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BER-FlugroutenViele können ruhiger schlafen

Der korrigierte Vorschlag für die künftigen Flugrouten steht. Potsdam wird verschont, Berlin entlastet. Die Bürgervertreter sind im großen und ganzen zufrieden.

Flugzeuge, die Richtung Osten starten und dann nach Westen fliegen, nehmen diese Routen. Ausschnitt aus einer Präsentation der Flugsicherung vom Montag Bild: dpa, Bernd Settnik

Jubel in Potsdam, Erleichterung in Berlin: Nach dem Proteststurm der vergangenen Monate hat die Deutsche Flugsicherung (DFS) die Flugrouten ab Schönefeld erheblich korrigiert. In Richtung Westen soll Potsdam laut den am Montag vorgestellten Plänen völlig von Lärm verschont bleiben, die südlichen Berliner Gemeinden werden zumindest entlastet. In Richtung Osten profitieren Zeuthen und Erkner von der Neufassung der Routenvorschläge. Die Vorsitzende der Fluglärmkommission, Kathrin Schneider, sprach von konstruktiven Diskussionen; zugleich kündigte sie am Montag aber noch Nachbesserungsbedarf an. Die Kommission hat die Flugsicherung ein dreiviertel Jahr lang beraten. Politiker äußerten sich zufrieden.

Die meisten Flugzeuge, die in Richtung Westen starten, sollen nun von der Nordbahn aus südlich an Potsdam vorbeigeleitet. Die Route führt zwischen Michendorf und Beelitz hindurch. Ein kleinerer Teil - durchschnittlich 48 Maschinen pro Tag - soll über die Wannseebrücke nach Norden fliegen dürfen und damit über Berliner Gebiet. Dort fliegen die Jets aber schon in 2.400 Metern Höhe. Bis zu einer Höhe von etwa 1.500 Meter ist die Route exakt festgelegt, das dürften die meisten Flieger bei der Wannseebrücke erreicht haben. Von der Südbahn führen die Routen in einem Korridor zwischen Ludwigsfelde und Luckenwalde in Richtung Südwesten, was Blankenfelde deutlich entlastet.

"Das ist ein ordentliches Ergebnis", sagte die Sprecherin des Bündnisses "Keine Flugrouten über Berlin", Marela Bone-Winkel. Zwar werde die Wannsee-Region überflogen, allerdings würden durch den "aufgefächerten" Verkehr viele wenig belastet - anstatt wenige viel. Noch zufriedener wirkte der Sprecher der Potsdamer Bürgerinitiativen, Markus Peichl. Es sei deutlich nachgebessert worden. Vertreter aus Kleinmachnow äußerten sich hingegen entsetzt, sie fürchten weiterhin erheblichen Lärm auch über Teltow und Stahnsdorf und kündigten neue Proteste an.

Im Osten des Flughafens gab es ebenfalls Stirnrunzeln. Hier wird deutlich, dass eine gute Lösung für einen Ort oft zum Nachteil der Nachbargemeinde gereicht. Die DFS schlägt etwa vor, Erkner teilweise zu entlasten und einen Teil der in Osten startenden Flugzeuge über den Müggelsee zu leiten; letztere Anwohner erfreut das wenig. "Wir kommen damit dem Wunsch der Fluglärmkommission nach, An- und Abflüge gemeinsam zu betrachten", sagte indes der Leiter der Berliner DFS-Niederlassung, Hans Niebergall. Erkner nämlich kriegt schon jede Menge Anfluglärm ab.

Auch Zeuthen soll entlastet werden. Die meisten Flugzeuge der Ost-Flüge sollen von der Südbahn aus starten und noch vor dem Ort in Richtung Süden abknicken. Niebergall gestand, dass die Flugsicherung diese Variante bei den ursprünglichen Planungen gar nicht in Betracht gezogen hatte. "Wir haben auch mehrere Simulationen durchgeführt, um zu prüfen, ob das überhaupt fliegerisch machbar ist." Elf Flugzeuge pro Tag müssten aber weiter geradeaus über Zeuthen fliegen, sie schaffen die enge Kurve nicht. Weitere 106 Flieger sollen um Zeuthen herum und dann ein Stück entlang der Autobahn fliegen, bevor sie eine Art Fleischerhaken vollziehen - zum Nachteil von Königs Wusterhausen.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sprach von einem Erfolg für die protestierenden Bürger; auch die Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast zeigte sich zufrieden mit dem Vorschlag. Der zuständige Brandenburger Staatssekretär Rainer Bretschneider war ebenfalls optimistisch. "Es gibt gerade im Osten Ergebnisse, die ich in der Summe ausgesprochen gut finde", sagte er.

