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Studie über die Sorgen der BürgerDie gute Laune der Deutschen

Die Menschen blicken mit Optimismus in die Zukunft. Die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, sinkt. Sorgen machen sich die Deutschen über die Inflation und Naturkatastrophen.

Wer wird sich denn in solch einer Situation die Laune verderben lassen? Niemand. Bild: Borstl / photocase.com

BERLIN taz | German Angst? Ach was. Die Bundesbürger sind so wenig ängstlich wie schon lange nicht mehr. Diesen Befund veröffentlichte am Donnerstag die R+V-Versicherung, die die Deutschen jedes Jahr nach ihren größten Sorgen fragt.

Seit zehn Jahren sinke das durchschnittliche Angstniveau der Bundesbürger, sagte R+V-Mitarbeiterin Rita Jakli - in 2011 seien die Befürchtungen besonders stark zurückgegangen. Eine ähnliche Entwicklung hätten die Umfrager seit der Wiedervereinigung erst einmal ermittelt: 1994.

Rund 2.400 Bürger wurden während des vergangenen Juni befragt. Die Ergebnisse ließ die Versicherung, die zum Verbund der genossenschaftlichen Volksbanken gehört, wissenschaftlich auswerten. Besonders stark abgenommen hat im Vergleich zum Vorjahr die Angst vor Arbeitslosigkeit (minus 24 Prozentpunkte) und vor einer Verschlechterung der Wirtschaftslage (minus 19 Prozentpunkte).

Damit scheint auch die wichtigste Erklärung vorzuliegen, warum viele Bundesbürger gegenwärtig optimistisch sind: Die Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2007 hat das Land relativ gut überstanden. Jetzt macht sich der Aufschwung bemerkbar, die Löhne steigen und viele Leute finden eine neue Arbeit.

Sorge vor Inflation

Spitzenreiter ist nun die Sorge vor steigenden Lebenshaltungskosten. Für 63 Prozent aller Befragten ist die Inflationsangst das wichtigste Negativthema. Dieses hängt auch zusammen mit der aktuellen Entwicklung. Wegen der Staatschulden-Krise befürchten 70 Prozent der Bürger höhere Kosten für die Steuerzahler und 60 Prozent sehen den Euro als Währung gefährdet.

Allerdings machten sich die Deutschen schon immer besondere Sorgen um die Stabilität ihres Geldes. Erklärung: Nach mehreren Inflationen im vergangenen Jahrhundert, die mit großen Verlusten für die Bevölkerung einhergingen, entfaltete die harte und erfolgreiche D-Mark der Bundesrepublik eine identitätsstiftende Wirkung.

Auf Platz Zwei der deutschen Lieblingsängste stehen dieses Jahr Naturkatastrophen. 60 Prozent der Befragten machten sich darüber unangenehme Gedanken. Das japanische Erdbeben, der Tsunami und die Reaktorkatastrophe von Fukushima dürften dazu ihren Teil beigetragen haben. Auffällig ist aber auch hier: Die Angst hat um vier Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr abgenommen.

Das drittwichtigste Negativthema ist die Sorge um das Alter. Werde ich ein Pflegefall, wer versorgt mich, wie bezahle ich die teuere Unterbringung? Diese Fragen treiben 55 Prozent der Bürger um, wobei die allgemein gute Laune die Sorgen auch hier verringert hat. Auf den weiteren Plätzen folgen die Angst vor Terrorismus (50 Prozent), vor Spannungen mit Ausländern (42), Krieg mit deutscher Beteiligung (40), Drogensucht der Kinder (38) und Zerbrechen der Partnerschaft (18).

Glücklich, wenn Ängste abnehmen?

Andere Untersuchungen über die Befindlichkeit der Bundesbürger deuteten in der jüngeren Vergangenheit in eine ähnliche Richtung. Eine Umfrage der Allianz im April 2011 ergab, dass 60 Prozent der Bürger optimistisch in die Zukunft sahen - erheblich mehr als vorher. Dies wurde auf die entspannte Wirtschaftslage und sinkende Arbeitslosigkeit zurückgeführt.

Sind die Menschen aber glücklich, wenn ihre Ängste abnehmen? Eine Untersuchung der Organisation Eurofound von 2008 ergab, dass die Bundesbürger im europäischen Vergleich mittelmäßig glücklich sind. Im Glücksindex brachten sie es auf einen Wert von 7,5. Nach eigenem Dafürhalten besser ging es den Finnen, Dänen, Schweden, Norwegern und Holländern mit jeweils über acht Punkten. Am unglücklichsten fühlten sich die Bulgaren, Mazedonier und Ungarn mit rund fünf Punkten.

