Kolumne Trends und Demut: Typisch deutsches Fingerfood
"Ein Russe, ein Amerikaner und ein Deutscher …": Bei der Londoner Kunstmesse Frieze hangeln sich die Besucher durch das Klischee-Alphabet.
W enige Tage vor Beginn der Londoner Frieze Art Fair kursierte auf Facebook ein Comic über zwei Arten, eine Kunstmesse zu erleben. Traumversion: Die Sammler kommen aus Dubai, die Künstler aus Berlin. Die Party schmeißen die Italiener und alles wird organisiert von den Schweizern. Dagegen der Albtraum einer Messe: Die Sammler kommen aus Berlin, die Künstler aus Dubai. Die Party wird geschmissen von den Schweizern und alles wird organisiert von den Italienern.
Die Frieze kam natürlich auch ohne Dubai-Sammler und italienische Partys auf anständige Umsatzzahlen und reichlich Gepose in der Statussphäre. Doch der Witz war gerade deshalb so verführerisch, weil er derart ungeniert mit der alten territorialen Klischeekomik à la "Ein Russe, ein Amerikaner und ein Deutscher …" spielte. Mit dem Joke im Hinterkopf kam mir die ganze Frieze plötzlich wie ein stereotypes Schlaraffenland vor. So sind Sammler aus Berlin also zum Fürchten, weil sie allesamt arm sind? Ich empfand einen Amerikaner neben mir viel geschäftsschädigender, wie er in gewohnter We-are-the-World-Manier den Galeristen fragte, ob er das kleine, feine Acrylgemälde an der Wand auch in der Größe eines Flachbildschirmes bekommen könnte. Typisch amerikanisch!
Auch hätte ich den Comic gern um eine Kategorie erweitert: Besucher, die optisch mit den Werken korrespondieren, regen das Geschäft an. Und das hatten während der Frieze in jedem Fall die stylischen Italiener am besten im Griff. Valentino stand verzückt vor dem edlen Motorboot der Marke Riva, das man entweder als Christian-Jankowski-Werk (625.000 Euro) oder eben nur als Boot (500.000 Euro) kaufen konnte. Das Braun-Orange der Armaturen und Sitze korrespondierte hervorragend mit dem legendären ledrigen des eitlen Stardesigners. Ein typischer Italiener eben …
Zwar war ich auf keiner Party der Schweizer, doch die Deutschen mit einer Frieze-Feierlichkeit in der Botschaft erwiesen sich als perfekter Stellvertreter: vom akkurat hängenden Porträt des Bundespräsidenten Wulff in der Eingangshalle über die plumpen Pils-Gläser für deutsche Biertrinker beim Buffet bis zum hessischen Besucher, dessen Berufsstand man schon an der Krawatte ablesen konnte. Sie war lustig mit der Justitia gemustert und für alle, die immer noch nicht begriffen hatten, dass der Mann Jurist war, war das Ganze noch verziert mit einer goldenen Nadel mit Gesetzzeichen.
ist Kulturreporterin der taz in London.
"Oh, Sie sprechen deutsch! Typisch deutsch sehen Sie aber nicht aus!", wurde mir auf dieser langweiligen Veranstaltung schließlich noch versichert. Und während ich wegen dieses stereotypen Fauxpas kochte, wurde mir klar, dass mein Gesprächspartner sich im Grunde ebenso sorglos durch das Klischee-Alphabet hangelte, wie ich das, angeregt durch diesen penetranten Joke, ja auch tat! Bestimmt war dieser Sammler, der Bilder im Flachbildschirmformat wünschte, gar kein Amerikaner, sondern Belgier, Nigerianer oder Österreicher, der einfach nur gern wie ein New Yorker sprach. Und im Grunde war die Party in der deutschen Botschaft auch gar nicht so schlecht gewesen. Vor allem das typisch japanische Fingerfood.
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