piwik no script img

die wahrheitFrisch, froh, frauenfrei

Selbst all diejenigen Exemplare des männlichen Geschlechts, die normalerweise eher wenig Notiz vom Treiben der Frauen nehmen, dürften inzwischen mitbekommen haben...

...dass sich bei weiblichen Wesen seit einiger Zeit die Verhaltensauffälligkeiten häufen. Plötzlich kommen sie ins Zimmer gestürmt, rufen: "Ist es schon 19.05 Uhr?!", setzen wie ein Geier zum Sturzflug auf die Fernbedienung an und sind für die nächsten vierzig Minuten nicht ansprechbar. Und das, obwohl es in dem folgenden Fernsehbeitrag hauptsächlich um die Lackierung von Kutschenrädern geht.

Seit Wochen, wenn nicht gar Monaten, spitzt sich die Lage zu. Wie eine Sonnenfinsternis wirft ein historisches Ereignis seinen langen Schatten voraus und lässt Frauen auf aller Welt am heutigen Freitag sogar kollektiv Urlaub nehmen. Ganze Betriebe und Büros werden heute so gut wie frauenfrei sein - fast so wie im Horrorszenario von Feministinnen und wie in den kühnsten Träumen der bayerischen CSU.

Männer hingegen reagierten zuletzt auf das bevorstehende, hier aus gutem Grund nicht näher erwähnte, weil allgegenwärtige Spektakel ablehnend, wenn nicht sogar allergisch. Im Grunde zu Unrecht, denn gerade für die Freiheit des Mannes ist das angebliche Ereignis ein Geschenk. Männer sollten dafür dankbar sein und es gezielt für sich nutzen. Mit ein bisschen Geschick und wenigen Requisiten kann man für sechs Stunden quasi wieder Junggeselle sein und sich all jenen Tätigkeiten hingeben, bei denen die Frau im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte normalerweise schon nach fünf Minuten vehement Einspruch erheben würde. Der heutige Freitag ist also geradezu ideal, um beispielsweise in der Garageneinfahrt das öltriefende Motorrad flottzumachen oder fröhlich mit stinkender Farbe zu hantieren oder einfach stundenlang ungestört vor dem Computer zu sitzen.

Zur Sicherheit sollte man sich am besten in der örtlichen Videothek schnell noch einen mannshohen Pappaufsteller besorgen, den man in zwei bis drei Meter Entfernung von der gebannt fernsehenden Frau aufstellt. Am besten beginnt man gleich nach dem Frühstück und bringt die Männerattrappe behutsam in Position. Während der Zeit zwischen neun Uhr morgens und fünfzehn Uhr nachmittags wird der Pappenheimer den echten Mann ausreichend ersetzen. Dass die Frau während dieser Zeit an Kommunikation mit Männern interessiert sein wird, ist sehr unwahrscheinlich. Aber Achtung: Um Punkt drei wird die Frau aus ihrer Starre erwachen und sich ihrer Umwelt wieder bewusst werden. Dann sollten alle miefigen Essenreste entsorgt, alle Werkzeuge verräumt, der Computer heruntergefahren und alle brasilianischen Liebhaberinnen wieder im Schrank verschwunden sein.

Perfekt wird die Tarnung, wenn man sich kurz vor Ende des Spektakels im Internet eine Kurzzusammenfassung ansieht und anschließend die Erhabenheit und Schönheit der Schlüsselmomente betont. Mit ein wenig Fantasie kann eine glückliche Beziehung ja so einfach sein.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!