Euro-Krise: "Mehr Kontrolle der Banken"
Allein kann Griechenland sein Defizit nicht abtragen, die Banken sollen helfen. Thierry Philipponat von "Finance Watch" reicht das nicht: Banken müssen ihr Spekulationsgeschäft abstoßen, fordert er.
taz: Herr Philipponat, Griechenland versinkt in Schulden. Ist ein drastischer Schuldenschnitt unausweichlich?
Thierry Philipponat: Ja. Es ist einfach eine ökonomische Tatsache, dass Griechenland sein Defizit allein nicht abtragen kann.
Dann wären aber viele Banken pleite, weil ihr Eigenkapital nicht ausreicht, um die Verluste in Griechenland aufzufangen.
Deswegen müssen die Banken ihr Eigenkapital deutlich erhöhen. Das ist übrigens keine Zumutung an die Banken. Sie behaupten zwar gern, dass Eigenkapital teurer wäre als Fremdkapital. Aber das stimmt nicht! Sehen Sie sich den Markt doch an. Kurzfristig leihen sich die Banken gar kein Geld mehr - und langfristig müssen sie enorme Risikoaufschläge zahlen. Da ist Eigenkapital auch nicht teurer.
Aber die Banken könnten doch einen anderen Trick anwenden: Statt neue Aktien auszugeben, könnten sie einfach weniger Darlehen an die Wirtschaft vergeben. Dann steigt die Eigenkapitalquote ebenfalls. Droht eine Kreditklemme?
Es ist eine ganz große Gefahr, dass die kleinen und mittleren Firmen keinen Kredit mehr erhalten. Deswegen muss die Aufsicht unbedingt überwachen, welche Geschäfte die Banken zurückfahren. Schon jetzt machen Firmenkredite nur einen kleinen Teil des Geschäfts der Banken aus. Stattdessen handeln die Institute vor allem mit Wertpapieren und Derivaten. Dieses spekulative Handelsgeschäft müssen die Banken abstoßen - kontrolliert von der Aufsicht.
Sie haben ja schon einen entsprechenden offenen Brief geschrieben, der unter anderem an Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy ging. Gab es eine Reaktion?
Bisher hat keine Regierung geantwortet.
Die Banken argumentieren, dass es gefährlich wäre, das Handelsgeschäft mit Wertpapieren und Derivaten zu stark zu regulieren - weil es dann zu den Schattenbanken abwandern würde.
Die Schattenbanken würde es gar nicht geben, wenn sie nicht von den großen Banken finanziert würden. Die Deutsche Bank, zum Beispiel, ist einer der wichtigsten "prime broker" für die Hedgefonds. Und JP Morgan Chase besitzt mit "Highbridge" gleich selbst einen der weltweit größten Hedgefonds. Jede Großbank betreibt auch Schattengeschäfte.
Die Regierungschefs beraten nicht nur über die Banken, sondern auch über eine weitere Ausweitung des Rettungsschirms. Wird damit die Eurokrise eingedämmt?
Das kauft nur Zeit. Wenn man 100 Euro in der Tasche hat, dann werden es nicht mehr, nur weil man sagt, es wären 200 Euro.
Leser*innenkommentare
Didi
Gast
Werter Leser,
wenn ich jetzt und hier behaupte, dass die Banken zum größten Teil an vergangenen und der aktuellen Wirtschaftskrise die Schuld tragen und dies ohne Reaktionen seitens der Regierung auch auf folgende Wirtschaftskrisen zutreffen wird, so behaupte ich wohl nichts Neues.
Da aber doch die Regierungen, also das Volk auch über das Volkskapital bestimmen sollte und das Volk nicht vom Kapital regiert werden soll, habe ich bei dem weltweiten Netzwerk Avaaz eine Petition erstellt, welche bei Erfolg, also bei ausreichend Zeichnern der Bundesregierung vorgelegt wird.
Diese Petition soll die Regierung dazu veranlassen, das die Banken wenn nötig, voll und ganz unter Kontrolle gestellt werden. Riskospekulationen müssen verboten werden und die Banken müssen wieder zu den Aufgaben zurückkehren, für die sie eigentlich geschaffen sind.
- sicheres Aufbewahren von Bürgers Spargeldern, so das diese auch im Falle eines Konkurses sicher sind
- Verwalten der Hypotheken von Bürgers Wohneigentum
- Vergabe von sicheren Darlehen
- Bereitstellungen von Finanzmitteln für die Wirtschaft (Ausnahme: Riskokredite)
Man könnte die Liste noch erweitern.
Um also die Banken wieder auf den Weg der Tugend zurückzubringen, sind eine lückenlose Kontrolle und knallharte Vorgaben nötig.
Diese Petition ist dazu gedacht, die Regierung mit Hilfe der Stimme des Bürgers zu derartigen Maßnahmen zu bringen.
Bitte zeichnet hier:
http://www.avaaz.org/de/petition/Starkere_Kontrolle_der_Banken/?cNTRTcb
guntherkummerlande
Gast
Thierry Philipponat hat hier wirklich
ein wahres und längst überfälliges Statement
formuliert.