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14 Kommentare

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  • O
    outsource

    Interessante Zahlen. Ich würde nur zu gern diese Optimisten kennenlernen. Haben die denn nur Leute mit sicheren Einkommen und unbefristeten Arbeitsverträgen gefragt?

    Verarschen kann ich mich schon selbst!!!!!

  • AL
    Anna L.

    @Stefan ...Vielen Dank für den Hinweis!

     

     

    Weitere sprachliche Ärgernisse in diesem Artikel:

     

    1. Was soll eine "teuere Unterbringung?" sein.1

    Richtig hieße es: "teure Unterbringung" . Denn das Adjektiv teuer wird unregelmäßig flektiert. Das "e" fällt weg.

     

     

    2. Wie "nehmen Ängste ab"? Durch eine Melonendiät oder eine radikale Fastenkur? Oder wie? Bitte um Auskunft.

     

    Abgesehen davon plappert der Autor hier unkritisch die Propagandamärchen vom Aufschwung etc...nach.

     

    TAZ , Gute Nacht!

  • S
    Stefan

    ohne korinthenkackerisch sein zu wollen: das Deutsche kennt die Formulierung "in 2011" nicht; "im Jahr(e) 2011" klingt doch auch schön, oder? und hat den Vorteil korrekt zu sein - und komplett un-Denglisch dazu.

  • A
    Abby_Thur

    Lebe, und denke nicht an morgen!

  • P
    Paul

    Am 7.Oktober 1989 befand ein gewisser Erich Honecker, daß alles, alles auf dem besten Wege sei.

     

    Im Februar 2008 tönte eine gewisse Frau Merkel im schönsten SED-Politbüro-Deutsch:"Der Aufschwung ist bei den Menschen angekommen."

     

    Hübsche Glosse.

  • AH
    Andi H

    ...und weil die Mazedonier,Bulgaren usw.so glücklich sind kommen sie alle nach Deutschland !Diese Statistiken sind echt der Hammer.Da der größte Teil der deutschen Bevölkerung sowieso nur noch egozentrische Konsumenten sind haben die Ängste mit Sicherheit abgenommen.Man solle sich nur die Fernsehprogramme anschauen.Wenn ich hier lese,daß eine Leserin(TAZ)schreibt,daß brennende Autos ja bloß Blechkisten sind die ja vorher versichert wurden,fällt mir nichts mehr ein.Das aber anschließend die Versicherungsprämie steigt,für die Allgemeinheit,hat die Gute wohl noch nicht begriffen!Die Leute in dieser Bundesrepublik wachen erst auf wenn die Einschläge in ihrem direkten sozialen Umfeld näher kommen.Das mußte schon ein streng Konsevativer,Frank Schirmacher(FAZ),in seinem Artikel"ICH GLAUBE DIE LINKE HAT RECHT"eingestehen.

  • I
    Ilmtalkelly

    Wenn Angstfreiheit in Form von Unbedenklichkeit daherkommt, könnte man auch schlussfolgern, keine Angst um die Natur, keine Angst vorm sozialen Abstieg meines Nachbarn, keine Angst vor Kriegen( die sind nicht weniger geworden).Zum einen sollte man nicht übersehen, wer die Studie durchführte und ob die "Diagnose" auch mit Gleichgültigkeit zu erklären wäre.

    Der Artikel lässt keine Abgrenzung zu einer privatwirt. Studie erkennen. Da können wir ja den Uni´s und staatl. Instituten in Zukunft viel Arbeit ersparen.

    Prima, in dem Sektor hat sich anscheinend auch viel Angstfreiheit breitgemacht, liebe Taz.

  • E
    Efes

    Ist doch schon wieder vorbei der Aufschwung wie uns die Experten gerade verkünden. D.h. mit der Laune der Deutschen geht es zeitverzögert demnächst auch wieder abwärts - German Angst is back!

  • TD
    Thomas D.

    Ich fände es sehr wünschenswert, wenn die taz Links zu öffentlich einsehbaren Quellen bei entsprechenden Artikeln veröffentlichen würde.

     

    http://www.ruv.de/de/presse/r_v_infocenter/studien/aengste-der-deutschen.jsp

  • V
    vic

    Die Angst "der Deutschen" sinkt.

    Aber Frau Merkel, da muss doch was zu machen sein.

     

    Manchmal denke ich, ich bin gar kein richtiger Deutscher; ich habe nur vor der Regierung Angst- und das schon sehr lange.

  • PP
    Peter Punk

    KUHLes Phota!

