Wahl gegen die jungen Tätowierten

Die Gewalt, die von den organisierten Jugendbanden, den so genannten Maras, ausgeht, bestimmt den Wahlkampf in Honduras. Beide Präsidentschaftskandidaten versprechen ein hartes Vorgehen, bis hin zur Einführung der Todesstrafe

VON WOLF-DIETER VOGEL

Wenn morgen in Honduras gewählt wird, sollen die Bürger des mittelamerikanischen Staates entlang einer Frage entscheiden: Wer hat die besseren Konzepte zur Verbrechensbekämpfung? Beide Favoriten fürs Präsidentenamt haben sich vor allem den Kampf gegen die Jugendbanden auf ihre Fahnen geschrieben. Porfirio Lobo Sosa von der regierenden Nationalen Partei (PN) macht sich schon lange für die Einführung der Todesstrafe stark, und auch sein Kontrahent Manuel Zelaya von der Liberalen Partei (PL) setzt auf eine Politik der „harten Hand“. Menschenrechtler kritisieren, dass im Wahlkampf andere zentrale Probleme völlig in den Hintergrund gerückt seien: die Arbeitslosigkeit, die Armut oder die Todesschwadronen.

Knapp zwei Drittel der 6,5 Millionen Honduraner sind zur Wahl aufgerufen. Gewählt werden der Präsident, dessen Stellvertreter, 128 Parlamentsabgeordnete und 289 Bürgermeister. Im Kampf ums oberste Staatsamt versprechen Meinungsumfragen dem PN-Kandidaten Lobo Sosa einen leichten Vorsprung gegenüber dem Liberalen Zelaya. Drei weitere kleine Parteien, unter ihnen die linke Demokratische Vereinigung (UD), stellen derzeit zusammen etwa 10 Prozent der Abgeordneten.

Dass die Präsidentschaftsanwärter mit den Banden, den so genannten Maras, Politik machen, ist nahe liegend. Die Gewalt der beiden großen Gruppen, der „Mara 18“ sowie der „Mara Salvatrucha“, hat in Honduras, El Salvador, Guatemala und Südmexiko in den letzten Jahren viele Menschen verunsichert. Ursprünglich setzten sich die Gruppen aus Jugendlichen mittelamerikanischer Herkunft zusammen, die aus den USA in ihre Heimatländer ausgewiesen wurden. Inzwischen rekrutieren die Maras zahlreiche Kinder und junge Menschen aus der Armutsbevölkerung Mittelamerikas. Sie sind gewöhnlich am ganzen Körper tätowiert. Die Zahl ihrer Mitglieder wird auf 200.000 bis 300.000 geschätzt. Maras bekämpfen sich untereinander mit äußerster Gewalt und werden zudem für viele Überfälle, Morde und Erpressungen verantwortlich gemacht.

„Sollte Sosa gewählt werden, wird alles noch schlimmer“, sagt José Manuel Capellin von der Kinderhilfsorganisation „Casa Alianza“ aus Tegucigalpa der taz. Der PN-Politiker setze lediglich auf Repression, anstatt Maßnahmen zur Integration anzugehen. „Jeder Jugendliche aus den Armenvierteln ist für ihn ein Mara.“ Der Liberale Zelaya sei in seinem Diskurs zurückhaltender und spreche gelegentlich von Resozialisierung. Aber auch er gehe nicht die wirtschaftlichen und sozialen Probleme an, durch die das Phänomen erst entstanden sei. Knapp die Hälfte der Honduraner lebt in extremer Armut, 35 Prozent sind arbeitslos.

Schon im September 2003 verabschiedeten das Parlament einstimmig ein „Anti-Mara-Gesetz“, das von Menschenrechtlern scharf kritisiert wird. Es beschneide die Bürgerrechte und die Versammlungsfreiheit, kritisiert amnesty international. Zudem verfolge es nicht nur Straftaten. Bereits die Mitgliedschaft bei den Maras werde mit einer Gefängnisstrafe von bis zu zwölf Jahren geahndet. Amnesty geht von rund 1.500 vermeintlichen Maras aus, die im letzten Jahr auf der Grundlage dieses Gesetzes festgenommen worden seien, „viele von ihnen allein aufgrund ihrer Tätowierungen“.

Wenn sich nach der Wahl die Gangart noch weiter verschärft, so befürchtet Capellin, könnte auch der Terror gegen die Straßenkinder zunehmen. Casa Alianza spricht von hunderten von Kindern und Jugendlichen, die von Todesschwadronen im Sinne „sozialer Säuberungen“ durch Kopfschuss liquidiert worden seien. Hinter den Mördern stehen nach Einschätzung der Menschenrechtler vermögende Geschäftsleute. Auch Sicherheitskräfte seien involviert.