piwik no script img

Kommentar Ecuadors MedienEigentor in Ecuador

Kommentar von Gerhard Dilger

Mit seiner Verleumdungsklage gegen die Zeitung "El Universo" erweist Präsident Correa der Meinungsfreiheit und Pressevielfalt in ganz Lateinamerika einen Bärendienst.

E cuadors linker Präsident Rafael Correa ist ein autoritärer Charakter. Mit seiner Verleumdungsklage gegen die Oppositionszeitung El Universo erweist er aber nicht nur seinen eigenen Reformbemühungen einen Bärendienst, sondern auch der Meinungsfreiheit und Pressevielfalt in ganz Lateinamerika.

Der Staatschef will unbotmäßige Journalisten zum Schweigen bringen und die größte Zeitung Ecuadors in den Ruin treiben. Doch damit nicht genug: Der Prozess, in dem ein Journalist und drei Verleger erstinstanzlich zu je dreijähriger Haft und einer Millionenstrafe verurteilt wurden, war auch unter rechtsstaatlichen Kriterien eine Farce - ein Ersatzrichter urteilte im Schnellverfahren. Dass das korrupte, ineffiziente Justizwesen überholt werden muss, so ein erklärtes Ziel Correas, bestreitet niemand. Doch als bloße Ausführungsorgane der Exekutive sind Gerichte ebenso nutzlos. Zudem steht die Aufhebung der Gewaltenteilung in eklatantem Widerspruch zur neuen Verfassung von 2008.

In seinem Clinch mit den mächtigen Privatmedien steht Correa in Südamerika nicht alleine da. Viele seiner linken Kollegen wollen die Verquickung zwischen Wirtschaftsinteressen und Medien aufbrechen oder zumindest abschwächen. Mit der Unterstützung von unabhängigen Basisradios oder dem Aufbau öffentlicher Sender möchten sie mehr Pressevielfalt erreichen - ein lobenswertes, aber auch langwieriges Projekt. Bislang sind die meisten "öffentlichen" Medien wenig mehr als Sprachrohre der jeweiligen Regierung.

taz
GERHARD DILGER

ist Südamerika-Korrespondent der taz. Er lebt und arbeitet in Porto Alegre, Brasilien.

Bei ihren Versuchen, die Macht der Oligopole zu brechen, schießen die Staatschefs häufig übers Ziel hinaus, allen voran der Venezolaner Hugo Chávez oder Cristina Fernández de Kirchner in Argentinien. Rafael Correa wäre gut beraten, wenn er seine Verleumdungsklage fallen ließe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

5 Kommentare

 / 
  • GD
    Gerhard Dilger

    Lieber Herr Huber,

     

    mein Kommentar bezog sich weder auf den Strafbestand der Verleumdung noch auf die letzte Volksbefragung (das wäre wieder eine andere Debatte).

     

    Zum "Schnellverfahren": Damit meinte ich die letzte Phase vor der Urteilsverkündung: Der Richter war 33 Stunden im Amt, leitete die letzte Anhörung und unterschrieb dann ein 156-seitiges Urteil.

     

    Die Verfassung von 2008 sieht eine Ausweitung der Gewaltenteilung vor: eine unabhängige Wahlaufsicht sowie Instanzen zur "Transparenz und Kontrolle durch die Gesellschaft". Die gegenwärtige Entwicklung geht in eine ganz andere Richtung...

     

     

    Gruß GD

  • MH
    Martin Huber

    Pressefreiheit ist nicht mit Verleumdungsfreiheit zu verwechseln (vgl. StGB § 187, 188). Verleumdung bedeutet nach ecuadorianischem Recht, jemanden fälschlich eines Deliktes zu bezichtigen (Código Penal, § 489). Genau das hat Palacio in seinem Artikel getan.

    Nach Einreichung der Klage im März 2011 hatte die Zeitung 6 Monate Zeit, um eine Richtigstellung zu veröffentlichen, zu der sie laut Verfassung verpflichtet gewesen wäre (§ 66, Absatz 7). Es hat sich also auch nicht um ein "Schnellverfahren" gehandelt. Und die Gewaltenteilung ist in Ecuador ebenfalls nicht aufgehoben. Interessant, dass Dilger sich für kompetent hält, die Verfassungskonformität eines Volksentscheids infrage zu stellen, dessen Fragen vom Verfassungsgericht selbst formuliert wurden...

  • JZ
    jan z. volens

    Hanno Bruchmann berichtet ueber dieses Thema - sieh Amerika21.de - ueber die wirklichen Umstaende und die propagandistische Agitation mit welcher die Verurteilten die Putschisten anfeuerten waehrend sie den demokratisch gewaehlten ueberwaeltigt und gefangen hatten. Dilger scheint sich auf Angriffe gegen alle linke Praesidenten zu spezialisieren - und berichtet nie etwas ueber die USA, NATO und den Vatikan in Suedamerika... Aber da er nicht von wichtigen Publikationen in Mitteleuropa verbreitet wird - ist wirkt seine Propaganda nur zur Verdummung von einigen Gruenen und wenigen Linken. Bezugs Pressfreiheit, selbst Michael Shifter of "Interamerican Dialogue" in Washington erklaerte: "The opposition in Venezuela has enough space!" Der liest natuerlich keinen Dilger oder taz...

  • JZ
    jan z. volens

    Es gibt keinen "linken" Praesidenten in Suedamerika welcher nicht von Mr. Dilger angegriffen wird. Ist das seine wirkliche "Mission" fuer seine Auftraggaeber ? Mr. Dilger erklaert seine Funktion als "Viel staerker muessten aber noch Widersprueche innerhalb der Linken thematisiert werden: Ohne echte Debatten kein anderes Amerika!"-- Also Widersprueche innerhalb der Linken sind das Hindernis fuer ein "anderes Amerika": Nicht der Einfluss der USA und ihrer NATO-"Partner" und des Vatikans! Deshalb berichtet der "taz Korrespondent" nie ueber die Umtriebe der USA oder des Vatikans in Lateinamerika! Was Lateinamerikaner heute ueber die Umtriebe der USA aus "wikileaks" lernen - wird nicht vom "taz-Korrespondent" in Porto Alegre berichtet, genau so wenig wie ueber ueber das Thema der U.S. Militaerbasen in Lateinamerika und weltweit - ein Thema waehrend des Welt Sozial Forums, 27-28.Jan, 2011 - in Porto Alegre - wo der "taz-Korrespondent" Dilger zur Zeit wohnt (obwohl die wirkliche Korrespondenten alle in Sao Paulo oder Brasilia statironiest sind!)

  • PC
    Pedro Calderón

    Ihren Kommentar hier eingeben

    Offenkundig, auch linken Folkloristen - die alles besser wiesen - reihen sich ein, um genau wie die rechten in Ecuador ein komplexes Thema, wie die politische Übermacht der Massenmedien, zu bagatallisieren.