„Fremdheit und Skepsis“

DISKUSSION Eine Studie beleuchtet Gemeinsamkeiten der Arbeit von Kirche und Gewerkschaften

■ 54, ist bei der Bremischen Evangelischen Kirche Leiterin des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (KDA).

taz: Frau Danielzick, der genaue Titel von Harry Jablonowskis Studie, die im Auftrag des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche entstanden ist, lautet „Was hat Kirche mit meinem Engagement in Gewerkschaft und Betrieb zu tun?“ – Was hat Kirche denn überhaupt mit Gewerkschaften zu tun?

Ingeborg Danielzick: Oh, eine Menge! Der KDA pflegt eine enge Kooperation zu den Gewerkschaften in Bremen, so sind wir beispielsweise auch im „Bündnis Umfairteilen“ aktiv oder beim „Runden Tisch Hausangestellte“, und seit über 50 Jahren feiern wir gemeinsam einen Gottesdienst am ersten Mai.

Aber es gibt doch große Unterschiede wie der kirchliche dritte Weg oder das Streikverbot für Kirchenmitarbeiter. Inwiefern ist so etwas mit Gewerkschaftsarbeit vereinbar?

Was Sie da genannt haben, sind organisatorische Dinge, in denen Kirche und Gewerkschaft sich tatsächlich voneinander unterscheiden. Aber es gibt große kulturelle Ähnlichkeiten, Ähnlichkeiten im Wertegerüst. Wir treffen uns ganz klar in der Parteilichkeit für Menschen in schwierigen abhängigen Situationen.

Was halten Sie denn von einer Lockerung des Streikrechts und der Forderung des Bundesarbeitsgerichts von November, dass Kirchen und Gewerkschaften enger zusammenarbeiten sollen?

Bei der Umsetzung von Arbeitsrechtsregelungen gibt es einen Unterschied zwischen der Diakonie und der verfassten Kirche. Zu letzterer gehören wir, und bei uns gibt’s da zur Zeit keine Probleme, aber in Einrichtungen wie zum Beispiel Friedehorst. Da gab es ja noch bis vor Kurzem nahezu jede Woche einen Schlichtungstermin. Allerdings hat die Kirche dort viel weniger Einfluss als man denkt, denn Friedehorst ist ein selbständiges soziales Unternehmen. Wir vom KDA finden jedenfalls, dass das Urteil vom Erfurter Arbeitsgericht noch nicht weit genug geht.

Das alles klingt ja eigentlich nach Nähe zu gewerkschaftlichen Forderungen – entspricht das Bild von der Unvereinbarkeit von GewerkschafterInnen und VertreterInnen der Kirchen heute überhaupt noch der Realität?

Es gibt schon eine gewisse Fremdheit und Skepsis. Aber dort, wo sie noch herrscht, sollte man sich klar darüber werden, dass eine Zusammenarbeit gegen soziale Missstände enorm wichtig ist.  INTERVIEW: SCHN

19 Uhr, DGB-Haus