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Bedrohte Art StrandbarKein Ballermann

Die alternativen Strandbars sind ein Aushängeschild der Stadt. Wegen kurzfristiger Verträge ist ihr Fortbestand jedes Jahr aufs Neue bedroht.

Berlin lebt mit dem Rücken zum Fluss? Das war mal. Bild: dpa

Die Strandbars starten durch. "Der Sommer in Berlin ist keine Jahreszeit, sondern ein Lebensgefühl", sagt Burkhard Kieker, Tourismus-Chef von Berlin. Zusammen mit dem Sprecher der Clubkommission, Lutz Leichsenring, der 120 Berliner Clubs vertritt, präsentierte Kieker am Freitag die Events der neuen Saison. Dass die Pressekonferenz im leichtranzigen Club der Visionäre am Flutgraben in Kreuzberg stattfand, war kein Zufall: Nicht Schickimicki-Bars wie der Bundespressestrand machen Berlin so attraktiv, sondern Clubs wie der Freischwimmer, Kiki Blofeld, die Maria oder das Yaam. Strandbars also, die vor vielen Jahren in Nischen an der Spree entstanden sind. Das Problem ist nur: Bei vielen ist der Fortbestand bedroht.

Die Bar 25 wurde im Herbst 2010 geschlossen, weil der Untergrund wegen Altlasten sanierungsbedürftig war. Demnächst soll auf dem Areal im Rahmen des Investorenprojekts Mediaspree ein Bürohochhaus gebaut werden. Kiki Blofeld soll das Areal auf der Köpenicker Straße 48/49 am 10. Oktober räumen. Auf diesen Zeitpunkt habe man sich außergerichtlich geeinigt, teilte Christian Schöning, Architekt des Büros Die Zusammenarbeiter, mit, das auf den Grundstücken Wohnungen bauen will. Die Blofeld-Betreiber waren am Freitag für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Lutz Leichsenring von der Clubkommission widersprach Schönings Darstellung: "Nach meinem Verständnis kann von einer Einigung keine Rede sein."

Aber nicht nur die Investoren erschweren den Clubs das Leben. Eigentlich wollte in der Köpenicker Straße 50 neben Kiki Blofeld längst eine neue Bar aufgemacht haben: das Kater Holzig. Mitbetreiber Christoph Klenzendorf gehörte früher zum Team der Bar 25. Um jede Kleinigkeit müsse man beim Bezirksamt Mitte kämpfen, klagte er. Die Sachbearbeiter hätten zu viel Macht und Entscheidungsbefugnis. "Ein Anwohner, der sich in seiner Nachtruhe gestört fühlt, reicht aus, um ein Projekt zu stürzen."

Der Club Maria hat nur noch einen Vertrag für ein halbes Jahr. Besser geht es dem Yaam. "Wir haben dieses Jahr Sicherheit, vielleicht auch noch länger", so Betreiber Ortwin Rau. Das Glück des Yaam sei, dass das Grundstück zu Kreuzberg gehöre.

Hart ins Gericht gingen die Clubbetreiber und Tourismuschef Kieker mit den Tourismuskritikern. "Einen Ballermann-Tourismus habe ich hier noch nicht entdeckt", sagte Kieker. Er könne verstehen, dass Ansammlungen von 200 Leuten auf der Admiralbrücke oder dass Club-Besucher in Hauseingänge urinierten, für Anwohner ein Ärgernis seien. "Aber das sind Dinge fürs Ordnungsamt und nicht für eine Grundsatzdiskussion." Ein deutlicher Wink an die Grünen wegen der von ihnen vom Zaun gebrochenen Touri-Debatte in Kreuzberg. "Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit können wir hier überhaupt nicht brauchen", sagte Kieker.

Clubsprecher Leichsenring ist überzeugt, dass sich das Verhältnis der Anwohner zu den Partygästen bessern ließe, wenn die Clubs längerfristige Nutzungsverträge bekämen. Als positives Beispiel nannte er das Lido in der Cuvrystraße. Dessen Betreiber würden nach einer Party auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite das Leergut zusammenfegen. Der Nachteil saisonaler Verträge sei, dass viele Clubs nicht mal einen Briefkasten an der Tür hätten: "Die Anwohner wissen überhaupt nicht, an wen sie sich mit ihrer Beschwerde wenden sollen."

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7 Kommentare

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  • I
    intolerant

    Dieses Toleranzgequatsche hängt mir zum Hals raus: Intoleranz generiert Intoleranz: eine intolerante, rücksichtslose Clubpolitik (z.B.Lärm, Türpolitik, Müll) generiert intolerante Nachbarn usw.

    Wer die Vorteile der Zwischennutzung mit der Sicherheit von Langzeitverträgen vereinbaren will, hat das wesentliche verpaßt. Bei vielen Clubbetreibern und Strandbars geht es längst nicht mehr um ein Lebensgefühl, sondern um viel Geld.

  • W
    WTF

    Wann begreift die hippe "Öffentlichkeit" endlich, daß es überhaupt keine Strandbars gibt?

    Ein Strand eröffnet die Möglichkeit ins Wasser zu gehen und genau deshalb entfernten die ersten Hausbesetzerkneipen, die sich Anfang 80 Sand reingekippt hatten, den auch schnell wieder: Das war zu arty-farty und immer wieder den Sand von die Füsse pissen, nee, neee...

