Kommentar Libyen: Das Regime ist am Ende
Die Nato sollte ihre Kampfhandlungen einstellen, um eine Lösung am Verhandiungstisch zu ermöglichen. Auch gilt es jetzt, auf die Rebellen mäßigend einzuwirken.
D er Konflikt zwischen dem Gaddafi-Regime und der libyschen Opposition ist in seine entscheidende, möglicherweise letzte Phase getreten.
Der erstmalige und völlig fehlgeschlagene Einsatz einer Scud-Rakete gegen die Rebellen beweist keine militärische Überlegenheit, sondern ist eher eine Verzweiflungstat angesichts der absehbaren Niederlage Gaddafis. Diese vor Augen setzte sich mit dem stellvertretenden Innenminister erneut ein führendes Mitglied des Machtzirkels um Gaddafi ins Ausland ab.
Nach der absehbaren Eroberung der strategisch wichtigen Küstenstadt Sawija westlich von Tripolis kontrollieren die Rebellen die Verbindungsstraße nach Tunesien und damit die letzte Nachschublinie. Nur über sie gelangten bislang noch Benzin, Waffen und Lebensmittel in die Hauptstadt und zu den Regierungstruppen.
ist UN-Korrespondent der taz mit Sitz in Genf.
Wichtigstes Indiz dafür, dass die Tage Gaddafis gezählt sind, ist aber die Teilnahme seines Außenministers und anderer hochrangiger Vertreter des Regimes an Geheimverhandlungen mit den Rebellen auf der tunesischen Insel Djerba.
Um den Verlauf dieser Verhandlungen zu begünstigen, sollten die Nato-Luftstreitkräfte ihre Bombardements jetzt einstellen. Eine Fortsetzung der Luftangriffe würde etwa die Rolle Katars unterminieren.
Bislang war das Emirat an der Militäraktion beteiligt, nimmt aber jetzt bei den Verhandlungen auf Djerba gemeinsam mit Südafrika die wichtige Rolle des Vermittlers wahr.
Außerdem sollten die Regierungen der Nato-Staaten nun ihre politische Verantwortung für die Zukunft Libyens wahrnehmen und mäßigend auf die Rebellen einwirken. Denn an deren politischen Integrität und Führungsstärke mehren sich jüngst die Zweifel.
Berichte über Plünderungen und Vertreibungen von Gaddafi-treuen Zivilisten durch Rebellenmilizen lassen die Sorge wachsen, dass es nach Gaddafis Rücktritt zu blutigen Stammesfehden kommen könnte.
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