piwik no script img

Rauswurf im MutterschutzFührungsstreit bei Amnesty eskaliert

Die entlassene Generalsekretärin Monika Lüke wirft dem Vorstand von Amnesty International Kündigung im Mutterschutz vor. Der weist die Vorwürfe zurück.

Zerwürfnis: Über die Entlassung von Monika Lüke gibt es unterschiedliche Versionen. Bild: imago/Jens Schicke

BERLIN taz | "Entsetzt und persönlich verletzt" hat die bisherige Generalsekretärin von Amnesty International, Monika Lüke, auf den Beschluss des Vorstandes der Menschenrechtsorganisation reagiert, sie mit sofortiger Wirkung von ihren Aufgaben zu entbinden. Lüke, die knapp einen Monat nach der Geburt ihres Kindes derzeit im Mutterschutz ist, kann die Argumentation des Vorstandes, es habe tiefe Zerwürfnisse gegeben, nicht nachvollziehen.

In einer Rundmail an Amnesty-Mitglieder, die dpa vorliegt, vermutet Lüke, ihr werde einzig vorgeworfen, trotz ihres Jobs als Generalsekretärin ein Kind bekommen zu haben. Im Übrigen seien Entlassung wie Suspendierung mitten im Mutterschutz rechtswidrig. Mit ihr sei darüber hinaus niemals das Gespräch gesucht worden.

Der ehrenamtliche Vorstand der Organisation wies die Vorwürfe am Donnerstag zurück. In einer kurzen Erklärung heißt es auf Nachfrage der taz: "Der Vorstand hat die Differenzen über die Führung der Organisation aktiv mit Frau Lüke thematisiert und mehrere Gespräche geführt. Die Differenzen gehen weit in die Zeit vor der Schwangerschaft und Entbindung zurück und betreffen keineswegs ihre Mutterschaft."

Im Übrigen habe der Vorstand Monika Lüke "rechtswirksam und rechtmäßig von ihrem Amt freigestellt". Er habe Lüke nicht gekündigt, strebe aber eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses an.

Hintergrund der seit Langem eskalierenden Konflikte sind interne Umstrukturierungsmaßnahmen in der Arbeitsweise der Organisation, darunter der seit langem anvisierte Umzug der in Bonn ansässigen Amnesty-Abteilungen nach Berlin. Lüke habe sich, klagen Mitarbeiter, für die Sorgen und Nöte langgedienter Amnesty-Mitstreiter kaum interessiert und unsensibel ihre Vorstellungen durchdrücken wollen, die sie - entgegen den Wünschen des Vorstandes - mit Hilfe einer Consultingfirma habe umsetzen wollen.

Lüke, selbst keine altgediente Amnesty-Frau, war erst vor zwei Jahren berufen worden. Am Wochenende tagt in Köln die Jahresversammlung der Organisation - es dürfte viel zu besprechen geben.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • H
    h3x3

    Wie auch immer, ich hoffe, Lücke bekommt in keinem Fall eine Abfindung wie vor Kurzem Irene Khan (533.103 £).

     

    NGO/NPOs sind zwar heute so professionell wie Unternehmen, so zahlen wie diese sollten sie mit Rücksicht auf Ihre Mitgliedschaft/SpenderInnen jedoch auf keinen Fall.

  • V
    velofisch

    Das Arbeiten in hauptsächlich ehrenamtlichen Organisationen ist konfliktträchtiger als in hierarchisch durchorganisierten Organisationen. Gerade Freiwillige lassen sich neue vermeintlich effizientere Strukturen nicht einfach aufoktruieren.

     

    Wenn ein solcher Konflikt nicht lösbar ist, bleibt nur die Trennung. Dies ist leider unabhängig davon, wem hier wieviel vorzuwerfen ist. In Führungspositionen muss dafür eine sofortige Freistellung möglich sein. Wenn Frauen in Führungspositionen ernst genommen werden möchten, müssen sie dies auch gegen sich gelten lassen.

    Dass Arbeitsverträge und gesetzliche Mutterschutzfristen eingehalten werden müssen, versteht sich dabei von selbst, wurde aber auch von niemanden in Frage gestellt.

     

    Was will Frau Lüke mit ihrer PR-Aktion erreichen? Sie schädigt dem Ansehen von AI und kein Gericht der Welt wird einen politischen Verein dazu verpflichten eine Generalsekretärin aktiv weiterzubeschäftigen, die nicht das Vertrauen des Vorstandes hat.

     

    Dass der Vorstand sich umgekehrt fragen lassen muss, warum er jemanden ausgewählt hat, mit der er nachher die Zusammenarbeit gänzlich unmöglich findet und wie er die dadurch entstehenden Kosten rechtfertigen kann, steht auf einem anderen Blatt. Es spricht allerdings für den Vorstand, dass dieser nicht versucht den Konflikt bis nach der Vorstandswahl unter der Decke zu halten.

     

    Vielleicht kann Frau Lüke durch ihre PR-Kampagne ihre Abfindung deutlich steigern. Dafür disqualifiziert sie sich damit jedoch für zukünftige Führungspositionen.

     

    Es bleibt der schale Verdacht, dass Frau Lüke hier private Fehden mit dem Vorstand öffentlich zu Lasten von AI austrägt.