    Das ist wie mit den "Locations": wenn da kein Film gedreht wird, sind's keine.

    Ansonsten: Superalternative Getränkepreise und Schrottmusik inklusive Türsteherromantik. Igit, Berlin gehört komplett abgerissen! Fangen wir an mit dem "Potsdamerplatz", der gehört eh - wie der Name schon sagt - nach Potsdam.

    Meine Kumpeline entsorgt in dem Sand übrigens immer ihre Hundescheisse, damit die Flaschensammler nicht reingreifen. Also, es gibt sie noch, die schlauen Berliner...

  • I
    idrian

    Die werten Herren Betreiber der hier angesprochenen Strandbars hauen sich die Taschen voll bis zum geht nicht mehr und fangen an zu zetern, wenn ihnen jemand ihren unglaublichen Gewinn verleiden will. Die Bar25 war mit den dort aufgerufenen Preisen eine wahre Gelddruckmaschine, und der Freischwimmer, der wohl zu den am regidesten geführten Gastro-Unternehmen der Stadt zählen dürfte, ist es noch immer: Ein wahrer Segen für den Betreiber, der allein durch die Lage am Wasser mit quasi null Service Monsterpreise aufrufen kann. Darum bitte:

    Hört doch endlich auf, diese egoistischen Geldsäcke, Alkoholdealer allesamt, als wertvollen Bestandteil der Berliner Soziokultur darzustellen!!!

    Es gibt 'Freiräume' in dieser Stadt, aber das sind gewiß nicht die Strandbars! Denn die sind findiges hochkommerzielles Gastronomiegewerbe unter dem Deckmantel der Soziokultur: Denn wo erstmal sozikultur draufsteht, kann man am Service sparen und trotzdem fette Preise aufrufen...

  • P
    P.U.Baer

    Die Beschwerden (und Schlafstörungs-Belastungen) der Anwohner aller gastronomischen Einrichtungen wären wohl deutlich geringer, wenn sich möglichst alle Gäste auf dem Heimweg ruhig und zivilisiert verhielten: Keine lauten Verabschiedungen und Gesänge, Autotüren leise zumachen, leise losfahren (keine laute Musik, Motor nicht hochjagen), den eigenen Müll mitnehmen etc.

    Das ist durchaus möglich.

    Ich gehe gerne aus und habe lange über einer Kneipe gewohnt. Wenn einem jeden Abend durch rücksichtslose Idioten der Nachtschlaf geraubt wird, wachsen Zermürbung und Wut. Wer also weiterhin in schicken Orten ausgehen will, soll von dort schlicht möglichst ruhig nach Hause gehen, um diese Orte zu bewahren. Oder feiert einfach jede Nacht laut zuhause und schaut mal wie die Nachbarn reagieren.

  • S
    svenski

    Sommerclubs, Strandbars, wie auch immer, sind eigentlich win-win-win Situationen: Ein Brachgrundstück, meist in toller Lage, wir für eine Zeitlang einer (durchaus eingeschränkten) Öffentlichkeit zugänglich, die für eine reguläre Nutzung idR niemals Marktpreise zahlen könnte. Ein Stück Stadt liegt eben nicht aus Profitinteresse brach. Und ein kleiner Kreis initiativer Menschen kann in kurzer Zeit exorbitante Umsätze bei geringem Risiko erzielen, meist also auch hohe Gewinne.

     

    Würde diese temporäre Zwischennutzung zur regulären Hauptnutzung der jeweiligen Grunstücke - und auf nichts anderes läuft der Ruf nach mehr Kontinuität und Planungssicherheit für die Bars und Clubs hinaus - dann müssten für die Nutzung der Flächen Marktpreise gezahlt werden, und das gesamte Modell bräche in sich zusammen.

     

    Die Zwischennutzer leben von ihrer Prekarität, Berlin lebt seit den 90ern von den wechselnden, instabilen, sich immer neu erfindenden Venues. Das war und ist ein ständiges Neuausloten der Grenzen solcher Modelle, würde sich das stabilisieren dann hieße das zwar kurzfristig mehr Planungssicherheit für einige der involvierten Unternehmer, mittelfristig aber den Tod einer anstrengenden, aber geilen Idee.

     

    Die vollständige Kommerzialisierung und der Einstieg wirklich finanzkräftiger Investoren in diese (bisherige) Nische wären vorprogrammiert, und die jetzigen Akteure würden sich bald die Augen reben, wohin ihre aktuelle Forderung dann geführt hätte.

  • L
    leiderLidoAnwohner

    Also über das was Herr Clubsprecher Leichsenring da verzapft könnte man ja lachen wenn es nicht so traurig wäre. Der Herr Clubsprecher kann mal gerne an den Pisslachen in den Hauseingängen schnuppern und den Partymüll von der Cuvrystr./Schlesische Str. bis zur Cuvrystr./Wrangelstr. einzeln aufsammeln anstatt große Sprüche klopfen.

  • EA
    Enzo Aduro

    Äh ja. Und? Zwischennutzung ist zwischennutzung. Wenn das nicht mehr toleriert wird dann wird das Modell ganz scheitern. Und das ist doch schade.