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Bekennerbriefe an die tazSie schrieben uns

Eine Geschichte der Bekennerschreiben im Licht der taz. Oder: Die Bekennungen haben sich weiterentwickelt. Das Interesse des Staatsschutzes ist geblieben.

Ein bewährtes Versteck vor den Händen des Staatsschutzes: das Handschuhfach des taz nord-Chefs. : Miguel Ferraz

Es gibt Briefe, die lösen in der Reaktion Freude aus, weil die Macher gelobt werden. Es gibt Briefe, die verärgern, weil sich die Kolleginnen und Kollegen zu Unrecht kritisiert fühlen. Dazwischen liegt eine Spezies von Schreiben, die beides beinhaltet. Freude und Ärger. Der sogenannte "Bekennerbrief".

Freude deshalb, weil es uns ermöglicht, einen Blick auf die Motive hinter einer gesetzeswidrigen Aktion zu werfen, von denen die Polizei keinen blassen Schimmer hat. Ärger, weil vorprogrammiert ist, dass der Staatsschutz der Polizei die Redaktion ins Visier nehmen und mit allen Mitteln versuchen wird, an das Material zu kommen.

Seit Gründung der taz hamburg als linksalternativer Zeitung sind Unmengen sogenannter Bekennungen eingegangen: Von radikalen Feministinnen, die dem Patriarchat den Kampf angesagt haben, autonomen Gruppen, die das Staatsgefüge infrage stellen, Antifaschisten, die dem schleichenden Faschismus entgegentreten, antirassistischen Gruppen, die im Umgang mit Flüchtlingen Menschenrechtsverletzungen anprangern und von Tierschützern, die den Umgang mit den Tieren missbilligen. Sie schrieben uns alle.

In den achtziger Jahren war das Verfassen von Bekennerschreiben eine schwierige Sache. Mühsam sind sie mit Durchschlagpapier auf klapprigen Schreibmaschinen getippt worden, die anschließend entsorgt werden mussten. Später ging man zum Kopieren über, dann wurde mit Latex-Handschuhen hantiert, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen.

In der Redaktion herrschte Einigkeit darüber, dass wir uns nicht zu Hilfspolizisten machen lassen wollten. Denn ein Bekennerschreiben, das meist nicht von den Akteuren selbst stammt, hat rechtlich die gleiche Qualität wie von Informanten zugespieltes Material - es unterliegt dem Redaktionsgeheimnis.

Deshalb schafften wir uns einen fiktiven Redaktionskater an, der noch bei laufender Produktion die Briefe verspeiste - was wir auch in der Zeitung mitteilten. Das verschonte uns sicherlich von vielen unangenehmen Hausbesuchen. Zwar gab es damals nicht die DNA-Analyse, doch Spuren wie Faser-Reste und Fingerabdrücke wären sicher identifizierbar gewesen.

Es gab aber auch Ausnahmen: Als Neonazis einen Antifaschisten, der gegen rechtsextreme Infotelefone demonstrierte, schriftlich mit dem Tod bedrohten und ein IG Metall-Sekretär ins Visier der Ermittler geriet, haben wir uns zur Kooperation mit der Abteilung "Staatsschutz rechts" entschlossen und ihm Material zur Verfügung gestellt. Wir sprachen auch mit den Staatsschützern und es schien, als freuten sie sich, dass einmal jemand mit ihnen redete.

Es gab aber auch Fehlschläge, was Geheimhaltung anging. So drangen 1999 zwei Staatsschützer vor einem großen Neonaziaufmarsch in das Büro einer Volontärin in der Hamburger Chemnitzstraße ein. Die hatte zuvor über einen Brandanschlag auf ein Busunternehmen berichtet, das Rechtsradikale zu Demos fuhr. Die Beamten fragten am Empfang so nach der Mitarbeiterin, als ob sie verabredet wären. Bevor die überrumpelte Frau überhaupt Rat einholen konnte, war das Bekennerschreiben zum Brandanschlag schon in den Händen der Fahnder verschwunden.

Aber auch erfahrene KollegInnen sind überrascht worden. So tauchte der Staatsschutz auch schon mal in Begleitung einer Staatsanwältin auf - wohl gemerkt ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss. Um sich unnötigen Stress zu ersparen, gab der damalige Redaktionsleiter das Schreiben heraus. Das war allerdings zuvor durch zahlreiche Hände gegangen und somit voller DNA-Spuren.