Die Vorschläge gehen nun an das zuständige Aufsichtsamt beim Bundesverkehrsministerium; mit einer verbindlichen Entscheidung wird im Januar gerechnet, ein knappes halbes Jahr vor der geplanten Inbetriebnahme des Hauptstadtflughafens. Berlin Brandenburg International (neues Kürzel: BER) soll am 3. Juni 2012 eröffnet werden. Mehrere Bürgerinitiativen haben angekündigt, bis dahin weiter zu protestieren.

Auch an eingereichten Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss wollen sie festhalten. "Auch die besten Flugrouten werden einen ungeeigneten Standort nicht zu einem geeigneten machen", sagte die Bohnsdorferin Christine Dorn unter Verweis auf die Lage in dicht besiedeltem Gebiet. Die DFS erklärte, keine absoluten Zahlen über die von Lärm betroffenen Menschen vorlegen zu können.

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17 Kommentare

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  • RS
    Ralf Scholl

    Dass betroffene Anwohner keine Verschlechterung wollen, ist verständlich, ihr Protest auch. Wie sehr sich die Fluglärmsituation für ganz Berlin durch die Schließung von Tegel allerdings verbessert, dass scheinen hier die meisten zu vergessen.

    @von Sigranna:

    "Vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge" und "größte Fluglämbelastung in ganz Europa" - Hast du jemals schon mal darüber nachgedacht, wie die Fluglärmbelastung seit 1949 und momentan noch für die Anwohner des Kurt-Schumacher-Platzes aussieht?

    Da hilft nur eines: Die letzten noch nicht mit Fluglärmfurcht vernebelten Gehirnzellen einschalten und einfach mal die Relationen zurechtrücken!

     

    Gruß von einem Ex-Berliner,

    Sr

  • FW
    Fam. Wegner Mahlow

    Dreckschleuder BBI - keiner will sie, nur die Politik

     

    Der BBI wird eine Dreckschleuder. Die Bürger wollen ihn nicht, sonst würden sie nicht auf die Straße gehen. Geht jemand für den BBI auf die Straße?

     

    Politiker sind von Bürger gewählt, sie machen aber nicht das wofür sie eingesetzt sind, für das Volk. Offensichtlich dagegen. Man kann hier nur annehmen, daß geschmiert wird wie in einem 3.Welt Land. Traurig Deutschland.

     

    Flughäfen sind Dreckschleudern, Lärm macht krank. Ist die Gesundheit weniger wert als der wirtschaftliche Vorteil?

  • N
    neugier

    wie werden die Bewohner entschädigt, die keine Wohnqualität mehr haben, vor 10 jahren extra ein ruhiges Plätzchen für den Bau eines hauses ausgesucht haben und bald völlig wertlosen Grund und Boden haben ?

    Das bekommt man nchz mehr verkauft, Der Wert ist weg

  • RS
    Ralf Scholl

    Dass betroffene Anwohner keine Verschlechterung wollen, ist verständlich, ihr Protest auch. Wie sehr sich die Fluglärmsituation für ganz Berlin durch die Schließung von Tegel allerdings verbessert, dass scheinen hier die meisten zu vergessen.

    @von Sigranna:

    "Vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge" und "größte Fluglämbelastung in ganz Europa" - Hast du jemals schon mal darüber nachgedacht, wie die Fluglärmbelastung seit 1949 und momentan noch für die Anwohner des Kurt-Schumacher-Platzes aussieht?

    Da hilft nur eines: Die letzten noch nicht mit Fluglärmfurcht vernebelten Gehirnzellen einschalten und einfach mal die Relationen zurechtrücken!

