Schmusekurs mit Kommunisten

Der tschechische Premier will die Überprüfung auf Zusammenarbeit mit dem früheren Staat wegen moralischer Bedenken beenden. Andere vermuten eher Machtkalkül

„Die Hexenjagd muss aufhören,“ sagte Paroubek der Zeitung „Lidové noviny“

PRAG taz ■ Weil es „überflüssig“ sei, würde Tschechiens sozialdemokratischer Premierminister Jiri Paroubek gerne das Lustrationsgesetz abschaffen. Deshalb hat er einen Vorschlag der Kommunistischen Partei (KSÈM) abgesegnet – und sich in Teufels Küche begeben. „Das Lustrationsgesetz hat seine Aufgabe erfüllt, ich sehe keinen Grund, warum es weiterhin gelten sollte“, erklärte Paroubek, nachdem er einem Antrag der kommunistischen Abgeordneten Zuzka Rujbrova auf Streichung des Gesetzes zugestimmt hatte. Denn, so Paroubek, das Gesetz basiere auf dem Prinzip der Kollektivschuld und sei zudem noch „mangelhaft, und hat nicht einmal alle Spitzen des kommunistischen Regimes ereilt“. Empört drohte der Koalitionspartner der Sozialdemokraten, die christdemokratische Volkspartei (KDU-CSL) mit dem Austritt aus der Koalition, falls Paroubek seine Meinung aufrechterhalten werde. Der Premier gab klein bei – vorerst.

Das Lustrationsgesetz verbietet ehemaligen Mitgliedern der tschechoslowakischen Staatssicherheit (StB), im Staatsdienst zu arbeiten, und schränkt ein, welche Funktionen ehemalige kommunistische Apparatschiks ausüben dürfen. Weiter besagt das Gesetz, dass Anwärter für den Staatsdienst, zukünftige Offiziere, Lehrer und Mitarbeiter öffentlich-rechtlicher Medien ihre Vergangenheit offen legen müssen. Die KSÈM bemüht sich seit Jahren um die Abschaffung des Gesetzes. Noch vor zwei Jahren sorgten sie damit für eine Welle der Entrüstung. Dass Premier Paroubek, Beiname „Bulldozer“, sich nun für eine Abschaffung einsetzt, begründet dieser mit seiner moralischen Position. „Die Hexenjagd muss aufhören,“ sagte er der Zeitung Lidové noviny. „Meiner Meinung nach waren diese Gesetze nützlich, aber schon von Anfang an unmoralisch.“ Beobachter nehmen dem Bulldozer moralische Bedenken nicht ab. Seine Haltung sei eher eine freundschaftliche Geste gegenüber den Kommunisten, glaubt etwa der Historiker Pavel Začek.

Es ist nicht das erste Mal, seit Paroubek vor einem halben Jahr den Posten des Regierungschef von seinem Vorgänger Stanislav Gross übernommen hat, dass er mit den Kommunisten klüngelt. So werde er die Reform des Arbeitsgesetzbuches notfalls auch mit kommunistischen Abgeordneten durchsetzen, sagte er. Eine Novelle des Kirchengesetzes, die Kirchen ihre Unabhängigkeit nimmt und ihren Status Bürgerinitiativen gleichstellt, wurde Anfang dieser Woche von einer Einheitsfront aus Sozialdemokraten und Kommunisten über ein Veto des Oberhauses hinweg durchgesetzt. Nach den nächsten Parlamentswahlen, so ließ Paroubek verlauten, könne er sich auch vorstellen, eine Minderheitenregierung zu stellen, die mit Unterstützung der Kommunisten im Amt regiere. Nicht Ideologie, sondern Pragmatismus ist es, der Paroubek zur Zusammenarbeit mit der KSÈM, immerhin der drittstäksten Partei, verleitet. Er würde auch mit Marsmenschen regieren, erläuterte Paroubek vor kurzem sein Verhältnis zur Macht. ULRIKE BRAUN