Wie wichtig Informantenschutz bei einer Zeitung sein muss, zeigt das Beispiel der Schanzenpark-Initiative. Ein Boulevardblatt gab 2006 eine Bekenner-Mail zu einer Sachbeschädigung an den Staatsschutz weiter. Der fand so heraus, von welchem Internet-Café aus die Mail geschickt worden war. Über eine illegal angebrachte Kamera wurde ermittelt, wer am betreffenden Tag vor Ort gewesen war und die Mail geschrieben haben könnte. Die Mitglieder der Initiative wurden daraufhin monatelang mit einem Großaufgebot widerrechtlich observiert.

Dass Bekennerschreiben begehrt sind, zeigen auch die Vorwehen des G8-Gipfels in Heiligendamm 2007. Nachdem es im Vorfeld zu Sachbeschädigungen gekommen war - unter anderen wurde der Mini-Cooper der Frau von Finanzstaatsrat Thomas Mirow abgefackelt - ordnete die Bundesanwältin Monika Harms an, die Post in ganzen Regionen zu überwachen. Dazu gehörte auch das Postamt Kaltenkirchener Platz. Millionen Briefe wurden - laut höchstrichterlicher Rechtssprechung widerrechtlich - kontrolliert, unter anderem auch die Post an die taz hamburg.

Auch heutzutage lässt der Staatsschutz nicht locker. Kürzlich lümmelten die üblichen Verdächtigen stundenlang vor dem taz-Gebäude an der Harkortstraße herum. Sie hofften vergeblich auf eine richterliche Anordnung, nachdem sie einen Bekennerbrief nicht bekommen hatten, den der Redaktionsleiter längst in seinem Auto verborgen hatte.

Auch die Farbattacke auf die Wohnung des damaligen Innensenators Ahlhaus (CDU) ließ der Polizei keine Ruhe. An einem Sonntagmorgen rief eine Staatsschutz-Fahnderin an, um nach telefonischer Absprache das Bekennerschreiben abzuholen. Zuerst gab sie sich zurückhaltend, sagte, sie sei ja nur der "Bote" und klagte über "ihren verpatzten Sonntag".

Als die Herausgabe verweigert wurde, wurde sie forscher. "Wie können auch mit einem Beschluss vorbeikommen", drohte sie. Man erinnerte sie freundlich daran, dass Kollegen vom Bundeskriminalamt vor rund zwanzig Jahren gestrauchelt waren, als sie in der Redaktion nach einer Broschüre der "Roten Zora" mit einem Bekennerbrief zu den Anschlägen auf eine Modehaus-Kette suchten.

Damals hatten sechs Karlsruher Fahnder die Räume im Nernstweg durchforstet. Dummerweise hatten sie sich jedoch vom Eingang her vorgearbeitet, wo Kultur- und Öko-Redaktion arbeiteten, und gaben noch vor der Politik auf, wo der Brief auf einem Schreibtisch lag. Dafür baten die Staatsdiener die taz-Redakteure, ihre Überstunden-Bescheinigung zu quittieren. Der Misserfolg der Kollegen überzeugte die Beamtin. Nach einem Kaffee und dem Eintreffen des taz-Anwalts durfte sie einen Blick auf den Brief werfen und ihre DNA-Spuren hinterlassen.

Neulich sind wir allerdings den Wünschen der Polizeipressestelle nachgekommen. Uns erreichte ein Bekennerschreiben zur Brandattacke auf die Rolls Royce-Zentrale im Hafen, bei der nur geringer Sachschaden entstand. Obwohl wir den Initiatoren durchaus Platz in unserer Zeitung eingeräumt haben, wurde das dem Inhalt nicht gerecht. Die "Autonome Gruppe selbstbestimmte Abrüstung" schrieb nämlich vier Seiten, vom Kosovo-Krieg über die EU-Außengrenzen bis hin zur Rolle von Rolls Royce in der Rüstungsproduktion. Also haben wir die Erklärung als nicht identifizierbares PDF an die Pressestelle der Polizei weitergeleitet.

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