Kolumne Geräusche: Eine Lanze fürs Geknatter

Motorräder fahren wieder und sind dabei leider leiser, als man denkt.

Von außen sieht man's ihr auf den ersten Blick nicht an, aber die taz ist im Grunde genommen nichts anderes als eine Verwahranstalt für fanatische Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer. Hier können Radler morgens ihre Gefährte in einem wie von Santiago Calatrava entworfenen Kristallpalast abstellen, der rund um die Uhr von einem bewaffneten Sicherheitsdienst überwacht wird.

Manche Redakteure nehmen ihr Rad auch mit in die Redaktion, wo sie es neben ihrem Schreibtisch anleinen wie einen kostbaren Hund. Kindersitze zeigen zuverlässig den aktuellen Familienstand an. An der taz-Kaffeemaschine plauschen taz-Kollegen über das neue taz-Rad im taz-Shop. Ein Idyll, ein harmloses Tänzchen ums Blecherne Kalb. Es gibt keine Rennräder, keine Fixies, keine BMX-, Bonanza-, Klapp- oder Liegeräder. Nur so normale Fahrradfahrräder halt.

Die wenigen Autofahrerinnen und Autofahrer hier stellen ihre "Stinker" (taz-Jargon) dagegen verschämt ein paar Blocks entfernt ab. Als Motorradfahrer ist man in diesem ökologisch-jakobinischen taz-Milieu automatisch eine groteske Gestalt.

Ebenso gut könnte ich mit einem Kohlekraftwerk im Rucksack herumlaufen, auf dem ein "Atomkraft? Hey, warum eigentlich nicht?"-Sticker prangt, mit Pumpgun und einer Darth-Vader-Maske auf dem Kopf, zwei gekreuzten Patronengürteln über der nackten Brust, in kurzen Combat-Hosen und mit Springerstiefeln mit weißen Schnürsenkeln.

Es ist schon ein paar Jahre her, da lauerte mir beim angemessen unterwürfigen Abparken meines Mopeds in einem besonders dunklen Winkel des schäbigen Hinterhofs ein fahrradbewegter taz-Kollege auf, um mich mit scharfen Worten zur Rede zu stellen: "So, so, dir gehört also dieser Stinker, der so viel Krach macht!"

Dabei hatte ich in typisch testosteronbedingter Verblendung die Abgase meiner Maschine immer für ein maskulines Parfüm gehalten, dem Moschus vergleichbar, und ihre mechanische Geräuschentwicklung für pure Musik. Womit wir endlich beim Thema wären: Es ist Frühling, und "sie" fahren wieder, worüber alle anderen die Nase rümpfen, weil "sie", die "Irren", so aggressiv und laut unterwegs wären. Ich sage: Motorräder sind nicht laut genug.

Moderne Mopeds winseln, säuseln und schnurren nur noch. Ein Bobby Car auf Parkett ist lauter als eine Harley, ein klapperndes Fahrrad auf Kopfsteinpflaster lärmender als eine Ducati. Neuerdings müssen Automobile tagsüber mit eingeschalteten Scheinwerfern herumfahren.

Bisher galt diese Regel sinnvollerweise nur für Motorräder, die damit einen Tick sichtbarer wurden, als sie es mit ihrer schmalen Silhouette sonst sind. Jetzt leuchten also auch die Autos. Das greift zu kurz. Ich schlage vor, dass mit Anlassen eines Automobils auch die Hupe angehen und die Fahrt über anbleiben muss. Damit man es auch besser hören kann.

Text: "I rode on the back of your bike all the way to Lake Geneva / I let you wear the helmet even though you never offered anyway/ Even in the rain" (Fiery Furnaces) Musik: Das dezente Ticken eines abkühlenden Motors

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