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„Zeit, die Verschwendung zu beenden“

QUOTEN Fischereiexpertin Anna Holl vom World Wide Fund for Nature (WWF) über den Irrsinn europäischer Fischerei

Anna Holl

■ wuchs im Allgäuer Alpenvorland weitab der Meere auf. Sie studierte EU-Politik und Wirtschaft. Seit 2012 ist sie Referentin EU-Fischereipolitik & Markt beim WWF.

taz: Frau Holl, die EU-Kommission will jetzt ein Rückwurfverbot durchsetzen: Gefangener Fisch soll auf den Teller, nicht wieder ins Meer zurück. Ein sinnvoller Schritt?

Anna Holl: Nach 30 Jahren verfehlter EU-Fischereipolitik ist es höchste Zeit, die Verschwendung der Fischressourcen zu beenden. Es ist eine Schande, dass das so lange ungestraft getan werden konnte. Dass aber weiterhin 7 Prozent Beifang über Bord geworfen werden darf, deutet auf einen eher kraftlosen Kompromiss hin.

Warum gibt es überhaupt unerlaubten oder unerwünschten Beifang?

Fischer müssen Fänge, für die sie keine Quote haben – die falschen Fische, zu kleine Fische – wieder ins Meer zurückwerfen. Die Fischer halten sich nur an die Regeln, aber diese Regeln sind sinnfrei.

Wäre es nicht besser, unerwünschten Beifang zu vermeiden. Also gezielter zu fischen?

Ja, natürlich. Die Fangmethoden müssen verbessert werden, damit umweltschonender gefischt werden kann. Zum Beispiel könnten Netze mit größeren Maschen eingesetzt werden. Das ist dringend notwendig, um selektiver zu fangen und allein dadurch den Bestand an Jungfischen zu schonen, die sich noch nicht vermehrt haben.

Was bedeutet das Rückwurfverbot für die Verhandlungen über die Fischfangquoten, die immer im Herbst auf der Tagesordnung der Europäischen Union stehen?

In Zukunft müssen die Fischer den gesamten Fang anlanden, der wird registriert und auf die Quoten angerechnet. Der jetzige Beifang wurde ja nicht erfasst, künftig schont das die Bestände zumindest etwas mehr und verbessert die wissenschaftliche Datenerhebung. Wenn man den Zustand der Bestände besser kennt, können bessere Empfehlungen für Fangquoten gegeben werden.

Das heißt: Wenn ich 1.000 Tonnen Makrelen anlanden darf, darf ich künftig auch nur 1.000 Tonnen fangen, nicht mehr zusätzlich 100 Tonnen Beifang. Also insgesamt weniger Fisch?

Ganz einfach ausgedrückt: Ja. Und das wäre wünschenswert und dann natürlich auch ressourcenschonend. Einige Länder wollen allerdings zusätzliche Quoten für den Beifang.

EU-Fischereikommissarin Maria Damanaki glaubt, auf die Fischerei käme „eine ganz neue Realität zu“. Eine gute Zukunft?

Von einer Kehrtwende zu sprechen, wäre zu früh. Ein ausnahmsloses Rückwurfverbot und effektive Kontrollen, wie vom EU-Parlament vorgeschlagen, wären dafür nötig. Die Beschlüsse der Minister sind aus unserer Sicht nicht kraftvoll genug. INTERVIEW: SVEN-MICHAEL VEIT

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