Arbeitslosendrama "The Company Men": Pack den Karton
John Wells "The Company Men" versucht, die Rezession in den USA anhand eines Individuums abzubilden. Ben Affleck packt seinen Karton - und ist natürlich selber Schuld.
Es ist das emblematische Bild des aktuellen US-Kinos: die Kündigung. Männer, die ihren Büroschreibtisch leerräumen, persönliche Habseligkeiten wie Familienfotos, Pokale oder Firmenurkunden in einen Pappkarton stecken. Die mit hängenden Schultern ihren Arbeitsplatz verlassen. Obdachlose der Siegergesellschaft.
In dem Börsencrash-Thriller "Margin Call" erwischt es einen fassungslos dreinblickenden Stanley Tucci. Wütend wirft er sein Firmenhandy auf den Boden, weil es bereits abgestellt wurde. In dem George-Clooney-Vehikel "Up in the Air" wiederum wird man zum Zeugen von Massenentlassungen.
Wie am Fließband gibt es wütende, verzweifelte, traurige, schockierte Gesichter in Großaufnahme zu sehen, die ganze Palette resignierter Gesichtsausdrücke nach dem Rausschmiss. Um authentische Minenspiele auf die Leinwand zu bekommen, wurden für die Szenen übrigens echte Arbeitslose engagiert.
Auch "The Company Men", das Regiedebüt von John Wells, dem Produzenten von Erfolgsserien wie "Emergency Room", beginnt mit einer solchen Entlassungsszene. Hier packt Ben Affleck seinen Karton. Pathetische Musik setzt ein, wenn er in seinen Porsche steigt und sich auf den Weg zu seiner Villa am Stadtrand macht.
Eigentlich ist es ja löblich, dass sich Hollywood endlich mit den Folgen der Börsenzockerei beschäftigt und bemerkt, dass Arbeitslosigkeit in den USA ein Problem ist. Aber muss man davon wirklich so erzählen wie in "The Company Men"? Müssen wir tatsächlich dem nach wie vor uncharismatischen Ben Affleck dabei zuschauen, wie er in ein winziges Übergangsbüro zieht, sich verzweifelt um neue Arbeit bemüht, Trainingsprogramme absolviert und schweren Herzens sein teures Auto verkauft?
"Papa, du wirst doch jetzt nicht immer traurig sein"
Das Grundproblem des Films besteht darin, dass er uns zum Mitleid mit Menschen nötigt, die den eigenen Jobverlust durch jahrelange Abzockerei selbst zu verantworten haben. Und darin, dass das Drehbuch für die hier in einem sehr kleinen, privilegierten Gesellschaftsausschnitt dargestellte "Misere" nicht das Banken- und Finanzsystem, sondern den einen, skrupellosen Firmenboss verantwortlich macht. Eine andere Interpretation hatten allerdings auch die beiden "Wallstreet"-Filme von Oliver Stone nicht zur Hand.
Letztlich bleibt in "The Company Men" die Arbeitslosigkeit ein Stigma, das der Einzelne und nicht das außer Rand und Band geratene kapitalistische System zu verantworten hat. Zudem kennt Affleck für die Identitätskrise seiner Figur nur einen Ausdruck. Wie ein gebeutelter Hund läuft er durch die Zimmerfluten seines Hauses, beteuert mit heruntergezogenen Mundwinkeln, dass alles okay sei, und dreht gesenkten Blickes die dicken Steaks auf dem Grill um. Aber natürlich hat er eine liebreizende Frau, die sich rührend um ihn kümmert, und Kinder, die besorgt Sätze aufsagen wie: "Papa, du wirst doch jetzt nicht immer traurig sein." Und die dafür beten, dass ihr Daddy wieder einen Job findet.
Viel lieber schaut man hingegen Papas ebenfalls entlassenen Kollegen, gespielt von Chris Cooper und Tommy Lee Jones, beim Leiden zu. Bei diesen Figuren entwickelt der Film eine schöne Beiläufigkeit, wechselt von einem sentimentalen bis weinerlichen in einen schärferen, fast schon zynischen Tonfall. Etwa wenn Chris Coopers Figur von einer Arbeitslosenberaterin zu hören bekommt, dass er sich die angegrauten Haare schwarz färben solle, um bei Vorstellungsgesprächen jünger zu wirken. Auch mit dem Rauchen solle er mal besser aufhören, um die Kosten bei der Krankenkasse zu senken.
Wie es sich für einen waschechten Helden des US-Mainstreams gehört, reagiert auch Afflecks Figur durchaus anpassungsfähig auf die neue Situation. Selbstverständlich findet Bobby am Ende doch wieder zu sich und einer neuen Arbeit. Und zu der Ansicht, dass Geld und Luxus doch nicht alles im Leben sind. Man kommt nicht umhin, zu bemerken, dass ein Exmanager sich solche Erkenntnisse leichter leisten kann als, sagen wir mal, ein arbeitsloser Stahlarbeiter aus Ohio. Und denkt man an den Überlebenskampf der arbeitslosen Helden des britischen Regisseurs Ken Loach, dann hält sich unser Mitgefühl mit einem Helden, der sich gedemütigt fühlt, weil er wegen ausbleibender Zahlungen aus seinem Golfclub herausgeworfen wird, doch sehr in Grenzen.
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