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: Nachrichten aus der Bundesrepublik Ballack

Der Mittelfeldspieler des FC Bayern ist nicht nur in kurzen Hosen und Leibchen von Interesse, ganz im Gegenteil

Gut, dass jemand das Ergebnis mitgeschrieben hatte, sonst wäre es schnell in Vergessenheit geraten: FC Bayern gegen FSV Mainz 05 2:1, in Worten: zwei zu eins. Es gibt ja schließlich wichtigeres als „auf ’m Platz“. Zum Beispiel: Was macht Münchens derzeit verletzter und schwer umworbener Mittelfeldspieler Michael Ballack? Hält er ein Nickerchen? Spielt er mit seiner Freundin Mensch-ärgere-dich-nicht?

Das Land kann dankbar dafür sein, dass sich in diesen Tagen Hundertschaften aus Presse, Funk und Fernsehen um diese wichtigen Fragen kümmern, jetzt, wo Ballack kurz vor dem Absprung ins Ausland steht. So hatte die ARD am Samstag einem Kameramann eine neunzigminütige Beobachtung Ballacks verordnet. Was waren das für herrliche Bilder. Der noch immer am Oberschenkel verletzte Heilsbringer des deutschen Fußballs saß auf der Tribüne, eingepackt in eine schwarze Daunenjacke und eine schwarze Wollmütze. In einer Sequenz des Sportschauberichts sah man ihn gespannt aufs Spielfeld blicken, in einer anderen, man kann es kaum glauben, lächelte er sogar.

Als die Sportschau zu Ende war, sehnte man bereits das Sportstudio im ZDF herbei. Und natürlich, Johannes B. Kerner ließ Millionen Menschen nicht im Stich. Als auf der Videowand hinter ihm endlich Ballacks geschniegelte Frisur glänzte, war die Erleichterung im Publikum groß. „Rein rechnerisch kann er ruhig gehen“, ballackisierte Kerner weise. Acht Spiele hätten die Münchner ohne Ballack gewonnen. Neuerdings beschäftigen sich ja dutzende Statistiker mit den Fragen, wann, wo und bei welchen Temperaturen der FC Bayern mit oder ohne Ballack gewinnt, unentschieden spielt, verliert – oder fast verliert. Dagegen waren die Hochrechnungen vor der Bundestagswahl ein Tranquilizer.

Was wird das für ein großartiger Tag für die „Bundesrepublik Ballack“ (SZ), wenn der Wechsel nach Madrid in der Öffentlichkeit bekannt gegeben wird. Wieder werden womöglich Spiegel und Focus Seiten frei räumen, wieder werden die Abendnachrichten ihre Meldungen aus den Krisengebieten ein bisschen nach hinten verschieben für eine Meldung aus dem Krösusgebiet. Wieder werden Politiker wie Edmund Stoiber oder Otto Schily gefühlige Prognosen abgeben. Und wieder werden die Ikonografen dieser Nation ausschwärmen, um Flächen auf Litfaßsäulen und Trafohäuschen mit einem Abbild Ballacks zu bekleben. Könnte es einen besseren Beweis dafür geben, dass Deutschland die Agonie hinter sich lässt und dass es wieder aufwärts geht, wenn eine deutsche Fachkraft im Ausland so begehrt ist? Vergessen ist die Big-Brother-Show, es lebe die Big-Ballack-Show. Wie war das Ergebnis der FC Bayern gegen Mainz doch gleich?

RONNY BLASCHKE