Gesichtserkennung eingeführt: Aus Facebook wird Gesichtsbuch
Facebook hat die automatische Erkennung von Personen eingeführt, ohne die Nutzer zu informieren. Nun erntet es Kritik. Das "Tagging" lässt sich nur begrenzt verhindern.
Über 2,5 Milliarden Fotos kommen monatlich bei Facebook dazu. Nun hat das weltgrößte soziale Netzwerk seinem Fotodienst eine Funktion verpasst, die bei Datenschützern für allerlei Aufregung sorgen könnte: die automatische Erkennung von Gesichtern.
Die Technik namens Autotagging wird in den USA bereits seit vergangenem Dezember eingesetzt. Damals hieß es dazu im offiziellen Firmenblog, der Dienst arbeite ähnliche wie Systeme, die man aus Fotoprogrammen kennt. "Wenn Sie oder Ihre Freunde ein neues Foto hochladen, versuchen wir mit einer Software zu erkennen, ob es sich um Personen handelt, die sie bereits mit Namen getaggt haben. Dann gruppieren wir Fotos, die sich ähneln, und schlagen passende Namen der Freunde in den Bildern vor."
Der neue Service wurde, typisch Facebook, standardmäßig für alle Nutzer eingeschaltet. Wer ihn nicht haben möchte, muss ihn explizit abdrehen, sich also durch die berühmt-berüchtigt komplizierten Privatsphäreneinstellungen kämpfen. "Wir machen das Markieren von Fotos einfacherer", so der Konzern. So kann man es auch sehen. Schließlich verpassen die Nutzer ihren Bildern schon heute täglich mehr als 100 Millionen "Tags".
Nach dem Start in den USA, der offensichtlich erfolgreich verlief, beginnt Facebook nun mit der Internationalisierung von Autotagging. Wie die IT-Sicherheitsfirma Sophos am Dienstag in ihrem Blog schrieb, taucht die neue Funktion ohne Vorwarnung nun auch außerhalb Nordamerikas auf.
"Vorher stand da nur ein 'Noch nicht verfügbar' in den Privatsphäreneinstellungen", so der Sophos-Sicherheitsexperte Graham Cluley, "nun wäre es an der Zeit, sich diesen Menüpunkt einmal anzusehen". Durch das Autotagging dürfte es künftig deutlich schwerer werden, auf Facebook unauffällig zu bleiben. Da das System die Namen ohne Zutun der Nutzer vorschlägt und diese nur noch bestätigen müssen, erleichtert dies die Zuordnung ungemein. Unschöne Partybilder werden so noch leichter auffindbar, sollte man gleichzeitig auch noch die Facebook-Standardeinstellungen beibehalten und Fotos aller Welt zur Verfügung stellen.
"Keinen Weg, die Sichtbarkeit zu unterdrücken"
Ebenfalls gemein: Unterbindet man die Darstellung von Fotos, die auf den eigenen Namen getaggt sind, gilt das zunächst nur für die Bilder im eigenen Profil. Taggt ein anderer Nutzer in seinen eigenen Bildern, hat man darauf natürlich keinen Zugriff. "Es gibt keinen Weg, die Sichtbarkeit zu unterdrücken", schreibt Facebook dazu.
Auch die Privatsphäreneinstellung für das Autotagging betrifft allein diese Funktion. Hier muss man den Menüpunkt "Suggest Photos of Me to Friends" ("Fotos meiner Person Freunden vorschlagen") suchen und auf "Change Settings" gehen. Dort lässt sich das Autotagging dann abschalten. Das heißt aber nicht, dass man das Tagging an sich abdrehen kann. Immerhin lässt Facebook zu, dem Nutzer mitzuteilen wenn ein solches Tagging erfolgt.
Das Thema Gesichtserkennung haben mittlerweile auch deutsche Datenschützer auf der Agenda. So kommentierte der Hamburgische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Johannes Caspar, bei Bekanntwerden der neuen Funktion im letzten Jahr, es handele sich um eine "beunruhigende Entwicklung". "Es darf nicht sein, dass Nutzer des Dienstes befürchten müssen, künftig auf allen, gerade von dritten Personen eingestellten, Bildern aufgerufen zu werden", sagte er dem Handelsblatt.
Tatsächlich hatte Google nur sehr vorsichtig Gesichtserkennungsfunktionen eingeführt. Ex-Firmenchef Eric Schmidt meinte zu der Idee, Android-Handys zum Durchsuchen des Netzes nach Personen per Foto einzusetzen, man habe dies technisch erwogen, sich aber aus Datenschutzgründen dagegen entschieden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Spaniens Staatschef im Nahkampf
Ein König mit Cojones