piwik no script img

Innovative EnergiegewinnungSauberer Strom, ganz schnell

Windräder in Hochspannungsleitungsmasten, Solarpaneele auf Mülldeponien: Mit diesen Ideen wollen Wissenschaftler die deutsche Stromversorgung revolutionieren.

Warum nur Leitungen halten? Strommasten zur Energiegewinnung nutzen. Bild: ap

BERLIN taz | Eine originelle Variante des Atomausstiegs hat der deutsche Ableger der Zeri-Foundation am Freitagnachmittag in Berlin vorgelegt: Mit drei hocheffektiven Techniken für erneuerbare Energien könnte Deutschland sich subventionsfrei aus der Atomkraft verabschieden - theoretisch innerhalb von nur drei bis fünf Jahren. Ideengeber dafür ist der belgische Professor Gunter Pauli, Gründer der Stiftung Zero Emissions Research and Initiatives (Zeri), der ein weltweites Netzwerk innovativer Wissenschaftler gegründet hat.

Die "Green Economy" sei zu teuer und die Regierungen pleite, führte er auf dem Pressegespräch aus. Die "Blue Economy", die die vor Ort verfügbaren Ressourcen nutzen will, aber könne die Grundbedürfnisse aller ohne Subventionen befriedigen. Mit innovativer Energiegewinnung sei es in Deutschland möglich, AKWs in einer Größenordnung von 15 Gigawatt zu ersetzen und dabei pro Jahr rund 5 Milliarden Euro zu verdienen.

Das hört sich nach Fantasterei an, aber alle drei Techniken sind laut Zeri bereits erprobt und liefern Renditen von 20 bis 35 Prozent. Die erste Innovation sind Vertikal-Windturbinen der französischen Firma "Wind-It", die im Inneren bestehender Hochspannungsleitungsmasten installiert werden.

Sie werden von "Urban Green Energy" in New York für Mobilfunkstationen genutzt und kommen demnächst auf Bhutans Strommasten zum Einsatz, dessen Regierung sich mithilfe von "Blue Economy" in wenigen Jahren energieautark machen möchte.

Vervierfachte Sonnenausbeute

Die zweite Innovation sind doppelseitige Fotovoltaik-Paneele der Firma "Solarus", die im sonnenarmen Schweden mittels einer optischen Oberfläche die Sonnenausbeute mehr als vervierfachen.

Die dritte ist ein Generator, der aus Klärschlamm von städtischen Kläranlagen und organischem Müll von Deponien Biogas und Dünger gewinnt. Scandinavian Biogas produziert so in Südkorea nahe Pusan jährlich 12 Millionen Kubikmeter Gas. Am 21. Mai will sich Pauli mit 50 japanischen Politikern treffen, die an dem Konzept sehr interessiert seien, um die gegenwärtigen Stromausfälle schnell zu überbrücken.

Für Deutschland lautet die Rechnung der Zeri-Foundation: 4.000 Hektar Solarpaneele auf alten Mülldeponien könnten jährlich 5 Gigawatt Strom und über 7 Gigawatt Wärme erzeugen. Windturbinen auf einem Drittel der 150.000 deutschen Hochspannungsmasten könnten bis zu 5 Gigawatt generieren.

Und Biogas-Generatoren in 500 von 9.500 Kläranlagen könnten ebenfalls 5 Gigawatt erzeugen. Die Produktionskosten lägen insgesamt bei weniger als 2 Cent pro Kilowattstunde und wären 3,6 Cent billiger als der jetzige Atomstrom für 5,6 Cent.

Der Naturwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker, wie Pauli Mitglied des Club of Rome, äußerte sich im Pressegespräch "begeistert" von den Ideen. Aber der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete prophezeite auch ein mögliches Scheitern am deutschen Amtsschimmel: "Die werden sagen, ein Strommast ist keine Windanlage, das ist nicht genehmigungsfähig."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • RG
    Robert Großkopf

    Leider wurden gerade die Maße nicht sauber aus der englischen Vorlage übertragen. So steht dort etwas von jeweils 20 Hektar Paneele auf 200 Deponien.

    Die entsprechenden Quellen sind übrigens sehr wohl im Netz zu finden - werden nur nicht so marktschreierisch angeboten, wie es der Normaluser gewohnt ist.

