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Kommentar Angriff auf PKKDer Frieden ist weit entfernt

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Weiter herrscht Krieg im kurdischen Teil der Türkei. Weil Kämpfer der PKK Angst haben, als Bauernopfer zu enden und Erdogan konservative Kurden auf seine Seite ziehen will.

H ört das denn nie auf? Das ist wohl die häufigste Frage, die sich Türken wie Kurden angesichts der letzten Nachrichten stellen. Es herrscht Überdruss, die Leute sind frustriert und ratlos. Nach erbitterten Kämpfen, Waffenstillständen, Friedensinitiativen und Konzessionen an die Minderheit ist man jetzt wieder an demselben Punkt wie vor fünf Jahren. Täglich sterben junge türkische Wehrpflichtige und ebenso junge kurdische Guerillakämpfer - und kaum noch jemand weiß, wofür.

Offiziell hat die PKK die Forderung nach einem eigenen Staat längst ad acta gelegt. Der inhaftierte PKK-Führer Abdullah Öcalan verhandelt mit dem Staat, und die Kurden werden durch eine eigene Fraktion im Parlament repräsentiert. Gleichzeitig beteuert die Regierung, man wolle den Konflikt politisch lösen, in der kommenden Verfassung sollen Provinzen und Städte mehr Selbstständigkeit erhalten. Trotz dieser guten Voraussetzungen ist der Frieden weit entfernt.

Auf die Frage, warum das nie aufhört, gibt es ein ganzes Bündel von Antworten. Eine davon: Unter den Kurden gibt es zu viele, die Angst haben, bei einem Friedensschluss übergangen zu werden. Das betrifft im Moment vor allem die PKK-Militärchefs Murat Karayilan und Cemil Bayik, die befürchten, bei einem Deal Öcalans mit dem Staat als Bauernopfer ins Exil geschickt zu werden.

Jürgen Gottschlich

ist Türkei-Korrespondent der taz. Er lebt und arbeitet in Istanbul.

Auf der anderen Seite ist Ministerpräsident Erdogan nach wie vor nicht bereit, mit der kurdischen BDP ernsthaft zu verhandeln. Er hofft, den konservativen, religiösen Teil der kurdischen Gesellschaft von der linken BDP zu entfremden und für seine AKP zu gewinnen. Bei diesem Pokerspiel kann kein Vertrauen entstehen. Es fehlt die wichtigste Voraussetzung für einen Friedensschluss.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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9 Kommentare

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  • R
    Roj

    Dieser TC-Staat muss endlich nach 85 Jahren verstehen, dass die Kurden sich nicht unterdrücken lassen.

     

    Wenn Sie über 10 000 gewählte Volksvertreter (Gemeindepolitiker, Bürgermeister) verhaften lassen, jegliche gegenteilige Meinung mit Folter und Tod bestrafen, nur ²Sunuiten und Türken² als Staatsbürger verstehen, dass kann es sein dass Menschen gibt, die für Ihre Freiheit alles tun werden, auch sterben wollen. Alleine seit Regierungsbeginn von dem Georgier Erdogan, hat das Polizei und Militärapparat der Türken über 145 Kinder unter 10 erschossen!

    Von diesem TC-Staat existiert in Kurdistan nur das Militär, Paramiliär, Jandarmen, Polizei und Geheimpolizei!

     

    Das allein ist die Wurzel allen Übels!

  • B
    bull

    @Welateme:

    Und Kurden müssen auch lernen dass es auch Staatsbürgerliche Pflichten gibt.

    Dazu gehört bestimmt nicht Mord und Totschlag.Ich kenne viele Kurden in der Türkei die durch anständige Arbeit und friedliches Verhalten uneingeschränkte Sypmathien geniessen.Diese Drecks PKK jedoch wird samt Ihren Anhängern hoffentlich bald der Geschichte angehören.

  • W
    WELATEME

    Kurden haben jetzt alle Rechte auf ihrer Seite und werden sich mit demokratischen Mitteln durchsetzen. Dank der neuen Technologien haben die Kurden so viel Selbstbewusstsein wie noch nie. Die kurdische Bewegung wird solange weitergehen, bis endlich Demokratie, Achtung der Menschenrechte und Freiheit in Kurdistan Realität geworden sind. Türken müssen lernen, diese Entwicklung in Demut und Respekt zu akzeptieten.

  • HK
    Hejaro Kardox

    @bull: Sie lügen einfach absichtlich.

    MfG

  • B
    bull

    Minderheitenrechte für die Kurden?

    Was soll der Quatsch,Kurden haben in der Türkei alle staatsbürgerlichen Rechte.Wer etwas anderes behauptet lügt mit Absicht.

  • F
    Freiheitsadler

    Dieser Konflikt wird noch Jahrhunderte andauern, solange die Kurden nicht ihr Recht auf Selbsbestimmung in Form einer Autonomie bekommen.

    Es liegt alles in der Hand der Türkei, diesen "Krieg" zu beenden und endlich Ruhe zu schaffen.

  • H
    Harald

    Erdogan hat die konservativen, islamischen Kurden längst für sich gewonnen, aber er kann mit denen eben keine echte Hegemonie im Osten hochziehen und deswegen nützt ihm das nur wenig, jedenfalls wenn es um die Kurdenfrage geht. Aber man sollte auch nicht vergeßen, dass Erdogan als erster Premierminister das Wort Kurdenfrage/Kurdenproblem überhaupt ausgesprochen hat und damit eine gewisse Erleichterung zwischen Kurden und Türken eingeleitet hat. Ansonsten ist die Türkei in ihrer bornierten Nationalistenrolle gefangen, selbst ein islamistisch-konservativer Preminierminister kann daran etwas ändern.

    Echte Reformen und ein echter Friedensprozeß sieht eben anders aus und geht auch nur mit anderen Gesetzen. Dafür bräuchte es aber einen breiteren Konsens und dafür bräuchte es wohl auch die CHP und die wollen nicht, aus Prinzip.

  • N
    Neo

    Gute Analyse Herr Gottschlich. Ich danke Ihnen für diesen Kommentar, der nahezu alle relevanten Punkte durchleuchtet.

     

    Abdullah Öcalan sollte aus dem Gefängnis herausgeholt werden und später mit vielen aus der PKK amnestiert werden. Die Kurden in der neuen Verfassung als Minderheit anerkannt und mit Minderheitenrechten ausgestattet werdem. So die Vereinbarung mit Öcalan.

     

    Die neue PKK-Führung unter Karayilan und Bayik bekam aber nun Panik, da die AKP bei den Parlamentswahlen in den Kurdengebieten die meisten Wählerstimmen erhielt, die AKP mit Öcalan über einen Frieden verhandelte und die PKK-Partei BDP bei den Wahlen mit weitem Abstand nur zweitstärkste Partei wurde. Darauf folgte das abgekartete Spiel mit dem Parlamentsboykott der BDP und ihre lustige Autonomieerklärung. Alles um die kurdischen Massen zu radikalisieren und weiter Öl ins fast erloschene Feuer zu gießen. Der Befehl kam hierfür von ganz Oben , von Karayilan und Bayik.

  • DK
    Dr. kamal Sido

    Die PKK-Militärchefs Murat Karayilan, Cemil Bayik und fast alle andere PKKler würden gerne die Umwegsame Berge Kurdistans verlassen und in einem schönen europäischen Land leben. Daher ist die Vermutung, dass die beiden Kurden den Frieden mit dieser neuen Eskalation verhindern wollen schlicht und einfach falsch. Die Gründe für diese neue militärische Auseinandersetzung sollte man anderswo suchen.