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Kommentar LibyenDas Regime ist am Ende

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Die Nato sollte ihre Kampfhandlungen einstellen, um eine Lösung am Verhandiungstisch zu ermöglichen. Auch gilt es jetzt, auf die Rebellen mäßigend einzuwirken.

D er Konflikt zwischen dem Gaddafi-Regime und der libyschen Opposition ist in seine entscheidende, möglicherweise letzte Phase getreten.

Der erstmalige und völlig fehlgeschlagene Einsatz einer Scud-Rakete gegen die Rebellen beweist keine militärische Überlegenheit, sondern ist eher eine Verzweiflungstat angesichts der absehbaren Niederlage Gaddafis. Diese vor Augen setzte sich mit dem stellvertretenden Innenminister erneut ein führendes Mitglied des Machtzirkels um Gaddafi ins Ausland ab.

Nach der absehbaren Eroberung der strategisch wichtigen Küstenstadt Sawija westlich von Tripolis kontrollieren die Rebellen die Verbindungsstraße nach Tunesien und damit die letzte Nachschublinie. Nur über sie gelangten bislang noch Benzin, Waffen und Lebensmittel in die Hauptstadt und zu den Regierungstruppen.

kristin flory
ANDREAS ZUMACH

ist UN-Korrespondent der taz mit Sitz in Genf.

Wichtigstes Indiz dafür, dass die Tage Gaddafis gezählt sind, ist aber die Teilnahme seines Außenministers und anderer hochrangiger Vertreter des Regimes an Geheimverhandlungen mit den Rebellen auf der tunesischen Insel Djerba.

Um den Verlauf dieser Verhandlungen zu begünstigen, sollten die Nato-Luftstreitkräfte ihre Bombardements jetzt einstellen. Eine Fortsetzung der Luftangriffe würde etwa die Rolle Katars unterminieren.

Bislang war das Emirat an der Militäraktion beteiligt, nimmt aber jetzt bei den Verhandlungen auf Djerba gemeinsam mit Südafrika die wichtige Rolle des Vermittlers wahr.

Außerdem sollten die Regierungen der Nato-Staaten nun ihre politische Verantwortung für die Zukunft Libyens wahrnehmen und mäßigend auf die Rebellen einwirken. Denn an deren politischen Integrität und Führungsstärke mehren sich jüngst die Zweifel.

Berichte über Plünderungen und Vertreibungen von Gaddafi-treuen Zivilisten durch Rebellenmilizen lassen die Sorge wachsen, dass es nach Gaddafis Rücktritt zu blutigen Stammesfehden kommen könnte.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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7 Kommentare

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  • B
    Bernd

    Für diejenigen, die abseits der Massenmedien wissen wollen, wie die Lage in Lybien tatsächlich ist, empfehle ich folgendes Blog:

    http://julius-hensel.com/

  • HS
    Hari Seldon

    Was wir in Libyen sehen, ist eine offene Agression und Neokolonialismus pur. Libyen hat ca. 6,8 Millionen Einwohner, davon ca. 0,8 Millionen sind die rebellierenden Stämme. Die anderen stehen für Kadhafi. Einige westlichen Mächte wollen in Libyen fette Beute machen, und ignorieren sogar die eigenen Beschlüsse (zum Beispiel die französischen Waffenlieferungen trotz Waffenembargo), und führen einen offenen Angriffskrieg gegen Libyen. In Benghazi Panzer und Söldner aus Katar schiessen die Bevölkerung, die die Nase mit den Rebellen voll hat. Dazu kommen noch etnische Säuberungen gegen der schwarzen Stämmen in Libyen (ca. 25% der Bevölkerung in Libyen gehört zu schwarzen Stämmen). In Libyen geht es nicht um Demokratie, sondern um das Ausrauben von einem unabhängigen Lang durch Fremde (England, Frankreich, USA) mit Hilfe von örtlichen Vasallen. Die Rebellen kämpfen unter der Flagge der ehemaligen König, der bekanntermaßen der Vasall der Briten und Franzosen war. Afrika wird die Bomben aus Europe nicht vergessen, und am Ende des Tages werden Russland und China sich freuen. Es ist sehr gut, dass Deutschland bei diesen Kriegsverbrechen nicht dabei ist. Sarközy, Cameron, und Obama sollten vor Kriegsgericht als Kriegsverbrecher stehen, und nicht Kadhafi.

