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KREATIVE MILIEUSDurchmischung erwünscht

Was wird aus der Viktoria-Kaserne in Altona? Das Nutzungskonzept der KünstlerInnen ist fertig - sie wollen Selbstverwaltung. Jetzt kommt die Politik.

Außen Kaiser Wilhelm, innen Kunst: die Viktoria-Kaserne in Hamburg-Altona. Bild: Klaus Irler

Links und rechts ein Turm und in der Mitte eine massive Backstein-Fassade - von vorne betrachtet beschränkt sich die Viktoria-Kaserne auf eine so autoritäre wie abweisende Ausstrahlung. Besser wird es erst, wenn man den Hinterhof des Gebäudes betritt. Dort gibt es sogar einen Eingang, und neben dem Eingang stehen Fahrräder. Außerdem steht da schief ins Eck gelehnt ein überdimensionales "F". Es ist das Zeichen dafür, dass aus der ehemalige wilhelminische Polizeikaserne vielleicht doch noch etwas Wünschenswertes werden könnte.

"F" steht für den Verein Frappant, der seit März 2010 Mieter in der Viktoria-Kaserne ist. Über 130 KünstlerInnen sind in dem Verein organisiert und nutzen die Kaserne als Atelierhaus. Weil ihr Mietvertrag im Juni 2012 endet, haben die KünstlerInnen ein längerfristiges Nutzungskonzept für das Gebäude erstellt. Vergangene Woche präsentierten sie es den Behörden und Stadtteilpolitikern.

Die KünstlerInnen wollen das Gebäude zusammen mit noch zu findenden anderen Mietparteien längerfristig selbstverwaltet nutzen. Ob das was wird, entscheidet vor allem die Finanzbehörde, der die Immobilie gehört. Mit dem Konzept der KünstlerInnen wolle man sich "intensiv und sachgerecht" auseinandersetzen, sagt Sprecher Daniel Stricker. Ob man das Konzept gut finde oder nicht, "können wir noch nicht sagen".

Kunst in der Kaserne

Die über 130 KünstlerInnen des Frappant e.V. arbeiteten zunächst im Frappant in der Großen Bergstraße.

Im November 2009 wurden die Künstler gekündigt, weil das Gebäude zugunsten einer Ikea-Filiale abgerissen werden sollte.

Im März 2010 zogen die Künstler in die Viktoria-Kaserne. Die Kulturbehörde subventioniert die Miete.

Seitdem gibt es in der Kaserne öffentliche Ausstellungen, Konzerte und Feste.

Der Mietvertrag läuft Ende Juni 2012 aus.

Die Künstler wollen, dass das Gebäude von Menschen aus unterschiedlichen Bereichen als Arbeitsraum genutzt wird. Explizit sollen nicht nur KünstlerInnen dort unterkommen, sondern auch soziale Projekte, Gewerbetreibende, Handwerker und Wissenschaftler. "Die Viktoria-Kaserne soll von Unterschieden geprägt sein", sagt Daniel Behrens vom Frappant e.V. "Wir möchten kein ,Kreativcluster' sein, sondern ein heterogener Haufen."

Das Nutzungskonzept sieht keine öffentlichen Zuschüsse für die Miete vor und will, dass sich alle Mieter gleichberechtigt an der Entwicklung des Ortes beteiligen. Dass es da viel zu entwickeln gibt, zeigt allein die Quadratmeterzahl: Rechnet man Keller und Dachgeschoss mit ein, ist die Viktoria-Kaserne knapp 13.000 Quadratmeter groß.

Ein Knackpunkt der Gespräche zwischen den KünstlerInnen und der Stadt wird die Frage sein, wie hoch die Kosten für eine Sanierung der Viktoria-Kaserne sind - und wer sie übernimmt. Ein weiterer Knackpunkt wird der Wunsch der KünstlerInnen nach Selbstverwaltung sein. Dass die Stadt sich schwer tut, Gestaltungsspielraum abzugeben, ist bei den Verhandlungen um das Gängeviertel zu beobachten: Um die Idee der Selbstverwaltung wird dort hart gerungen, und der Ausgang der Verhandlungen ist völlig offen.

