Schleswig-Holstein im Offshore-Geschäft: Mutterland der Windkraft besinnt sich
Besser spät als nie: Schleswig-Holstein will ins Geschäft mit Offshore-Windparks einsteigen. Häfen im Land kooperieren bei Bau und Versorgung. Neuer Schwerlasthafen am Nord-Ostsee-Kanal wartet auf Kunden.
HAMBURG taz | Schleswig-Holstein möchte von dem kommenden Geschäft mit der Offshore-Windkraft profitieren. "Wir befinden uns am Anfang einer gigantischen Industrialisierung", sagt Peter Singer, beim Kreis Pinneberg zuständig für die Hafenentwicklung auf Helgoland.
Die schleswig-holsteinischen Häfen haben eine Arbeitsteilung verabredet, die es ihnen erlauben soll, beim Bau und der Betreuung der Windparks vor Sylt und nordwestlich von Helgoland mitzumischen. Ein neuer Spezialhafen in Rendsburg ist bereits gebaut, ein zweiter könnte hinzukommen.
Die schleswig-holsteinischen Wirtschaftsförderer schauen ein wenig neidisch auf ihre Kollegen in Niedersachsen, die bereits voll in das Geschäft eingestiegen sind. Bremerhaven räumte einen Containerterminal frei, um Windkraftanlagen verschiffen zu können. Cuxhaven baute einen eigenen Verladehafen. Daneben spucken die hohen Hallen der Firma Bard Offshore riesige Dreibeinfundamente aus. Beim Nachbarbetrieb warten Turmsegmente auf den Abtransport.
Beim Aufbau von Windparks auf See fällt viel Arbeit auch an Land an.
Häfen: Hier werden Großkomponenten montiert und verladen, von hier aus wird das Personal der Offshore-Windparks versorgt, hier starten die Service-Techniker.
Werften: Sie können Errichterschiffe bauen, Wartungsplattformen und Umspannwerke für die See.
Windradhersteller: Die Anlagen sind Hightech. Sie brauchen nicht nur Flügel aus glasfaserverstärktem Kunststoff, sondern auch eine ausgefuchste EDV und riesige Getriebe, die so perfekt gegossen sind, dass sie 20 Jahre lang durchhalten.
Der Bau der ersten Offshore-Windparks zog sich länger hin als erwartet. Erst zwei Windparks vor der niedersächsischen Küste sind ganz oder teilweise in Betrieb: der Testwindpark Alpha Ventus und Bard Offshore 1. Dazu kommt Baltic 1 in der Ostsee. Das gibt den Schleswig-Holsteinern die Chance, noch auf den Zug aufzuspringen, zumal der jüngste Beschluss der Bundesregierung den Bau der Windräder auf dem Meer beflügeln wird.
Mit Repower in Husum und zwei Vestas-Werken verfüge Schleswig-Holstein über beklagenswert geringe industrielle Kapazitäten in der Windenergie, sagt Gerald Gehrtz, Wirtschaftsförderer des Kreises Rendsburg-Eckernförde. "Dieser Zustand kann nicht andauern für ein Land, aus dem die Windenergie stammt", sagt er. Schließlich sei 1971 der erste Windpark überhaupt in Schleswig-Holstein errichtet worden.
Seine Hoffnung setzt Gehrtz auf den in der vergangenen Woche übergebenen Hafen "Kiel-Canal" in Osterrönfeld gleich bei Rendsburg. Als jungfräulich-grauer Fremdkörper zeigt sich die Betonfläche dem Betrachter von der Eisenbahn-Hochbrücke aus, die hier über den Nord-Ostsee-Kanal führt. Kräne stehen noch keine, es gäbe ja auch nichts zu verladen: Die Firma Repower, die versprach, auch eine Produktion anzusiedeln, baute nur ein Bürohaus. Bringt zwar 400 Arbeitsplätze, beschäftigt aber den Hafen nicht.
Trotzdem gibt sich Gehrtz zuversichtlich, dass der vom Staat finanzierte, alles in allem 40 Millionen Euro teure Hafen seiner Bestimmung gerecht werden wird: Zwei Kräne mit 208 und 70 Tonnen Tragkraft würden ausgeschrieben, der Betonboden des Kais sei mit sagenhaften 90 Tonnen pro Quadratmeter belastbar - 30 Tonnen mehr als üblich.
Neben einem zusätzlichen, noch nicht einmal geplanten Hafen in Brunsbüttel könnte der Hafen Kiel-Canal als Basishafen für Offshore-Windparks dienen, erläutert Matthias Volmari vom Netzwerk Windcomm Schleswig-Holstein. Hier würden die großen Komponenten der Windräder montiert und verschifft, also der Bau der Windparks betreut.
Von Büsum, Dagebüll, Husum und Brunsbüttel aus könnten die Windparks selbst und die besonders nah an den Parks gelegenen "Reaktionshäfen" versorgt werden: Helgoland, Hörnum und List auf Sylt sowie Wyk auf Föhr. Von diesen Orten aus würden wiederum kurzfristige Reparaturen ausgeführt.
Frank Schnabel, Geschäftsführer der Brunsbüttel Ports und Vorsitzender der Hafenkooperation, betont die besonderen Herausforderungen, die mit der Verladung von Komponenten für Offshore-Windräder verbunden sind: "Das sind Dimensionen, die Häfen so nicht gewohnt sind." Zu verladen seien Turbinengehäuse so groß wie Zweifamilienhäuser und mehr als 60 Meter lange Flügel, die zu behandeln seien wie rohe Eier. "Die Empfindlichkeit der Güter ist immens", sagt Schnabel. Entsprechend wichtig sei das logistische Knowhow.
Schnabel versucht die Landesregierung davon zu überzeugen, dass es sich lohnen würde, in einen zusätzlichen Kai in Brunsbüttel zu investieren. "Der Hebel, um Produktion hierher zu bekommen", sagt er, "ist der Hafen."
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