     

    Gruß von einem Ex-Berliner,

    Sr

  • FJ
    flughafen ja

    wird zeit das berlin einen flughafen bekommt der einer großstadt würdig ist. lego-tegel kann endlich dicht machen. das die flugrouten jetzt über den müggelsee führen ist doch echt ein skandal - ein naherholungsgebiet für alle berliner - und das nur weil die besserverdienenden vom wannsee rumjammern, so gehts nicht herr wowereit!

  • B
    Bernd

    Der Standort ist halt unbrauchbar, da hilft auch ein bisschen Kurvenfliegen nix.

     

    Aber wenn man den Flughafen ein bisschen weiter raus gebaut hätte, würden die Arbeitsplätze ja in Brandenburg und nicht in Berlin entstehen. Oh nein!

  • M
    MeinName

    Ich kann die journalistische Qualität des Artikels nicht beurteilen da mir Detailwissen zum Thema fehlt und für mich auch nicht sonderlich interessant ist.

     

    Die ganze Diskussion macht auf mich nur den Eindruck, als ob hier wirklich das St. Florian-Prinzip regiert. Man wohnt im grünen Speckgürtel von Berlin, ist wahrscheinlich ganz angetan von den kulturellen Angeboten und/oder den Konsummöglichkeiten in relativer Nähe aber wenn es um die Nachteile einer solchen Lage geht, pocht man auf dem Wunsch nach Lebensverhältnissen wie in der tiefsten Provinz. Das geht schlicht nicht zusammen und es ist klar, dass Verbesserungen für eine Gruppe eben Verschlechterungen für eine andere Gruppe bedeuten.

     

    Es mag sein, dass die getroffene Standortentscheidung falsch war aber der Zug ist eben abgefahren. Ich kann ja verstehen, dass vielen die Konsequenzen (egal wie sie im Detail geregelt werden) nicht passen aber dass die engagierten Bürger ausgerechnet bei solchen Privatinteressen auf die Barrikaden gehen macht den ganzen Protest nicht wirklich sympathisch. Klassische NIMBY-Mentalität eben.

  • W
    WindowLicker

    Die taz schreibt:

    "Viele können ruhiger schlafen"

     

    Die MoPo schreibt:

    "Für viele Berliner wird es laut"

     

    http://www.morgenpost.de/printarchiv/berlin/article1691742/Fuer-viele-Berliner-wird-es-laut.html

     

    Auch von der journalistischen Qualität her bevorzuge ich (diesmal) den Morgenpost-Artikel. Das hätte ich mir bisher nicht zu träumen gewagt.

     

    Aber, taz, ich hab' dich trotzdem lieb!

  • SK
    Stefan K.

    "...über den Müggelsee zu leiten..."

     

    Mitten durch ein Naherholungsgebiet also.

     

    Toller Erfolg!

  • O
    Otto

    Ihren Kommentar hier eingeben

    Wenn das ein Erfolg ist, muß die Frage gestattet sein, wie sehen Erfolge aus. Berlin besonders der Westeil wird entlastet aber der Südosten von Berlin und Brandenburg wird belastet.

    Die Menschen im Osten zahlen und das nicht zum erstenmal die Zesche und die Politik schwingt dazu den Taktstock. Deutlich wird der Mensch muß hinter den Profitinteressen

    zurücktreten und unsere Volksvertreter spielen mit. Ja, das ist der demokratische Kapitalismus.

  • H
    H.G.

    Das wichtigste ist, dass der Flughafen optimal betrieben werden kann. Das sollte über allen Kompromissen stehen und als oberstes Ziel unangetastet bleiben. Insgesamt und unter dem Strich werden durch die Schließungen von Tempelhof und Tegel sowieso deutlich mehr Menschen in Berlin und Speckgürtel ent- als neu belastet.

  • D
    Dernachtsschlafenwill

    Fazit: ein Bericht, der wohl von jemandem mit Wohnsitz oder Immobilien in Potsdam geschrieben wurde, der taz absolut unwürdig.

     

    Es gibt kein "umweltverträgliches Fliegen". Das Flugzeug ist das umweltschädlichste aller Verkehrsmittel, und das gilt nicht nur für den Lärm, sondern auch für die Luftverschmutzung samt Klimaschaden, den Flächenverbrauch und jeden anderen Parameter.