Gleiches gilt für die Gespräche zur Zukunft der Viktoria-Kaserne. Zwar steht die städtische Kreativ Gesellschaft hinter den KünstlerInnen, die Finanzbehörde aber sei grundsätzlich nur von einer Zwischennutzung des Gebäudes durch die Künstler ausgegangen, sagt Sprecher Stricker. Geplant gewesen sei eigentlich eine neue Wohnnutzung - "und die ist nach wie vor unsere Zieloption".

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4 Kommentare

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  • T
    Tim

    Natürlich sind Wohnungen ne feine Sachen. Aber was für eine "Wohnnutzung" schwebt den der Finanzbehörde vor. Ich denke von Sozialwohnungen kann man sich hier sicher verabschieden. Welcher Investor steckt den die Summen in das alte Haus, die man braucht um dort schick wohnen zu können? Die Wohnungsnot ist doch der Finanzbehörde schnuppe. Die verkauft das Ding an den höchstbietenden und der baut hier ein paar schicke Eigentumwohnungen in IKEA nähe. Das bringt Hamburg sicher nach vorne....

  • H
    hmm

    Wohnungen fehlen eigentlich mehr. Da muss der Selbstverwirklichungs-Kram vielleicht mal zurückstecken. Bei all den Künstlern, die immer unbedingt Ateliers brauchen, frage ich mich auch manchmal, wozu eigentlich? Ein Maler will sein Oberlicht, ein Bildhauer braucht Raum. Wem höhere Wesen befahlen, Neonröhren und Dachlatten zu einer institutionenkritischen konzeptuellen Installation zusammenzufügen, der braucht natürlich Raum für Dachlatten und Neonröhren. Aber wer nur am Rechner seine Konzeptkunst, Bildmontagen, Tanztheorietexte oder Drehbücher erstellt, braucht der wirklich sein malerisches Riesen-Loft, oder ist das mehr so ein Prestige-Ding. Da braucht man doch eigentlich nur nen Schreibtisch und ne Steckdose. Sowas machen andere Leute zuhause. Aber nein, "hach, ich brauch doch mein Ateliö!", natürlich voll kreativ voller Flohmarktkram und Farbflecken und so S/W-Fotos, und da sitzense dann und chatten und facebooken auf dem Mac mit dem Kurator und mit voll angesagten Leuten, weil das wichtigste ist die gute Vernetzung.

  • T
    Tim

    Natürlich sind Wohnungen ne feine Sachen. Aber was für eine "Wohnnutzung" schwebt den der Finanzbehörde vor. Ich denke von Sozialwohnungen kann man sich hier sicher verabschieden. Welcher Investor steckt den die Summen in das alte Haus, die man braucht um dort schick wohnen zu können? Die Wohnungsnot ist doch der Finanzbehörde schnuppe. Die verkauft das Ding an den höchstbietenden und der baut hier ein paar schicke Eigentumwohnungen in IKEA nähe. Das bringt Hamburg sicher nach vorne....

  • H
    hmm

    Wohnungen fehlen eigentlich mehr. Da muss der Selbstverwirklichungs-Kram vielleicht mal zurückstecken. Bei all den Künstlern, die immer unbedingt Ateliers brauchen, frage ich mich auch manchmal, wozu eigentlich? Ein Maler will sein Oberlicht, ein Bildhauer braucht Raum. Wem höhere Wesen befahlen, Neonröhren und Dachlatten zu einer institutionenkritischen konzeptuellen Installation zusammenzufügen, der braucht natürlich Raum für Dachlatten und Neonröhren. Aber wer nur am Rechner seine Konzeptkunst, Bildmontagen, Tanztheorietexte oder Drehbücher erstellt, braucht der wirklich sein malerisches Riesen-Loft, oder ist das mehr so ein Prestige-Ding. Da braucht man doch eigentlich nur nen Schreibtisch und ne Steckdose. Sowas machen andere Leute zuhause. Aber nein, "hach, ich brauch doch mein Ateliö!", natürlich voll kreativ voller Flohmarktkram und Farbflecken und so S/W-Fotos, und da sitzense dann und chatten und facebooken auf dem Mac mit dem Kurator und mit voll angesagten Leuten, weil das wichtigste ist die gute Vernetzung.