Sein Deckname war "Stakeknife": Eine Geschichte von Schuld und Verrat

Ein Tribunal soll den Mord an zwei nordirischen Polizisten von 1989 klären. Schlüsselfigur ist ein IRA-Sicherheitschef, der für den britischen Geheimdienst arbeitete.

Geplant oder Zufall? Das tödliche Aufeinandertreffen von IRA und Harry Breen. Bild: dpa

DUBLIN taz | Die Geschichte könnte von John le Carré stammen. Sie ist aber wahr und Gegenstand eines Tribunals, das die irische Regierung anberaumt hat. Es geht um die Frage, ob die irische Polizei der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) Tipps gegeben hat, die zur Ermordung von zwei hochrangigen nordirischen Polizisten führten.

Am 20. März 1989 fuhr Harry Breen, Kommandant einer nordirischen Polizeieinheit, mit seinem Kollegen, Kriminalkommissar Robert Buchanan, zu einer Besprechung mit einem südirischen Kollegen in die Grenzstadt Dundalk, um Aktionen gegen die IRA zu koordinieren. Auf dem Rückweg nach Nordirland gerieten die beiden Polizisten kurz hinter der Grenze in einen Hinterhalt und wurden erschossen. Fünf IRA-Männer waren an der Tat beteiligt, das Auto der Polizisten, Buchanans Privatwagen, wurde von 25 Kugeln durchsiebt.

Die IRA behauptete später, es sei eine Zufallsbegegnung gewesen. Rechtsanwalt John McBurney, ein enger Vertrauter des pro-britischen Unionistenführers Ian Paisley, ist davon überzeugt, dass die Tat geplant war. Der Anwalt vertritt Breens Familie bei dem Tribunal. Breen hatte am Morgen gegenüber einem Kollegen geäußert, dass er befürchte, die IRA habe einen Informanten bei der Polizei in Dundalk. Buchanan, ein wiedergeborener Christ, meinte dagegen, sein Leben sei in Gottes Hand. Deshalb benutzte er stets sein Privatauto, das der IRA längst bekannt war.

Drei Polizisten aus Dundalk stehen unter Verdacht, Alfredo Scappaticci von dem Polizeitreffen in Dundalk informiert haben, was sie bestreiten. Zwei von ihnen sind pensioniert, der dritte, Finbar Hickey, wurde wegen Passvergehen verurteilt. Die Pässe landeten bei der IRA. Scappaticci, Sohn italienischer Einwanderer, war damals Chef des Sicherheitsdienstes der IRA. Er kümmerte sich um IRA-Mitglieder, die als Spitzel verdächtigt wurden, er verhörte sie und brachte viele um. Bis zu 40 Morde gehen auf sein Konto.

Zum Schutz Scappaticcis mussten andere sterben

Scappaticci hatte den Decknamen - "Stakeknife". Unter diesem Namen arbeitete er seit 1978 für die Force Research Unit (FRU), eine zwielichtige Geheimdienstorganisation der britischen Armee. Für seine Dienste bekam er 80.000 Pfund im Jahr. 2003 wurde er enttarnt und tauchte mit Hilfe des britischen Geheimdiensts im Ausland unter.

Scappaticci soll den Anschlag auf die beiden nordirischen Polizisten nicht nur geplant haben, sondern den Plan auch an die FRU verraten haben. Die unternahm nichts, damit Scappaticci nicht aufflog. Es waren nicht die einzigen Menschen, die zum Schutz Scappaticcis ihr Leben verloren. So plante eine loyalistische Todesschwadron 1987, Scappaticci zu erschießen, doch ein anderer FRU-Agent lenkte die Aufmerksamkeit auf einen unbeteiligten Rentner, der stattdessen ermordet wurde.

Ian Hurst, Scappaticcis FRU-Verbindungsmann, wollte vor dem Tribunal aussagen, doch das britische Verteidigungsministerium hat ihm das verboten. Die britischen Behörden kooperieren eher widerwillig mit dem Tribunal, das bereits seit sechs Jahren in Vorbereitung ist, aber jetzt erst eröffnet werden konnte. Aber auch die irische Regierung bereut offenbar, das acht Millionen Euro teure Tribunal überhaupt eingesetzt zu haben. So hat sie angeordnet, dass das Ergebnis bis Ende November vorliegen muss. Beobachter befürchten, dass deshalb nur die Ereignisse des 20. März 1989, nicht aber die Hintergründe der Tat zur Sprache kommen.

Richter Peter Smithwick, der das Tribunal leitet, hat im Vorfeld jene IRA-Männer vernommen, die an dem Anschlag beteiligt waren. Sie können für die Tat nicht mehr verurteilt werden. Es ist das erste Mal, dass die IRA mit einer staatlichen Untersuchung kooperiert. Details über die Vernehmung sind bislang nicht bekannt geworden. Ein zweiter FRU-Agent in der IRA, Kevin Fulton, will ebenfalls aussagen. Auch er soll seine Verbindungsleute vor dem geplanten Anschlag gewarnt haben, weil er nichts von Scappaticcis Doppelrolle wusste.

"Stakeknife" dürfte kaum vor dem Tribunal erscheinen, aber er wird von einem Anwalt vertreten. Richter Smithwick hat das gestattet, weil Scappaticcis "guter Ruf und sein persönlicher Besitz durch andere Zeugenaussagen vor dem Tribunal in Gefahr geraten" könnten.

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