„Tod den Ungläubigen!“

REGIERUNGSTREUER AUFMARSCH Hunderttausende Anhänger des Regimes fordern die Todesstrafe für die Anführer der Opposition. Die meisten von ihnen sind bereits verhaftet. Auch mit Mussawis Festnahme wird gerechnet

„Bislang hat die Polizei Milde walten lassen, aber die Ära der Toleranz ist vorbei“

POLIZEICHEF AHMADI MOGHADDAM

VON BAHMAN NIRUMAND

Tagelang war die iranische Opposition auf der Straße gewesen und hatte sich blutige Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften geliefert. Am Mittwoch waren die Anhänger des Regimes an der Reihe: Bei staatlich organisierten Solidaritätskundgebungen gingen in Teheran und anderen Städten hunderttausende Sympathisanten von Präsident Mahmud Ahmadinedschad auf die Straße. Sie beschimpften die Anführer der Opposition als Gotteslästerer und skandierten „Tod Mussawi“. Sie forderten von der Justiz, ihnen zu erlauben, sich an den Anhängern der Opposition zu rächen, weil sie durch ihre Proteste anlässlich der Aschura-Feiern am vorigen Sonntag dieses heilige Fest entweiht hätten.

Es müsse einen Unterschied geben zwischen der „Partei Gottes“ und der „Partei des Teufels“, sagte Ajatollah Mehdi Aalamolhoda, ein Anhänger Ahmadinedschads, in seiner Rede auf der zentralen Veranstaltung in Teheran. Jene, die das islamische System untergraben würden und islamische Werte beleidigten, seien Feinde Gottes – ein Vorwurf, für den das islamische Recht die Todesstrafe vorsieht. Aalamolhoda rief die Justiz auf, den Oppositionsführern eine Frist zu setzen, um Reue zu zeigen für ihr „gotteslästerliches Tun“. Andernfalls müssten sie als Feinde Gottes gebrandmarkt werden und die Konsequenzen tragen. Daraufhin brüllte die Menge: „Mussawi und Karrubi müssen hingerichtet werden.“ Die Veranstaltungen wurden vom Staatsfernsehen live übertragen. In den vergangenen beiden Tagen hatte der Sender nahezu alle Sendungen Schmähprogrammen gegen die Opposition gewidmet und diese beschuldigt, im Dienste ausländischer Staaten zu stehen.

Am Mittwoch drohte auch der oberste Polizeichef, General Ismail Ahmadi Moghaddam, den Regierungsgegnern ein härteres Vorgehen an. „Bislang hat die Polizei Milde walten lassen, aber die Ära der Toleranz ist vorbei“, zitierte ihn die Nachrichtenagentur Irna. „Wenn diese Oppositionellen das herrschende System stürzen wollen, wird es keine Gnade geben.“ Angaben der Opposition scheinen zu bestätigen, dass das Regime bereits zu einer härteren Politik übergegangen ist: Demnach sollen im Zuge der Unruhen am Wochenende und in den Tagen danach mehr als tausend Personen festgenommen worden sein.

Außerdem wurden nahezu sämtliche öffentlich bekannten kritischen Politiker, Journalisten, Menschenrechtler, Intellektuellen und Frauenaktivistinnen in Haft genommen. Es wird erwartet, dass wohl auch die Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi, Mehdi Karrubi und Mohammed Chatami bald verhaftet werden.

Fatemeh Karrubi, Ehefrau von Mehdi Karrubi, zeigte sich in einem offenen Brief „höchst besorgt“ über die Sicherheit ihres Mannes und ihrer Familie. „Es ist unfassbar, dass meine Kinder und ich 30 Jahre nach der Islamischen Revolution befürchten müssen, dass irgendwelche Schlägertruppen im Namen der Revolution mitten in der Nacht uns in unserem eigenen Haus überfallen“, schreibt sie und verweist auf eine Fernsehsendung, in der gesagt wurde, es sei nicht nötig, dass der Staat gegen die „Verschwörer“ einschreitet, das erledigten die Massen selbst.

Aus Teheran wurde am Mittwoch berichtet, dass das Haus von Mussawi von paramilitärischen Truppen sowie Anhängern der Regierung umstellt ist.

Das Regime versucht die Schuld für die Tötung von Demonstranten am Wochenende der Opposition und ausländischen Mächten in die Schuhe zu schieben. Laut iranischen Medien erklärte die Polizei am Dienstag, eines der Opfer, ein Neffe von Mussawi, sei von einem Auto aus erschossen worden. Der Vorfall habe sich in einer Nebenstraße fernab von den Zusammenstößen ereignet. (mit dpa)