    Hier nur einmal der über http://zeri.org/ZERI/Home.html zugängliche Link auf die entsprechende Erläuterung

    http://www.community.blueeconomy.de/m/articles/view/Solarenergie-Teil-1-Der-Markt und von dort dann weiter zu der Firma http://www.solarus.se/hybrid.html .

  • DV
    Dedo v. Krosigk

    Ein auf den ersten Blick höchst spannender Artikel. Auf den zweiten Blick machen einige Details bereits skeptisch, so werden auf einem m² Fläche bei höchstem Sonnenstand im Sommer etwa 1 kW Sonnenenergie eingestrahlt, auf 20 Hektar = 200.000 m² macht das (bei lückenlose Aufstellung) nach Adam Riese 200.000 kW = 200 MW = 0,2 GW. Wie sollen daraus 5 GW Strom und 7 GW Wärme werden? Beim weiteren Recherchieren auf der Website von Zeri (hätte ich eigentlich von der taz erwartet) löst sich leider so ziemlich alles in Luft auf. Zumindest die drei im Artikel vorgestellten Tecniken sind nicht technisch nachvollziehbar dargestellt, geschweige denn mit Quellenangaben versehen. Eine Google-Recherche nach den genannten Projekten bzw. Firmen fördert nichts brauchbares zutage. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Ernst Ulrich v. Weizsäcker tatsächlich "begeistert" von den Ideen war, es sei denn, dass diese Reaktion komplett aus dem Zusammenhang (einer Lösung der Energieprobleme in Deutschland) gerissen ist.

    Solche Artikel schaden der dringend notwenigen, seriösen Diskussion über die Energiewende - und dem Ansehen der taz als Ernst zu nehmende Zeitung. Der Atomausstieg und die Energiewende sind möglich, auch mit Windkraft, Sonnenenergie und Biogas bzw. Klärgas, aber nicht mit den von Zeri präsentierten "Innovativen" Techniken und zu so günstigen Preisen. Auch wenn die Zahlen der Atomwirtschaft über die zu erwartenden Strompreissteigerungen durch den Atomausstieg sicher übertrieben sind, bis Strom-Produktionskosten von unter 2 Cent pro Kilowattstunde mit regenerativen Energien erreichbar sind, wird noch seeeeeehr viel Zeit vergehen, falls das überhaupt je möglich wird - was aber auch nicht gar nötig ist. Mittelfristig erreichbare Konkurrenzfähigkeit zu fossilen Energien reicht völlig aus.

    Noch einmal: die Energiewende ist nötig, möglich und finanzierbar, aber solche Artikel wecken Erwartungen (lauter kleine feine unsichtbare Anlagen, die gleichzeitig Gelddruckmaschinen sind), die nicht einzuhalten sind. Bitte lasst künftig doch wieder Autoren (z.B. Bernward Janzing) an solche Themen, die auch etwas davon verstehen!

  • B
    b.w.

    Erwähnte Windräder an hohen Strommasten wären dann endlich ein Grund, diese Dinger nicht abzureißen und durch unterirdische Kabel zu ersetzen.

     

    Die erwähnten PV Module mit mehr als 4facher Wirkung finde ich sehr erfolgversprechend. Hier ist eine weitere Idee, bei der diese vermutlich sehr gut verwendbar wären: http://www.utopia.de/gruppen/aktionen-und-petitionen-357/diskussion/aktion-fuer-80-mio-ma-solar-bojen-auf-dem-195131

     

    Zu einigen 'Vorrednern': Ich lese im Artikel nicht, dass besagte Innovationen ALLEIN die Energiewende bewerkstelligen, sondern dass sie diese beschleunigen können. Ein detailliertes Konzept für einen Atomausstieg schon 2015 bei gleichzeitiger Einhaltung der Klimaschutzziele wurde n.b. neulich in einer neuen Studie von Greenpeace vorgestellt.

  • SK
    Stefan Krüger

    Leider ist der Artikel auch für mich enttäuschend! Auch ich sehne mir die Zeit von 100%-Erneuerbar herbei. Abgesehen von den verschiedenen sprachlichen und technischen Ungenauigkeiten, die meine Vorredner schon angebracht haben, möchte ich drei Aspekte beleuchten:

     

    - das größte schnellverfügbare Kraftewerk Deutschlands (und weltweit), das auch unbedingt Grundlastfähig ist, ist die ENERGIE-EINSPARUNG!!!

     

    - das wichtigste Projekt im Zusammenhang mit der Bereitstellung von elektrischer Energie ist die Speicherung, denn Energie gibt es im Prinzip genug, nur nicht am richtigen Ort und zur richtigen Zeit.