     

    Der ganz große Witz jedoch ist, daß die heutige Massenfliegerei von den Steuerzahlern massiv subventioniert wird - auch von denen, die unter Lärm und Abgas zu leiden haben.

  • S
    Sigranna

    In diesem Satz bleibt völlig unerwähnt, dass gestern die DFS eine Entscheidung bekannt gegeben hat, in der 8 200 Mahlower der größten Fluglärmbelastung in Europa ausgesetzt werden. Die Menschen hier sollen 19 Stunden lang am Nacht, sieben Tage die Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr einer Belastung beginnend mit etwa 180 Fliegern ausgesetzt werden.

    Das ist vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge durch viel zu frühes Versterben. Zu einem solchen Bericht gehört - und das würde die journalistische Redlichkeit gebieten! - die Opfer zu benennen. Sie zu verschweigen, bedeutet, der egoistischen Mehrheit die Möglichkeit einzuräumen, dass sie weiterhin von Fluglärm verschont auch noch mit einem guten Gewissen gut schlafen können. Eine gewisse Gruppe an Menschen wird um ihre Grundrechte gebracht und geopfert. Und es wird verschwiegen! Sogar von der TAZ! Na toll!

  • H
    holger

    o heiliger sankt florian, verschon mein haus - zünd andre an.

  • JV
    Justus von Widekind

    "Ein kleinerer Teil - durchschnittlich 48 Maschinen pro Tag - soll über die Wannseebrücke nach Norden fliegen dürfen und damit über Berliner Gebiet. Dort fliegen die Jets aber schon in 2.400 Metern Höhe. Bis zu einer Höhe von etwa 1.500 Meter ist die Route exakt festgelegt, das dürften die meisten Flieger bei der Wannseebrücke erreicht haben."

     

    Also was jetzt: Wannsee ist in Berlin, welche Höhe dürften, müssten, sollten die Flieger jetzt haben: 1.500, 2.400 - oder wie oder was?

     

    Peselius hat Recht, dass die Konkurrenz vom anderen Ende der Dutschke-Strasse dazu klarer schreibt. Ist das wirklich so schwierig?

  • GN
    Gerhard Neumann

    Ich widerspreche meinem Vorkommentator eindeutig: Frau Pezzei berichtet endlich einmal in ausgewogener Weise über den heute getroffenen Kompromiss. Mehr als dreiviertel der Empfehlungen der Fluglärmkommission wurden angenommen! Die Bürgerinitiativen hatten eine Rückkehr zu den alten Flugrouten gefordert. Das ist geschehen!

     

    Mehrere zehntausend Menschen waren letztes Wochenende auf dem Flughafenfest. Mehrere hundertausend Menschen haben bisher den Infotower am BER besucht. Schon jetzt sind zig tausend Arbeitsplätze allein durch den Bau von BER geschaffen worden. Und was macht die deutsche Journaille? Redet nur von ein paar hundert Flugroutengegnern in einer Region mit fast vier Millionen Einwohnern. Ich bin politisch eindeutig links, aber mittlerweile machen mir die Wutbürger in Stuttgart und Kleinmachnow mehr Angst als jeder deutsche Politiker. Das sollte mal in den Feuilletons problematisiert und thematisiert werden!

  • P
    Peselius

    Junge, Junge, da ist ja selbst der Artikel vom Springerblatt "Berliner Morgenpost" kritischer:

     

    http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article1691351/Neue-Flugrouten-Regelung-nutzt-vor-allem-Potsdam.html

     

    Gerade bei einem umstrittenen Thema wie BBI, bzw. BER muss in der Berichterstattung mehr hinterfragt werden, selbst wenn man zu den Befürworten zählt. Zu den Stärken von Frau Pezzei gehört dieses offensichtlich nicht.

     

    Ich werde mit meiner Kritik mal bewusst unsachlich: Von Artikel zu Artikel wünschte ich mir immer mehr, Frau Pezzei möge doch eher vom Tulpenzauber im Britzer Garten schreiben, als über das Projekt BBI.