Grenzkontrollen vor Wiedereinführung: Dänen nicht ganz dicht

Die dänischen Rechtspopulisten wollen die Grenzen wieder rund um die Uhr überwachen lassen - um "osteuropäische Banden" abzuwehren. Die Regierung signalisiert Entgegenkommen, bald sind Wahlen.

Könnte bald zum vertrauten Bild werden: Dänische Polizisten kontrollieren. Bild: Michael Staudt

STOCKHOLM taz | Die routinemäßigen Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze könnten bald wieder eingeführt werden. Wenn es nach Pia Kjærsgaard, der Vorsitzenden der "Dänischen Volkspartei" geht, am liebsten "schon morgen".

Zur Begründung ihres Vorstoßes beziehen sich die dänischen Rechtspopulisten nicht auf aktuelle Flüchtlingsbewegungen aus Nordafrika - diese Flüchtlinge kommen normalerweise nicht nach Dänemark -, sondern auf eine angeblich steigende Kriminalität. "Eine Wiedereinführung der Grenzkontrollen ist ganz einfach notwendig", erklärte Kjærsgaard: "Es gibt da viel zu viel Kriminalität, viel zu viel osteuropäische Banden, viel zu viel Schwindel und Betrügereien."

Um den Ernst ihrer Forderung klar zu machen, hat die Dänische Volkspartei das Thema höher gehängt: Nur wenn Grenzkontrollen kämen, werde sie der langfristigen Haushaltsplanung der rechtsliberal-konservativen Regierung unter Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen zustimmen. Auch ihre Unterstützung der von Rasmussen angestrebten Reform der vorzeitigen Ruhestandsregelungen macht die Volkspartei vom Grenzkontroll-Thema abhängig.

Das Schengen-Abkommen wurde 1990 unterzeichnet und trat 1995 in Kraft. Danach besteht für BürgerInnen innerhalb des Schengenraums Passfreiheit.

Nur über eine Ausnahmeregel ist Dänemark 2001 dem Abkommen beigetreten. Es gilt hier nicht als Teil des EU-Gemeinschaftsrechts, sondern auf völkerrechtlicher Basis.

Grund: Nach einer gescheiterten Volksabstimmung zum Maastricht-Abkommen von 1992 hatte sich Kopenhagen Vorbehalte unter anderem bei der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit innerhalb der Gemeinschaft ausgehandelt.

Die "dänische Volkspartei" hatte ursprünglich ein Zurück zu den Personenkontrollen der Vor-Schengenzeit ins Gespräch gebracht, diese Forderung dann aber fallengelassen.

Rasmussen steht einer Minderheitsregierung vor, die sich regelmäßig auf die Stimmen der Dänischen Volkspartei stützt. Nach Verhandlungen am Wochenende kündigte Justizminister Lars Barfoed an, dass man den Forderungen entgegen kommen werde: "Wir sind auf einem guten Weg. Ich denke, wir werden eine Lösung finden."

Die dürfte so aussehen, dass Kopenhagen die Schengen-Zusammenarbeit nicht formal aufkündigt, aber die nur ausnahmsweise eingeräumte Möglichkeit zu Grenzkontrollen in der Praxis sehr extensiv auslegt. "Wir hätten ja kein Problem damit, Schengen einfach aufzukündigen", erklärte Kjærsgaard, deren Partei der dänischen EU-Mitgliedschaft grundsätzlich kritisch gegenübersteht: "Aber nachdem die Regierung mit einem solchen Schritt ja Probleme zu haben scheint, glaube ich, wir können das auch innerhalb von Schengen lösen."

Peter Skaarup, rechtspolitischer Sprecher der Dänischen Volkspartei, wurde konkreter: "Wir stellen uns vor, dass wieder 24 Stunden am Tag Zöllner an der Grenze stehen und alle Fahrzeuge herauswinken, die ihnen irgendwie verdächtig vorkommen." Derzeit sind die meisten Grenzübergange nur sporadisch besetzt. Umsonst wäre eine solche personelle Aufstockung beim Zoll nicht zu haben, aber die umgerechnet rund 40 Millionen Euro jährlich wären nach Meinung von Skaarup eine lohnende Investition.

Spätestens im November müssen in Dänemark Parlamentswahlen stattfinden. Und schon seit Tagen halten sich in Kopenhagen hartnäckig Gerüchte, wonach die Auflösung des Parlaments und die Bekanntgabe eines Wahltermins durch Ministerpräsident Rasmussen unmittelbar bevorstehen. Aktuelle Meinungsumfragen zeigen eine Pattsituation zwischen den jetzigen Regierungsparteien und der Linksopposition. Ein solcher Wahlausgang würde der Dänischen Volkspartei wieder die begehrte Rolle als Zünglein an der Waage einräumen.

Der Partei wird deshalb von links auch vorgeworfen, dass Thema der offenen Grenzen und der wachsenden Kriminalität vorwiegend aus wahltaktischen Erwägungen aufgegriffen zu haben. "Reine Symbolpolitik" sei dieser Vorstoß, meint Emilie Turunen, Europaabgeordnete der Linkssozialisten: "Solche stichartigen Kontrollen lassen sich bereits jetzt machen."

Turunen dreht den Spieß um: Wenn Dänemark wirklich etwas gegen grenzüberschreitende Kriminalität tun wollte, müsse es seine Vorbehalte gegenüber der im Maastricht-Abkommen vereinbarten polizeilichen Zusammenarbeit aufgeben: "Denn die sind ein Hindernis für eine effektivere internationale Polizeizusammenarbeit." Mehr Grenzkontrollen würden der dänischen Polizei da überhaupt nicht weiterhelfen.

Vor allem wären sie auch recht wirkungslos, wenn die übrigen skandinavischen Schengen-Mitglieder nicht dem dänischen Beispiel folgen und ebenfalls die Grenzkontrollen verschärfen würden. Denn dann gäbe eine weit offene Hintertür: Seit 1958 besteht die Nordische Passunion. Damals wurden die Grenzkontrollen an den inneren Grenzen zwischen Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland abgeschafft.

Wer keine dänische Grenzkontrolle riskieren will, könnte deshalb ganz einfach den Umweg über die Schwedenfähren und die Öresundbrücke nach Dänemark nehmen.

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