     

    - bei einem solchen Artikel wünsche ich mir MINDESTENS eine saubere Quellenangabe, damit ich qualifiziert weiterdenken kann. Z.B. zum Thema "Wind-It" kann ich im Google außer Blödsinn nix finden.

     

    Das Thema ist zu ernst für die journalistische Spielewiese. Bitte arbeitet hier ernsthaft und seriös!

  • SW
    Simon Winiger

    Grenzt an Fehlinformation! Ein paar Korrekturen und realistischere Zahlen hier:

     

    1. Im Vergleich zum aktuellen Ausbau der erneuerbaren Energien sind die genannten Zahlen hier (leider nicht) "die Rettung" - sondern allenfalls ein nettes Beibrot:

     

    Hier die im Jahr 2010 hinzugekommene Kraftwerksleistung und die Gesamtleistung Ende 2010:

     

    Wind: + 1,5 GW -> 27 GW

    Solar: + 7,4 GW -> 17 GW

    Biomasse: + 0,4 GW -> 5 GW

    Wasser + 0,02GW -> 5 GW

     

    Quelle: http://www.erneuerbare-energien.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/ee_in_zahlen_2010_bf.pdf

     

    -> Vergleicht man die im Artikel genannten Zahlen (5GW Mülldeponie-Solar, 5GW Strommasten-Wind, 5 GW Müll-Biogas), erkennt man, dass von den Zahlen her alleine die Biogas-Variante wirklich interessant ist.

     

    2.. Mit 15 GW Solar- und Windleistung lassen sich leider keine 15 GW Atomstrom ersetzen. Der Grund? GW = Leistung. Damit wird die maximale Leistung eines Kraftwerkes genannt. Doch gerade Sonne und Wind sind ja nicht stetig verfügbar. Ein Anhaltspunkt, wie viel Energie mit einem GW installierter Leistung jährlich erzeugt werden kann, sind die sogenannten Volllaststunden: 8760 Volllaststunden hieße, das Kraftwerk würde das ganze Jahr mit seiner vollen Leistung durchpowern.

     

    Ein paar Werte: ( u.a. von http://de.wikipedia.org/wiki/Volllaststunde)

     

    Solarstrom: ca. 900 - 1000 h

    Wind: ca. 1500 h

     

    Wasser: 3500 h

    Biomasse: 5000 h

     

    Atom : 7700 h

    Braunkohle: 6600 h

     

    Ihr merkt: Atom und Braunkohle laufen fast immer mit Maximalleistung, Solar und Wind naturgemäß kaum. Bei Wasser und Biomasse siehts auch ganz gut aus.

    Wendet man nun den Dreisatz an, weiß man: Um die jährliche Energiemenge von 1 GW Atomkraftwerksleistung zu ersetzen, braucht es rund 8 GW Solar oder 5 GW Wind. Plus jede Menge Speicher.

     

    Versteht mich nicht falsch: ich bin Ingenieur der Erneuerbaren Energien und unbedingt an einem Ausbau der erneuerbaren interessiert. Aber so einfach wie hier in dem Artikel dargestellt geht es leider nicht! Wir brauchen noch jede Menge mehr Leistung, und vorallem besser ausgebaute Stromnetze und Speichertechnologien. Die Leistung wird gerade installiert (siehe Ausbauzahlen), bei Netz und Speicher siehts ein wenig kritischer aus.

     

    ===>

    Durch die falsche Darstellung der Informationen schadet dieser Artikel eher den erneuerbaren Energien. Was das mit der "Blue Economy" soll, ist mir schleierhaft. "Die große Wirtschaft ist böse - nur wir sind die guten"?? Um die Welt wirklich zu retten brauchen wir aber nunmal die Wirtschaft im großen Maße! Klar lässt sich darüber diskutieren, ob Projekte, um wirtschaftlich zu sein, deutlich über 10 % Rendite abwerfen müssen - aber so tickt leider die Wirtschaft gerade. Und zum Thema teuer uns Subventionen: Das ist schon bald Geschichte: In nur 2-3 Jahren wird Solarstom so billig sein, dass er günstiger ist als der Strom aus der Steckdose - und das ohne Subventionen!

     

    Der hier geschriebene Artikel hat das Niveau von Bild. Auch ich zahl dafür nichts!