  • J
    jan

    "Michel im Glueck": Das Gas kommt von den Russen und das Geld von den Chinesen!

  • PA
    Peter A. Weber

    Deutschland in launiger Stimmung

     

    Eine Umfrage R+V-Versicherung stellt fest: die Angst der Deutschen ist auf dem Rückzug – vor allem in Bezug auf folgende Befürchtungen

     

    • zunehmende Arbeitslosigkeit

    • Ausweitung der Wirtschaftsrezession

     

    Ein Schelm, wer sich dabei böses denkt. Wer annimmt, daß eine von der Versicherungswirtschaft beauftragte und bezahlte Umfrage zu Ergebnissen gelangt, die die Motivationen der Bundesbürger, neue Versicherungsabschlüsse zu tätigen, beeinträchtigt. Die Suggestivfragen, die man den natürlich repräsentativen 2500 Befragten gestellt hat, möchte ich gerne sehen.

     

    Bei der angeblich aktuellen Angsttabelle soll sich diese Rangfolge ergeben:

     

    1. Inflation

    2. Naturkatastrophen

    3. Alter und Rente

     

    Auf den hinteren Plätzen folgen dann Terrorismus, Ausländer, Krieg, Drogen und Beziehungsprobleme. Der Angstabbau gründet sich lt. der kompetenten Umfrageergebnisse auf folgenden Kriterien:

     

    • Die Finanz- und Wirtschaftskrise sei relativ gut überstanden

     

    Meine laienhafte Meinung zählt dabei nicht viel, aber die unabhängigen Experten, denen ich eine Kompetenz zutraue, sind da total anderer Ansicht: Das Schlimmste steht uns noch bevor. Ich habe vor mir an der Pinnwand eine lustige Karikatur hängen, die einen Bergsteiger vor Erreichen eines von mehreren Gipfeln zeigt, hinter denen es wieder abwärts geht und schreit: „Hurra, das Tal ist durchschritten!“

     

    • Der Aufschwung greift angeblich

     

    Der Aufschwung wird uns seit Jahren durch Propaganda-Kampagnen von Regierung und Lobbyisten vorgespiegelt. Angekommen ist er nur in einigen Spezialbranchen und natürlich in der Exportwirtschaft, die ihre auf Kosten von niederkonkurrierten und verschuldeten Ländern Gewinne weder mit Staat noch mit Arbeitnehmern teilt.

     

    • Die Löhne sollen steigen

     

    Die Lohnentwicklung in Deutschland ist im Grunde genommen schon seit 15 Jahren rückläufig. Besonders gravierend ist es in den letzten Jahren geworden, in denen rigoroser Arbeitsplatzabbau und Lohnkostenreduzierungen Deutschland zum Schlußlicht bei der Lohnentwicklung abqualifiziert haben. Insbesondere, wenn man die dem noch gegenüber stehenden Preissteigerungn bei den meisten Produkten und Dienstleistungen berücksichtigt und die damit verbundenen statistischen Lügen korrigiert, dann sieht die Bilanz erschreckend aus.

     

    Die Wahrheit ist, daß Dumpinglöhne und geringfügig bezahlte Beschäftigungen weiter auf dem Vormarsch sind, Teilzeit- und Leiharbeit immer mehr boomt und die Arbeitsbedingungen sowie die Arbeitnehmerrechte ständig unter massivem Beschuß liegen.

     

    • Die Arbeitslosigkeit gehe zurück und ein größeres Arbeitsplatzangebot stehe zur Verfügung

     

    Einen teilweisen minimalen Rückgang oder Stillstand der Arbeitslosenquote kann nur derjenige erkennen, der an die gefälschten oder lückenhaften Arbeitsmarktstatistiken glaubt. Zu den wahren Zahlen des Statistischen Bundesamtes o. ä. hat jeder wirklich Interessierte im Internet Zugang. Überdies macht es überhaupt keinen Sinn, nur die reinen quantitativen Zahlen zu betrachten, denn nur eine qualitative Beurteilung der vorhandenen Arbeitsplätze unter Berücksichtigung eines Vergleichs der Qualität der verloren gegangenen mit den neu geschaffenen Stellen ermöglicht eine aussagekräftige Beurteilung.

     

    Grundsätzlich muß man sich bei diesen Heilsbotschaften schon gewaltig wundern, sei es, daß die Versicherungslobby sie erfunden hat oder sei es, daß die naiven Bundestrottel dies wirklich glauben.

     

    P.S.: Bitte schaut doch mal rein bei:

    www.kritisches-Netzwerk.de

  • R
    Realist

    Die Ruhe vor dem Sturm