  • TS
    Träumen Sie weiter....

    Das Regime ist am Ende und Tripolis in großer Depression: Schön das es das libysche Fernsehen trotz Bombardierung noch gibt, sonst könnten diese Bilder nicht mehr gezeigt werden:

     

    http://www.youtube.com/watch?v=4wxRvpbmouA&feature=channel_video_title

     

    Massenkundgebung von kämpferischen und zuversichtlichen Menschnen in Tripolis!!!

  • UZ
    Unablässig zum 'Endsieg' - oder die TAZ-NATO-Wochenschau

    Ihr Kommentar ist kein seriöser Journalismus, sondern nur eine Aneinanderreihung ihrer Vorurteile und ihres realitätsresistenten, eurozentristischen und rassistischen Weltbildes! Was gibt Ihnen das Recht, Libyen als ein 'Regime' zu titulieren? Libyen hat seinen Weg zu einem arabischen Sozialismus gefunden in bewußter Abgrenzung der Parteienherrschaftssysteme im Dunstkreis der Sowjetunion. Libyen hat den höchsten Lebensstandard Afrikas und ein vorbildliches Sozialsystem was sogar noch im Januar 2011 von der UNO gelobt wurde. Es gibt kaum ein Unterschied zwischen Arm und Reich und die große Mehrheit der Firmen ist Volkseigentum. Es hat bewußt basisdemokratische Volkskongresse eingeführt welche die Vollversammlungen der lokalen Bevölkerung sind. Dort wird auf direkte demokratische Weise über die lokalen Belange entschieden und werden auch die lokalen Selbstverwaltungsorgane organisiert (wohlgemerkt: von Unten noch Oben!). Aus diesen Volkskongressen heraus werden die Volkskommitees gebildet, analog gibt es Stammeskommitees und Stammeskongresse. Gaddafi ist kein 'Diktator' und hat auch kein politisches Amt, aber er wird von der überwältigenden Mehrheit seines Volkes als moralische Autorität und Revolutionsführer respektiert und verehrt. Dass dies vielleicht nicht ihrem Bild einer westlichen Demokratie entspricht (wo übrigens korrupte Parteien vollkommen abgehoben vom Volk von den Banken und Konzernen gekauft sind) gibt Ihnen nicht das Recht, von einem Regime zu sprechen!! Oder sollten wir nicht umgekehrt von einer Banken- und Konzerndiktatur in Europa sprechen oder von der Mediendiktatur unserer korrupten Parteien und der privaten Medienkonzerne? Und die 'Scud-Rakete' aha... haben Sie Belege dafür? Wir haben schon viele Falschinformationen der NATO und seiner 'Rebellen' gehört. Und wer redet von den mittlerweile weit über 1000 Tomahawk-Raketen der NATO? Je nach Bauart enthalten sie 3 kg abgereichertes Uran (als Flugstabilisator im Flügel) oder 400 kg abgereichertes Uran (bei bunkerbrechenden Modellen). Neben der gewaltigen Zerstörungskraft findet auch noch gleichzeitig eine radioaktive Verstrahlung der Umgebung statt. Und die Geschichte mit dem Innenminister - sie meinen Nassr al-Marbrouk - der ist am 16.08.2011 live im libyschen Fernsehen aufgetreten und hat nochmal seine Loyalität zur libyschen Regierung erklärt - aber schöne Propagandashow um den Zerfall libyschen Regierung herbeizuphantasieren! Es wurde ja schon von Gaddafis Ehefrau momentan in Tunesien schwadroniert, sie hätte sich von Gaddafi losgesagt -vollkommener Unsinn - momentan strebt sie ein Gerichtssverfahren wegen Kriegsverbrechen durch Sarkozy, Cameron und Obama an. Al Zawia und die anderen Städte sind - bis auf wenige Widerstandsnester - unter vollkommener Kontrolle der Regierung. Dies mag für Sie Propaganda sein, wenn man aber weiß, dass die CIA/Al-Kaida Rebellen und NATO-Söldner über keinerlei Unterstützung unter der Bevölkerung verfügen, wundert mich das nicht. Von Zusammenbruch und schlechter Motivation der libyschen Armee kann gar keine Rede sein. Erst vorgestern Abend wurde mit Misurata die drittgrößte Stadt Libyens - vollkommen von den westlichen Propagandamedien bis heute verschwiegen - von der libyschen Armee und den Stämmen in einer gemeinsamen Aktion fast vollständig eingenommen. Im übrigen wird diese 'Revolution' von der überwältigenden Mehrheit der Libyer als das angesehen, wes sie ist: Ein vom Ausland angezettelter Aufstand und eine imperialistische Aggression, mit Waffen und Geld von NATO und Diktaturen am Golf mit dem Ziel das Öl an sich zu reißen und Afrika zu rekolonisieren! Erst die NATO-Aggression hat die Leute so zusammengeschweißt und sie sind hochmotiviert für den Kampf! Den anderen Unsinn, den Sie hier verzapfen zu widerlegen, würde jetzt den Rahmen sprengen....

