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Uiguren-Unruhen in WestchinaPeking beschuldigt "Terroristen"

In der chinesischen Grenzregion Xinjiang sind ethnische Spannungen und Gewalt wieder eskaliert. Peking macht Terrorlager in Pakistan verantwortlich.

In der Krisenregion: Chinesische Soldaten in Kaschgar. Bild: reuters

PEKING taz | In Kaschgar habe die Polizei zwei Uiguren auf der Flucht "rechtmäßig hingerichtet", erklärten gestern die Behörden der westchinesischen Stadt. Die 29- und 34-jährigen Männer seien "terroristische Kriminelle", die sich an Gewalttaten beteiligt hätten, die Kaschgar am Sonntag erschüttert hatten. Diese Attacken seien von Extremisten ausgeführt worden, die in Terror-Trainingslagern in Pakistan ausgebildet wurden, berichteten Chinas Medien.

Damit stieg die Zahl der Toten in Kaschgar auf 18. Erst vor zwei Wochen war es in Hotan, einer anderen Stadt der rohstoffreichen Wüstenregion, zu Unruhen gekommen. Dort starben über 20 Menschen bei Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Unklar ist, was genau in Kaschgar passierte – und warum. Die meisten chinesischen Medien berichten nur in wenigen Sätzen. Laut amtlicher Nachrichtenagentur Xinhua stürmten Banden von Uiguren mit Messern und Hacken plötzlich am Samstag auf einem Markt, am Sonntag in einem Restaurant auf ihre Opfer los. Zwischenzeitlich seien Bomben explodiert. Die Angriffe hätten sich gegen hanchinesische Zuwanderer gerichtet, unter den Opfern seien aber auch Uiguren, so Xinhua.

Zum Beweis terroristischer Absichten präsentierten die Behörden "drei Sicheln, zwei Messer, zwei Dolche und eine Machete". Einige Verhaftete hätten extremistische Motive eingestanden. "Die Anführer der Angreifer waren vorher nach Pakistan geflohen und hatten den Bau von Sprengsätzen und Feuerwaffen in Lagern der terroristischen Gruppe 'Islamische Bewegung Ostturkestan' (ETIM) gelernt, bevor sie wieder nach Xinjiang zurückschlichen", erklärten die Behörden von Kaschgar. Ziel sei es, die Harmonie zwischen den Volksgruppen zu zerstören und einen heiligen Krieg zu entfachen.

Zur Befriedung hat die Regierung in Peking in den letzten Jahren viel Geld in Xinjiang investiert. Kaschgar soll zum Handelszentrum zwischen Westchina und den zentralasiatischen Nachbarn ausgebaut werden. Das Versprechen von Jobs und Wohlstand soll Unruhen wie 2009 verhindern, als in der Provinzhauptstadt Urumqi fast 200 Menschen – meist Hanchinesen – getötet wurden. Doch Uiguren beklagen, dass neue Arbeitsplätze vor allem Han zugute kämen.

Pakistans Geheimdienstchef besucht Peking

Ressentiments schüren auch massive Polizeikontrollen, die sich vor allem gegen die Uiguren richten. Auch der Abriss traditioneller Wohnsiedlungen erzürnt viele Bewohner Kaschgars. Zudem gibt es Ärger, wenn die Behörden Vorschriften durchsetzen, wonach Beamte und Angestellte in Staatsbetrieben keine Bärte tragen oder sich nicht verschleiern dürfen. Daran soll sich in Hotan der Protest entzündet haben.

Peking sieht dahinter stets Drahtzieher im Ausland. Der Vorwurf, Uiguren trainierten in islamistischen Terrorcamps in Pakistan, fällt just mit dem Pekingbesuch des pakistanischen Geheimdienstchefs in dieser Woche zusammen.

Das Verhältnis Peking-Islamabad ist so eng wie kompliziert. China sieht seinen Nachbarn als wichtigen Verbündeten in Südasien und als guten Kunden für Rüstungsgüter. Doch misstraut Peking den islamistischen Kräften in Pakistans Militär. Islamabad hofft auf China, weil die USA ihre Militärhilfe für Islamabad kappten. Doch China verlangt Gegenleistungen wie das Versprechen von Pakistans Geheimdienstchef, keine Uiguren mehr in pakistanische Lager zu lassen.

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5 Kommentare

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  • MD
    maria daubenbuechel

    die uigurier sind muslime,das ist so.als busch nach dem anschlag am 11.9. 2001

    von terrorismus sprach,übernahmen rußland und china sehr schell diese bezeichnung,um die tschetschenen dort und die uigurier in china ebenfalls als terroristen zu zu behandeln.für sie war die vorverurteilung ein gefundenes fressen,um ungestört und mit duldung (aus opportunismus) von europa und usa menschen zu unterdrucken und umzubringen.bis heute werden die uigurier ,die im nordwesten von china leben,überwacht,gedemütigt,landen grundlos im gefängnis oder werden "einfach" umgebracht.china geht es um erhalt und aus-dehnung ihrer machtsphäre , und da ist ihnen jedes mittel recht.wenn man interessiert ist, mehr zu erfahren,dann kann man informationen über die gesellschaft für bedrohte völker bekommen (www.gfbv.de) ,oder das buch von rebiya kadeer "die himmelsstürmerin"lesen.das verhindert,daß man in leserbriefen dummes zeug von sich gibt.

  • L
    lvm

    lieber thomas!

     

    wer legt denn dann erstmal fest, wer ein islamist ist und wer nicht? bitte um schnellstmögliche aufklärung!

     

    mfg

    lvm

  • T
    Thomas

    Die Islamisten müssen weltweit entschieden und kraftvoll bekämpft werden.

  • M
    Marcus

    Man könnte die "Investitionen" auch bein Namen Sinesierung nennen. Der Haubtzeg ist doch eine Han-Chinesische Ober- und Mittelschicht aufzubauen. Um später zeigen zu können wie gut es der Provinz geht und dass die Proteste nur von jene Minderheit getragen wird die nicht Arbeiten will. Das diese Minderheit, die Uriguren erst dazu gemacht wrerden wen Interessierts. So wird eine Regierungstreue Elite geschaffen und lokale Führungsstrukturen werden Marginalisiert. Selbes Prinzip wie in Tibet. Da wollen ja auch nur die alten Feudalherren etwas änderen...

  • IW
    Ingrid werner

    Befriedung. Ist ein Wort zugehörig zum Begriffsrepertoire der Repression in China. Genau wie Harmonisierung. alles was übersteht und stört wird zurechtgestutzt. Halte es übrigens gar nicht für so unwahrscheinlich, dass sich die Leute dort den Islamisten anschließen. Welche demokratische Macht sollte ihnen Hilfe bieten? Und Pakistan ist nah. Sollte die chinesische KP nicht endlich ihr Bewusstsein für Menschenrechte, gewaltfreie Regierungsmethoden und echten Dialog mit den Menschen öffnen werden der Region noch Jahrzehnte des Leidens, des Terrors und Gegenterrors bevorstehen. Und man denkt die Menschen lernen aus Geschichte...