Der Hass auf das Regime

IRANISCHE EXILGEMEINDE Vor dem iranischen Konsulat demonstrieren 250 Menschen gegen die islamische Republik. Ihre Forderungen sind radikal

Die Familie hofft, dass der Bruder im Gefängnis ist, denn das würde bedeuten, dass er lebt

„Marg bar jomhuriye eslami!“, rufen die Demonstranten vor dem Iranischen Generalkonsulat in Hamburg-Winterhude, „Tod der islamischen Republik!“ Während sich die iranische Exilgemeinde bei den Protesten im Sommer vor allem für Neuwahlen und Menschenrechte stark machte, sind die Forderungen mittlerweile radikaler geworden. Auch dem Religionsführer Chamenei wird in Sprechchören des Öfteren der Tod gewünscht.

Nach London beherbergt Hamburg die größte iranische Exilgemeinde. Mindestens 250 Demonstranten haben sich gestern vor dem Konsulat versammelt. Neben Schildern und Fahnen tragen sie fast alle grüne Schals. Vereinzelt sieht man auch Werder Bremen-Schals darunter. Auch aus Hannover und Kiel sind Demonstranten angereist.

„Das Blut wird siegen“, steht auf dem Schild, das Nora trägt. Vor zwei Monaten sei ihr Cousin im Iran verschwunden. Er sei morgens zur Arbeit gefahren und abends nicht wieder heimgekehrt, sagt sie. Ihre Familie hoffe, dass er im Gefängnis ist, denn das würde bedeuten, dass er noch am Leben ist.

Davoud trägt ein Megafon, mit dem er den Demonstranten Sprechchöre vorsingt. „Wenn ich abends alleine vor dem Computer sitze und mir die Filme auf YouTube angucke“, sagt er, „muss ich mir immer die Tränen zurückhalten. Jeder dort könnte mein Bruder sein.“ Davouds Bruder lebt noch im Iran und ist Teil der dortigen Oppositionsbewegung. Während der Ausschreitungen im Sommer organisierte Davoud mit einigen Kommilitonen an der Hamburger Universität die hiesige Protestbewegung.

Aus den eher spontanen Zusammenkünften ging die Gruppe „22 Khordad“ hervor, die seitdem die Demonstrationen in Norddeutschland koordiniert. Kurze Zeit später sei sein Onkel im Iran von der Geheimpolizei aufgesucht worden, berichtet Davoud. „Die Beamten haben ihm gedroht. Wenn ich weiter in Deutschland aktiv sei, würden sie meiner Familie etwas antun, drohten sie.“ Jetzt habe er zwar unglaubliche Angst, erzählt Davoud weiter, aber angesichts der Bilder und Berichte, die ihn aus dem Iran erreichen, könne er einfach nicht aufhören, sich weiter gegen das Regime stark zu machen.

Gegen das Regime stark machen will sich auch Davoud Farzinfar, 67. Aus patriotischen Gründen wie er sagt. Der Geschäftsmann hat schon einmal eine Revolution erlebt. Das war 1979 und damals war er Oberleutnant der Polizei des Schahs. Als die islamische Republik ausgerufen wurde, musste er schnell das Land verlassen. Neben ihm steht Reza. „Ja man könne schon irgendwie sagen, dass wir jetzt befreundet sind“, sagt er. Auch Reza hat die Revolution 1979 mitbekommen, allerdings auf anderer Seite. Der Marxist kämpfte damals im Iran für eine Revolution, die es dann letztendlich nicht geworden ist. Nach der Machtübernahme Chomeinis musste er ebenfalls das Land verlassen. Heute ist er Ingenieur bei Airbus.

„Was uns verbindet ist nicht nur der gemeinsame Hass auf das Regime“, sagt Reza, „sondern vor allem die gemeinsame Hoffnung auf eine funktionierende Demokratie mit freien Wahlen.“ Ob dann links oder rechts gewählt werde, sei ihm erst einmal egal. JOHANN TISCHEWSKI