  • H
    Hasso

    Man sieht mal wieder, was für ein lächerliches Hündchen ein Diktator ist, wenn das Volk sich gegen ihn wendet. Mit dem Volk steht alles. Gegen das Volk fällt alles! Und wenn die Volksparteien hier so weiter machen, nützt ihnen auch die Einführung einer "Söldner-Armee" nichts.

  • F
    Florentine

    Was ist schon dieses Raketchen gegen das Bombardement der US-NATO? Wieviele Zivilisten starben nochmal dadurch? Natürlich steht der Sieger dieses ungleichen Kampfes US-NATO und deren Schergen gegen Libyen fest. Es glaubt wohl niemand, dass die US-NATO Libyen angreift und nach Monaten des Krieges unverrichteter Dinge abzieht, als wäre nichts geschehen.Alleine der Gesichtsverlust. Die wussten, was sie taten und tun und wollten/wollen den Regime-Change. Dass dieses Ziel dem noch gültigen Völkerrecht widerspricht und damit Rechtswidrig ist-was solls. Wer die dicksten Bomben wirft und den Krieg gewinnt, hat Recht, gelle. Was sämtliche Fans dieses Krieges nachdenklich machen sollte,falls nicht gänzlich der taz-Propaganda verfallen: wieso hält Gaddafi 6 Monate der stärksten Militärmacht der Welt stand, wenn er doch sein Volk so furchtbar behandelt hat und dieses Volk nun gegen ihn Aufstand?

    Nun liegt Libyen in vielen Teilen in Trümmern, was der Katastrophenindustrie der USA Milliardengewinne beim Wiederaufbau verspricht. Die Menschen sind kriegserschöpft und manipulierbar. Der US-Run auf die Bodenschätze ist freigeggeben. (frei nach Naomi Kleins Buch: Die Schock-Strategie)Von Demokratie wird offiziell viel die Rede sein.

  • S
    Stefan

    Das hört sich verdächtig nach "Krieg ist nie eine Lösung" an. Wie wäre es mit: Die Angriffe müssen verstärkt werden um dem blutigen Diktator klar zu machen, dass es keinen Ausweg gibt. Und um den Krieg zu verkürzen.

    Diese Typen haben ein anderes Denkmuster als wir es haben. Für die ist ein freundliches Zurückweichen kein Good Will, vielmehr ein Zeichen von Schwäche.