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Grundbesitz wird attraktivMein Haus, mein Boot, mein Acker

Kapitalanleger investieren zunehmend in landwirtschaftliche Flächen. Die Flucht in Sachwerte, Massentierhaltung und Biogasanlagen treibt die Grundstückspreise somit in die Höhe.

Interessant für Investoren: landwirtschaftliche Flächen. Bild: dpa

HAMBURG taz | Investoren interessieren sich zunehmend für landwirtschaftliche Flächen. Auch wenn sie nichts mit der Landwirtschaft am Hut haben, kaufen sie Äcker und Wiesen - auch in Deutschland. "Der Trend steigender Kaufpreise hält weiter an", stellt die Landwirtschaftskammer Weser-Ems fest. Rolf Bünte, Leiter der Bezirksstelle Ostfriesland der Kammer, spricht scherzhaft sogar von einem "Landrausch" in Ostfriesland.

Der Landkauf als Wertanlage ist für weite Teile der Welt ein junges Phänomen und wird oft unter dem Stichwort "landgrabbing" (Land zusammenraffen) verhandelt. Die Menschenrechtsorganisation Fian (Food First Informations- und Aktions-Netzwerk) versteht darunter, dass sich Investoren einen überproportional großen Anteil am Land einer Region aneignen. Damit entziehen sie der ansässigen Bevölkerung die Kontrolle. Insbesondere in der Dritten Welt kann das fatale Folgen haben.

Land zu kaufen, ist derzeit aus vielen Gründen interessant. Schwellenländer wie China versuchen sich einen direkten Zugriff auf Nahrungsressourcen zu verschaffen, um den wachsenden Bedarf ihrer Bevölkerung zu decken. Vermögende, die in der Wirtschaftskrise nach einem sicheren Hafen für ihr Kapital suchen, haben Land als wertbeständige Anlagenmöglichkeit entdeckt. Viele erwarten sogar, dass mit Land in Zukunft gute Geschäfte zu machen sein werden. Denn nicht nur die Nachfrage nach Nahrungsmitteln steigt mit einer immer größeren und wohlhabenderen Weltbevölkerung, sondern auch die Nachfrage nach Bioenergie.

Anlage-Objekt

Die Weltbank stellte Anfang des Jahres "ein wachsendes Interesse an Ackerland fest". Nach dem starken Anstieg der Lebensmittelpreise 2008 habe sich der weltweite Flächenumsatz vervielfacht: Statt vier Millionen Hektar pro Jahr wechselten plötzlich 56 Millionen den Besitzer - 70 Prozent davon in Afrika.

Anleger sind in der Regel sehr vermögende Einzelne oder - seit etwa vier Jahren - Kapitalgesellschaften, die das Geld von Anlegern einsammeln. Viele dieser Gesellschaften investieren nicht in erster Linie in Land sondern allgemein ins Agrargeschäft.

"Land ist ein sicheres Investment", sagt Nils-Arwed Schulze, Geschäftsführer der Hamburger Fondsgesellschaft Agriworld, die seit Jahren in US-amerikanische Äcker investiert. Land habe gegenüber Immobilien den Vorteil, dass es nicht abgeschrieben und auch nicht renoviert werden müsse. Seit der Finanzkrise 2007/ 2008 und der damit einhergehenden Unsicherheit registriert er ein zunehmendes Interesse von Investoren an Agrarflächen. Große Industriellenfamilien hätten schon vor Jahren begonnen, kräftig Land einzukaufen.

Florian Lorenz, Sprecher der börsennotierten Gesellschaft KTG Agrar stellt das Gleiche fest: "Wir merken, dass vermögende Privatleute gucken, wo sie ihr Geld anlegen können und auf das Thema Ackerland kommen." Das Unternehmen bewirtschaftet 30.000 Hektar Ackerland in Ostdeutschland und Litauen. Geld verdient es nicht nur mit Feldfrüchten, sondern auch mit Biogas, wobei der Boden in erster Linie gepachtet wird - ein Mega-Bauer an der Börse.

Der Anbau von Energiepflanzen, insbesondere zur Erzeugung von Biogas, trägt wesentlich dazu bei, die Grundstückspreise nach oben zu treiben. "In ganz Deutschland steigen Investoren in die Bioenergie ein", sagt Roman Herre von Fian. "Mit den Subventionen ist das so rentabel, dass die klassische Landwirtschaft nicht mithalten kann." Die Biogasanlagen brauchen große Mengen Mais, womit die Äcker im weiten Umkreis belegt werden. Seit Jahren wird in Niedersachsen und Schleswig-Holstein über die zunehmende Vermaisung ganzer Landstrich geklagt.

Im Weser-Ems-Gebiet und im Münsterland kommt die Massentierhaltung als Preistreiber hinzu. Die Viecher erzeugen Unmengen an Gülle, die irgendwo ausgebracht werden muss. Die Landwirtschaftskammer stellt für das Weser-Ems-Gebiet den paradoxen Effekt fest, dass in Gegenden mit minderwertigen Böden die Preise überdurchschnittlich gestiegen seien. Weil der Ackerbau so wenig abwerfe, werde hier Viehwirtschaft betrieben und Biogas erzeugt, und damit die Nachfrage stimuliert.

Dass Anleger mit Ostfriesland spekulierten, stellt Kammerbezirksleiter Bünte noch nicht fest. "Es sind Investoren mit regionalem Bezug, die aber auch schon Boden als Wertanlage kaufen", sagt er. Schätzungsweise 20 bis 30 Prozent davon kämen aus dem Ausland. Dem Preisanstieg kann er auch Positives abgewinnen: "Letztlich hat das auch was mit Wertschätzung zu tun."

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