  • M
    MattF

    @Jan

     

    Das steht:"20 Hektar Solarpaneele auf alten Mülldeponien könnten jährlich 5 Gigawatt Strom und über 7 Gigawatt Wärme erzeugen."

     

    Und das ist eindeutig physikalischer Blödsinn.

  • D
    Dürre

    Mülldeponien sind bereits heute bevorzugte Gebiete, im Sinne des Erneuerbare Energien Gesetzes, für die Installation von Solarmodulen.

    Wärme wird leider auf Mülldeponien kaum gebraucht.

    Das Methan aus alten Mülldeponien wird heute ebenfalls häufig genutzt, indem es in BHKW verstromt wird.

    Biogas aus Kläranlagen kann man z.B. bei Hamburg Wasser, Kläranlage Köhlbrandhöft, besichtigen.

     

    Die so genannten 20 - 120 Gigawattstunden sind für eine Revolution der insgesamt ca. 600.000 Gigawattstunden Gesamtstrombedarf der Bundesrepublik, freundlich gesagt, ein Anfang.

     

    Günstige Horizontale Windanlagen wären äußerst erfreulich und für fast jedes Dach gut. Bisher sind die Preise so (unverständlich) hoch, dass selbst eine Amortisation gegen Privatkundenstrompreise nicht klappt. Kann nicht mal jemand soetwas unter GPL/Lizenzfrei für die Herstellung in Fablabs entwickeln?

  • V
    vic

    "ein mögliches Scheitern am deutschen Amtsschimmel"

    Das glaube ich gern. Denn die Reiter dieses Amtsschimmels sind vermutlich nicht interessiert.

  • W
    WiWi

    Oh man, liebe taz...

    Ich bin kein Experte auf dem Gebiet, aber da drängt sich eine Frage auf: Wenn man so günstiger und ohne Subventionen Strom erzeugen könnte als mit Atomstrom (oder anderen konventionellen Kraftwerken) warum in alles in der Welt sollten dann die gewinnmaximierenden Stromproduzenten der Welt diese Techniken anwenden?? Selbst wenn man für Dtl die Ausrede hat, das die Bürokratie dies alles verhindere, gibt es ja noch ein paar weitere Länder auf der Erde...

  • CR
    Christopher Robin

    Kann mich meinem Vorkommentator leider nur anschließen. Was sind die Solarstromhersteller nur für Schussels, dass sie trotz milliardenschwerer Subventionen keine "optischen Oberflächen" hinkriegen und damit ihre 25% Effizienz mal eben auf 100% vervierfachen...

     

    Und Windkraftwerke in Hochspannungsmasten: Leider ist die Windleistung proportional zur Fläche und proportional zur Windgeschwindigkeit hoch 3. Hat schon seinen Grund, warum Windräder immer größer, höher und an windstarken Standorten gebaut werden und nicht einfach in Hochspannungsmasten.

     

    Um nicht falsch verstanden zu werden: Natürlich macht auch Kleinvieh Mist und sicherlich sind Solarpaneele auf möglichst vielen Dächern eine gute Sache - andererseits kann man aber durchaus drüber nachdenken, warum der gute Herr Pauli ausschließlich in der taz, aber nicht in der seriösen Presse erwähnt wird.

  • J
    Jan

    @saubere Energie:

     

    Sie müssen einen anderen Artikel gelesen haben als ich. Es ist immer von Gigawatt die Rede, wenn es um die mögliche Stromleistung geht, die durch diese Techniken erzeugt werden kann. Allerdings wird einmal von Kiliwatt pro Stunde gesprochen und zwar in Bezug auf den Strompreis.

     

    Bezüglich der optischen Beschichtung von Solaranlagen habe ich bei Google einfach mal "Solarzelle optische Beschichtung" eingegeben und gleich die ersten Links verwiesen auf ein paar Publikationen, in denen anscheinend wirklich von optischer Beschichtung die Rede ist.

     

    Mir persönlich gefällt der Artikel. Man bekommt viel zu selten Informationen darüber, was für Alternativen und Möglichkeiten es bei der Stromerzeugung gibt.

  • SE
    sauberere Energie

    Bitte lassen Sie einen Autoren ran der zumindest Leistung von Arbeit unterscheiden kann und die GW's und GWh's nicht durcheinanderbringt.

    Selten so einen schlecht recherchierten Artikel gelesen, optische Beschichtung auf Solarpaneelen.....

    Dafür zahl ich nicht....