Kommentar Libyen: Das Regime ist am Ende

Die Nato sollte ihre Kampfhandlungen einstellen, um eine Lösung am Verhandiungstisch zu ermöglichen. Auch gilt es jetzt, auf die Rebellen mäßigend einzuwirken.

Der Konflikt zwischen dem Gaddafi-Regime und der libyschen Opposition ist in seine entscheidende, möglicherweise letzte Phase getreten.

Der erstmalige und völlig fehlgeschlagene Einsatz einer Scud-Rakete gegen die Rebellen beweist keine militärische Überlegenheit, sondern ist eher eine Verzweiflungstat angesichts der absehbaren Niederlage Gaddafis. Diese vor Augen setzte sich mit dem stellvertretenden Innenminister erneut ein führendes Mitglied des Machtzirkels um Gaddafi ins Ausland ab.

Nach der absehbaren Eroberung der strategisch wichtigen Küstenstadt Sawija westlich von Tripolis kontrollieren die Rebellen die Verbindungsstraße nach Tunesien und damit die letzte Nachschublinie. Nur über sie gelangten bislang noch Benzin, Waffen und Lebensmittel in die Hauptstadt und zu den Regierungstruppen.

Wichtigstes Indiz dafür, dass die Tage Gaddafis gezählt sind, ist aber die Teilnahme seines Außenministers und anderer hochrangiger Vertreter des Regimes an Geheimverhandlungen mit den Rebellen auf der tunesischen Insel Djerba.

Um den Verlauf dieser Verhandlungen zu begünstigen, sollten die Nato-Luftstreitkräfte ihre Bombardements jetzt einstellen. Eine Fortsetzung der Luftangriffe würde etwa die Rolle Katars unterminieren.

Bislang war das Emirat an der Militäraktion beteiligt, nimmt aber jetzt bei den Verhandlungen auf Djerba gemeinsam mit Südafrika die wichtige Rolle des Vermittlers wahr.

Außerdem sollten die Regierungen der Nato-Staaten nun ihre politische Verantwortung für die Zukunft Libyens wahrnehmen und mäßigend auf die Rebellen einwirken. Denn an deren politischen Integrität und Führungsstärke mehren sich jüngst die Zweifel.

Berichte über Plünderungen und Vertreibungen von Gaddafi-treuen Zivilisten durch Rebellenmilizen lassen die Sorge wachsen, dass es nach Gaddafis Rücktritt zu blutigen Stammesfehden kommen könnte.

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Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.

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