Kommentar Stuttgart 21: Die Macht und Stuttgart 21
Die Stuttgarter Koalition hat im Kampf gegen den Großbahnhof drei Gegner: die Bahn, die Bundesregierung - und sich selbst. Sich selbst kann sie noch am schnellsten besiegen.
D ie Bahn kann Stuttgart 21 weiterbauen. Indem die grün-rote Landesregierung darauf verzichtet hat, den Antrag auf einen Baustopp zu stellen, ist die Machtkonstellation im Streit über das Großprojekt noch einmal deutlich geworden. Die Stuttgarter Koalition hat im Kampf gegen den Großbahnhof drei Gegner: die Bahn, die Bundesregierung - und sich selbst.
Dabei sind die Interessen von Bahn und Bundesregierung noch am klarsten zu definieren. Die Bahn hat der Landesregierung mit Kosten für einen Baustopp in Höhe von 56 Millionen Euro gedroht. Und Grün-Rot hatte dieser Drohung nichts entgegenzusetzen - außer vielleicht Moral. Die Bundesregierung wiederum hat kein Interesse daran, dass die historisch einmalige Konstellation von Grün-Rot gerade im Stuttgart-21-Streit auch nur den geringsten Teilerfolg davonträgt.
Den einzigen Gegner, den die Koalition schnell besiegen kann, ist die Koalition selbst. Dabei geht es um zwei parteiinterne Fragen, die Grüne und SPD für sich lösen müssen. Die Frage für die Grünen lautet: Schüren sie weiter die Hoffnung, dass sie Stuttgart 21 tatsächlich stoppen können, um am Ende aller Illusionen beraubt zu sein? Oder ist der auch Grünen-intern umstrittene Pragmatismus von Winfried Kretschmann, er sei nun mal Ministerpräsident für ganz Baden-Württemberg, transparenter und zielführender?
Die Frage für die SPD ist fast noch komplexer: Wie gelingt nach der Wahlschmach eine Profilierung gegen die Grünen, um sie bei der nächsten Wahl wieder zu überholen, ohne die Koalition in Gefahr zu bringen? Die Antworten dazu stehen nicht im Koalitionsvertrag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod