Kommentar Plan zur Förderung Behinderter: Du gehörst zu uns

Bei von der Leyens Plänen geht es nicht nur um barrierefreie Zugänge für Behinderte. Ihre Aufgabe ist es, Abwehrhaltungen in der Gesellschaft aufzubrechen.

Wenn Ursula von der Leyen etwas anfasst, dann ist der Verdacht der Propaganda nicht weit. Sie hat die heilige Familie entweiht, die Kindergärten auf Bildung getrimmt und Männer mit dem Wickelvolontariat beglückt. Nun knüpft sie sich Menschen mit Handicaps vor - und man kann die Regierung nur beglückwünschen, dass es die PR-Künstlerin aus dem Bundeskabinett ist, die sich des Themas Inklusion annimmt.

Es geht nämlich nicht nur um barrierefreie Zugänge oder Integrationszuschüsse, sondern um Haltungen. Das Land des "Geh doch nach drüben!" muss umdenken: Inklusion heißt einschließen: Du gehörst zu uns! Immer und überall!

Die Maßnahmen von der Leyens sind allenfalls ein Anfang. Was sollen 100 Millionen Euro in fünf Jahren in einem Riesenland wie der Bundesrepublik bewirken? Was sind 1.300 Ausbildungsplätze für 400.000 Sonderschüler wert? Welches Kaliber von der Leyen ist, merkt man, wenn man sie etwa mit Schulpolitikern vergleicht: deren Aufgabe besteht darin, das Sonderschulwesen aufzulösen. Nach zwei Jahren präsentierte man in Bayern gerade ein Mikroangebot. Ab kommendem Schuljahr wird ein (!) Prozent der Schulen das Profil "Inklusion" anbieten. Eigentlich müsste Ban Ki Moon jetzt Blauhelmtruppen nach Bayern entsenden.

Die eigentliche Aufgabe von der Leyens besteht in etwas anderem: die Abwehrhaltung aufzubrechen. Das Land, dessen Bürger zugelassen haben, dass Menschen wegen ihrer Eigenarten eingesperrt, verfolgt und ermordet wurden, trägt den Virus der Selektion weiter in sich. Heute wird selbstverständlich nicht mehr getötet, aber weiter ausgegrenzt. Behinderte Jugendliche fliegen aus Sportvereinen. Die Polizei exekutiert den Ausschluss aus der Turnhalle. Bekannte wenden sich ab, weil die Mutter des Jugendlichen endlich Ruhe geben soll. Solange das möglich ist, haben besondere Menschen keinen Zugang zur Gesellschaft. Und um den geht es.

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