Atomtransporte per Fähre: AKW-Futter an Bord
Von und nach Schweden transportiert die Reederei Scandlines LKW über die Ostsee, die mit frischen Brennstäben beladen sind. Und das möglicherweise auch per Personenfähre.
HAMBURG taz | Die Reederei Scandlines transportiert unbestrahlte Brennelemente über die Ostsee - höchstwahrscheinlich auch an Bord von Personenfähren. Die Transporte versorgen Atomkraftwerke in Deutschland, der Schweiz und Frankreich mit Brennstoffen aus der Atomfabrik im schwedischen Västeras. Es gibt auch Transporte in die entgegengesetzte Richtung: aus Deutschland nach Västeras sowie zu schwedischen AKWs.
Was die Gefährlichkeit angeht, sei ein Transport von frischen Brennelementen nicht vergleichbar mit dem von abgebranntem Material, sagt Christoph Pistner vom Darmstädter Öko-Institut: "Die Strahlung ist sehr gering."
Aktuell sind rund 110 Transporte zwischen Deutschland und Schweden vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) genehmigt worden, 34 davon sind bereits abgewickelt. Welchen Weg genau die strahlende Fracht zwischen Schweden und Deutschland nimmt, geht aus den Unterlagen des Bundesamts nicht hervor - alle genehmigten Transporte haben aber eine Erlaubnis, über die Straße und über die See ans Ziel zu kommen. Schon aus ökonomischen Erwägungen spricht viel für den Seeweg.
Von Deutschland gibt es sechs Verbindungen nach Schweden:
Kiel - Göteborg (Fahrtzeit: 13,5 Stunden, Stena Line).
Travemünde - Malmö (neun Stunden, Finnlines) oder Trelleborg (ab sieben Stunden, TT Line).
Sassnitz - Trelleborg (vier Stunden, Scandlines).
Rostock - Trelleborg (ab 5,5 Stunden, TT Line/Scandlines).
Puttgarden - Rødby oder von Rostock nach Gedser (beide Dänemark; 45/105 Minuten, Scandlines), von dort weiter über die Öresundbrücke oder die Fähre von Helsingør nach Helsingborg.
Laut den Antworten der Bundesregierung auf kleine Anfragen der Grünen ist Scandlines an dem Transportgeschäft beteiligt. "Theoretisch können wir das tun", sagt Scandlines-Sprecherin Susanne Kock. Die Fähren zwischen Sassnitz beziehungsweise Rostock nach Trelleborg sowie die Verbindung Puttgarden-Rödby hätten die Zulassung für Gefahrgüter. Zwischen Fehmarn und Dänemark betreibe man einen Gefahrgutfrachter. Ob Scandlines aber auch radioaktive Güter verfrachte, lässt die Sprecherin offen: Das Unternehmen äußere sich nicht darüber, was seine Kunden transportieren.
Die konkurrierende Fährreederei TT-Line verschifft nach eigenen Angaben keine LKW mit radioaktiven Gefahrgütern. Vor rund 15 Jahren sei darüber schon mal diskutiert worden, sagt ein Sprecher auf taz-Anfrage. Danach habe sich das Unternehmen neu positioniert.
Das Hanauer Logistikunternehmen Nuclear Cargo Service, das die Transporte beim BfS angemeldet hat, konnte am Freitag eine taz-Anfrage nicht beantworten. Gegenüber den Lübecker Nachrichten bestätigte eine Unternehmenssprecherin aber, dass die drei Scandlines-Linien genutzt werden. Sie dementierte zugleich, dass auch die weitaus gefährlicheren MOX-Brennstäbe transportiert würden.
In Mecklenburg-Vorpommern hat das Thema für Aufregung gesorgt: Die Rostocker Ostsee-Zeitung berichtet seit Dienstag über die Transporte. Die Grünen warfen Innenminister Lorenz Caffier (CDU) vor, aus den Transporten eine "geheime Kommandosache" zu machen. Er agiere fahrlässig und habe völlig versagt, schreibt die Linksfraktion in einer Pressemitteilung. Der gescholtene Caffier wiederum warf beiden Oppositionsparteien vor, bewusst Ängste zu schüren: "Die Brennstofftransporte sind nicht gefährlicher als andere Gefahrguttransporte, die tagtäglich durch unser Land rollen."
"Die Atomtransporte der Firma Scandlines über den Fehmarnbelt und damit über die Insel Fehmarn lösen bei den Menschen auf Fehmarn und in Ostholstein Empörung und große Sorge aus", sagt Christiane Stodt-Kirchholtes von den Grünen auf der Ostsee-Insel. Sie beklagt, dass Fehmarns Stadtvertretung davon nichts gewusst habe und der Transport ohne jeden Polizeischutz erfolge.
Fehmarns Bürgermeister Otto-Uwe Schmiedt (parteilos) gibt sich gelassener: Er sei nicht begeistert, habe nur gewusst, dass Gefahrgut über den örtlichen Hafen transportiert werde, sagt er. Eine konkrete Anmeldung für Atomtransporte habe es nicht gegeben. "Dass die auch bei Passagierschiffen mitfahren", sagt Schmiedt, "finde ich nicht gut."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!