusliche Gewalt weit verbreitet ist. In der Mehrheit der Fälle sind die Täter die eigenen Männer.

In Entwicklungsländern sind Frauen häufiger Übergriffen ausgesetzt als in Industriestaaten. In Japan geben 15 Prozent der Befragten an, in ihrem Leben Misshandlungen ausgesetzt gewesen zu sein. In ländlichen Regionen Äthiopiens wächst der Anteil der Betroffenen auf 71 Prozent. Das Risiko, Opfer von Gewalt zu werden, ist in allen Ländern das gleiche, der Unterschied liegt den AutorInnen der Studie zufolge jedoch darin, dass Frauen in Industriestaaten eher eine gewalttätige Beziehung beenden können.

In fünf der untersuchten Staaten wurde zwischen Stadt- und Landbevölkerung unterschieden. In Peru sind in ländlichen Gebieten 69 Prozent der Frauen betroffen, in der Stadt sind es noch 51 Prozent. Die Studie zeigt damit ein deutliches Stadt-Land-Gefälle – im Durchschnitt liegt der Unterschied bei elf Prozentpunkten.

Der Umgang mit häuslicher Gewalt ist aber nicht nur weit verbreitet, sondern wird zum Teil von den Frauen selbst für normal gehalten. Im ländlichen Äthiopien oder Bangladesch finden es fast 80 Prozent der Frauen gerechtfertigt, wenn untreue Frauen von ihren Männern geschlagen werden.

Die Ursache für die hohe Gewaltbereitschaft sehen die AutorInnen der Studie hauptsächlich in der mangelnden Gleichberechtigung der Geschlechter. Gewalt gegen Frauen werde damit sowohl Ursache als auch Folge dieser fehlenden Gleichberechtigung, hießt es in der WHO-Studie.

Gewalt gegen Frauen ist ein soziales Problem, das zusätzlich zu einem gesundheitlichen wird. Der Bericht zeigt, dass die gesundheitlichen Folgen über die in unmittelbarem Zusammenhang stehenden körperlichen Schäden hinausgehen. Misshandelte Frauen leiden vermehrt an Fehlgeburten, Schwindelanfällen, Schmerzen und psychischen Krankheiten. Opfer von häuslicher Gewalt haben damit ein dreimal höheres Gesundheitsrisiko.

Zum weltweiten Tag gegen Gewalt an Frauen tritt auch das Frauenrechtsprotokoll der Afrikanischen Charta der Rechte von Menschen und Völkern in Kraft. Dieses „Maputo-Protokoll“ basiert auf der Konvention zur Beseitigung jeglicher Diskriminierung der Frau (CEDAW) und der auf der Weltfrauenkonferenz 1995 verabschiedeten Pekinger Aktionsplattform. Die Afrikanische Union nahm das Frauenrechtsprotokoll bereits im Juli 2003 an.

In Folge der Ratifizierung des Protokolls durch Togo, den 15. afrikanischen Staat, tritt Maputo jetzt in Kraft. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, Frauendiskriminierung zu beseitigen, internationale Frauenrechte einzuhalten – und darüber hinaus Frauen vor traditionellen Praktiken wie der Genitalverstümmelung zu schützen. Zusätzlich sollen bürgerliche, politische, ökonomische, soziale und kulturelle Rechte von Frauen mit dem Abkommen gestärkt werden.

MIRJAM MEINHARDT