Wie dumm kann man sein, wenn man Ihn ignoriert.
Sie haben meine volle Zustimmung.
Alles Gute weiterhin und geben Sie in Ihren
Bemühungen NICHT nach.
Dennoch bitte weiterlesen:
Das Derivategeschäft kann auf Dauer nur funktionieren, wenn wir immer weitere
virtuelle Schuldenverwertungsgesellschaften
aufbauen und diese Gesellschaften quasi im zeitlich Unendlichen liquidieren.
Wehe der Prozess ist vorangeschritten
und man möchte diese Schulden durch herkömmliche
Maßnahmen, wie Schuldentilgung und Inflation
abbauen. Dann kommt die Wohlstandskatastrophe.
Das Hauptproblem, was hier nicht verstanden worden ist, ist folgendes:
Die Investoren bekommen von den Staaten
verbrecherisch günstige Garantieoptionen für ihre
Risikogeschäfte ohne volkswirtschaftliche,
konkrete Investitionen.
Der Anteil des Geldvolumens durch die Schuldenstrategien steigt immens.
Nur dadurch weil die Reichen ihr Geld zusammenhalten,
kommt es nicht zur massiven Inflation.
Brechen die Staaten mangels Liquidität zusammen,
übernehmen die wenigen verbliebenen Reichen
die Macht und autoritäre Regime werden wahrscheinlich entstehen, wenn nicht eine Teilenteignung
der Reichen betrieben wird, was meist
wie in Afrika in Apartheid, Menschenrechtsverletzungen und Diktaturen enden kann.
Vernichtet man die Schulden, vernichtet man
das Kapital der Investoren, dann sinkt
auch das Potential für große Investitionen
und zivilisatorische Fortschritte.
Mein Tipp: Man sollte reichen Bürgern
und Versicherern, Banken und Unternehmen und
möglicherweise allen am Kapitalmarkt
die Auszahlung ihrer Gläubigerguthaben
durch die Gewinnbeteiligung am gesellschaftlichen
Fortschritt entlohnen.
Wenn also die Reichen in die Ausweitung
von Forschungs-und Lehrkappazitäten investieren,
dürfen Sie ein Prozent des Gehaltes der
Studienabsolventen für 10 Jahre an Renditeabschöpfung
erwarten.
Wenn stark Medikamentenkosten durch verbesserte
Operationen eingespart werden konnten, dann
dürfen die Investoren in Operationsforschungsprojekte
die 2% der Einsparungssumme als Rendite
für 10 Jahre ausgezahlt bekommen. ... usw.
FORTSCHRITT IST DIE EINZIGE, WIRKLICH
WERTBESTÄNDIGSTE GARANTIE.
Es stimmt nicht das der Spekulant per se ein
übles Schwein ist.
Dem Staat fehlte es bisher aber an Kreativität
interessante und ethisch einwandfreie
Finanzprodukte anzubieten.
Und das ist einer der Hauptprobleme.
Diese Produkte dürfen nur die Verbesserung objektiver
staatlicher Performanceparameter, der
dem Staat unterstellten Verantwortungsbereiche sein.
Diese müssen unmittelbar das Leben der Bürger
verbessern.
Würden solche Angebote in diesem Stil von
staatlicher Seite her gewährt und auch als
exclusive Schuldentauschalternative
eingeführt(Staatsanleihen der Gläubiger können
in Performanceverbesserungsaktien der staatlichen
Institutionen(Schulen, Unis,Krankenhäuser, Militär,
Erziehungseinrichtungen, Haftanstalten(Therapieplätze für Gefangene-Gewinnbeteiligung
durch eingesparte Unterhaltskosten
von rückfälligen Mehrfachstraftätern) umgetauscht werden),
dann würden die
realen, wirtschaftlichen Probleme sich deutlich minimieren lassen.
Peter Tiemann
Gast
So schlimm kann es doch eigentlich gar nicht kommen. Die Banken haben in Ihren Bilanzen mit Sicherheit bereits Abwertungen vorgenommen. Die Steuern auf diese Abwertungen haben wir Steuerzahler doch schon bezahlt bzw. werden wir in Kürze bezahlen. Wenn dann noch andere Institutionen Teile der Verluste übernehmen, halten sich die "Banker" doch fast schadlos und können "heiter weiter" ihren dubiosen - für den Otto-Normal-Verbraucher nicht nachvollziehbaren - Geschäften nachgehen.
Die gesamte Krise kann nur durch eine Reform des Bankenrechts verbunden mit einer wirksamen Aufsicht auch der "staatlichen Rechnungswesen" überwunden werden.
Frage
Gast
Das hört sich alles ganz vernünftig an, Frau Herrmann. Warum haben Sie Ihren Interviewpartner eigentlich nicht gefragt, was er von Ihrer Wunschvorstellung des beliebigen Gelddruckens (EZB erhält freie Hand zum Kaufen beliebiger Staatsanleihen) hält?