Abfalltrennung obligatorisch: Tonnen auf dem Vormarsch
Bis Ende August wird die Mülltonnen-Parade vervollständigt. Jeder Haushalt muss dann eine blaue und grüne Tonne haben, hat er keine Ausnahmeregelung beantragt.
Müll ist nicht gleich Müll. Das weiß man auch in Europas Umwelthauptstadt 2011. Wissen und Handeln klaffen in diesem Fall weit auseinander: Hamburg ist mit durchschnittlich 300 Kilo Hausmüll pro Person deutschlandweites Schlusslicht in Sachen Mülltrennung. Die neue Wertstoffverordnung soll das seit Anfang des Jahres ändern. Die Stadtreinigung Hamburg will den Vorgang beschleunigen, indem sie nach erneuter Erinnerung fehlende Tonnen einfach aufstellt.
"Wer nicht bis Ende August reagiert, wird zwangsangeschlossen", warnt der Geschäftsführer der Stadtreinigung Hamburg (SRHH) Rüdiger Siechau im Hamburger Abendblatt. "Völlig überspitzt", bewertet SRHH-Sprecher Andree Möller das Zitat: "Mülltrennung funktioniert nur, wenn man Lust drauf hat."
Seit Anfang des Jahres versuchen Stadt und Stadtreinigung, Hamburger Bürger zur Mülltrennung zu bewegen. In Briefen und Plakaten wirbt die SRHH für die neue Verordnung. Jetzt sollen Erinnerungen an diejenigen versendet werden, die auf die bisherigen Schreiben zur Wertstoffverordnung noch nicht reagiert haben.
"Wir sehen die Haushalte als potenzielle Kunden an. So behandeln wir sie auch", sagt Möller. Deshalb schließen sich an Erinnerungsschreiben zunächst Mahnungen und Bescheide an. Nur wer bis zuletzt nicht reagiert, muss mit rechtlichen Konsequenzen rechnen.
Wie immer gilt auch in Tonnen-Fragen: keine Regel ohne Ausnahme. Wer selbst kompostiert oder nachweislich keinen Platz hat, kann weiterhin auf die Mülltrennung verzichten. Bisher haben rund 17.000 der 90.000 kontaktierten Haushalte eine Ausnahmeregelung beantragt. Wie das kontrolliert wird? "Durch Stichproben", sagt Möller.
Finanzielle Vorteile sollen auch diejenigen von der Mülltrennung überzeugen, die mehr Wert auf den Geldbeutel als auf die Umwelt legen: Blaue und gelbe Tonne werden kostenfrei bereitgestellt, die grüne Tonne gibt es 70 Prozent günstiger als bisher und bei der Restmülltonne wurde aufgeschlagen. Wer trennt, spart jährlich bis zu 75 Euro.
Der Umweltbehörde geht es vor allem um alternative Energiegewinnung: Die Biogasanlage Stellinger Moor in Bahrenfeld versorgt bereits jetzt 2.500 Haushalte mit Strom. Ab Ende des Jahres soll auch im Kompostwerk Bützberg Biogas gewonnen werden. Wenn die Hamburger denn dann genug getrennt haben.
Nur eine kann sich für die bunte Tonnenparade nach wie vor nicht begeistern: Umweltsenatorin Jutta Blankau von der SPD. "Ich persönlich bevorzuge es, zum Container um die Ecke zu gehen, als mir noch eine blaue Papiertonne in den Garten zu stellen." Sie möchte eine Ausnahmeregelung zu ihrer eigenen Verordnung beantragen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“